Ostern allein zu Hause Wie Corona meine Ferienpläne zum zweiten Mal durchkreuzt hat

Von Lia Pescatore

17.4.2022

Während in der Schweiz nur noch eine Empfehlung gilt, bei Symptomen Kontakte zu vermeiden, sind in Deutschland nach wie vor zehn Tage Isolation Pflicht. (Symbolbild)
Während in der Schweiz nur noch eine Empfehlung gilt, bei Symptomen Kontakte zu vermeiden, sind in Deutschland nach wie vor zehn Tage Isolation Pflicht. (Symbolbild)
Keystone

Die Autorin und ihr Freund infizieren sich fast gleichzeitig mit dem Coronavirus. Weil sie in der Schweiz lebt und er in Deutschland, fallen die Konsequenzen aber äusserst unterschiedlich aus. 

Von Lia Pescatore

Der Mascarpone lag bereit im Kühlschrank. Am Mittwoch wollte ich daraus ein Tiramisu zaubern. Der Verwandtenbesuch war bereits organisiert, die Zugreise gebucht. Es sollte das perfekte Osterwochenende werden, das erste Mal seit einem halben Jahr wollte mich mein Freund in der Schweiz besuchen kommen.

Am Dienstag war ich gerade voller Vorfreude am Frühlingsputz, als sich mein Freund per Videochat meldete – der blaue Himmel im Hintergrund wollte nicht zu seiner bedrückten Stimmung passen: «Ich habe Corona», sagte er nur kleinlaut. Zuerst dachte ich, er scherze. Corona. Die Option, dass uns das Virus bei unseren Plänen in die Quere kommen könnte, existierte in meinem Kopf schon gar nicht mehr. Ich hatte ausgeblendet, dass wir in zwei verschiedenen Realitäten leben.

Ich hier in der Schweiz, wo der Bundesrat in Sachen Corona nur noch die Eigenverantwortung hochhält; in Winterthur, wo die Schutzmaske einzig noch in gesundheitlichen Institutionen Pflicht ist.

Mein Freund in Deutschland, wo sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach nicht zur Abschaffung der zehntägigen Isolationspflicht durchringen konnte. Im Städtchen Marburg, mit FFP2-Maskenpflicht in Zug und Bus, Testpflicht für Besuche im Spital und Pflegeheim.

Ebendiese Testpflicht wurde unseren gemeinsamen Ferien zum Verhängnis: Mein Freund wollte zu einem Termin ins Spital, als der obligatorische Antigentest überraschend positiv ausfiel.

Bei mir hatte sich das Unheil zu diesem Zeitpunkt bereits durch ein Kratzen im Hals bemerkbar gemacht. Ich entschied mich für einen PCR-Test – zu gross war die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich am Konzert letztes Wochenende angesteckt habe. Zu unwahrscheinlich bei dem warmen Wetter, dass es sich nur um eine Erkältung handelte.

Zwar war ich nicht wie mein Freund verpflichtet, mich zu testen. Aber ich hatte noch zwei Tage Arbeit im Grossraumbüro vor mir, ich wollte Gewissheit.

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Während ich ungeduldig auf das Testresultat wartete und mein WG-Zimmer in mein Homeoffice verwandelte, richtete sich mein Freund bereits in seinem knapp 15 Quadratmeter Studentenzimmer ein, das er nun eigentlich nicht mehr verlassen sollte. Die Küche teilt er sich mit einem Dutzend anderer Studenten, auch Bad und Dusche werden vom ganzen Gang genutzt.

Während sich meine Symptome kaum veränderten, verschlechterte sich sein Zustand. Wie sollte er sich da für zehn Tage durchschlagen? Ich fühle mich hilflos – und hatte ein Déjà-vu.

Gestrandet in London

Zu gut erinnere ich mich an Ende Dezember 2020. Auch damals hatten wir grosse Pläne: Wir wollten zusammen den Jahreswechsel in Istanbul feiern. Mein Freund hatte gerade den Master in London abgeschlossen und musste danach wegen seines auslaufenden Visums nach Pakistan, sein Heimatland, zurückkehren. Doch dann kam zuerst die Delta-Variante – Grossbritannien mittendrin als der mutmassliche Variantenherd.

Die meisten Flüge wurden gestrichen. Istanbul rückte in weite Ferne. Mein Freund sass in London fest.

Doch es kam noch besser: Mein Freund fand sich bald zusammen mit einem Kollegen in einem als Zwischenlösung angemieteten Zimmer wieder, beide infiziert, irgendwo ausserhalb Londons, wo sie niemanden kannten. Mein Freund hatte seine Studentenunterkunft bereits gekündigt, alles war eigentlich bereit für die Abreise. Über zwei Wochen musste er dort ausharren, bis sein Test endlich negativ ausfiel und er den Flug nach Islamabad antreten konnte – ohne Zwischenhalt in Istanbul.

Empfehlungen statt klarer Ansage

Zurück ins Jetzt. Nach 24 Stunden erreichte auch mich ein positives Resultat. Ich kramte den Zettel hervor, den ich einen Tag zuvor im Testzentrum erhalten hatte. «Das Tragen einer Maske ausserhalb des Haushalts ist sinnvoll», steht da. «Wenn Sie sich krank fühlen, sollten Sie zu Hause bleiben und Kontakte vermeiden oder reduzieren.»

Während für meinen Freund klare Anweisungen gelten, sind es in der Schweiz nur lauwarme Empfehlungen. Ich hätte meine Familie ohne Weiteres sehen können. Dennoch entschied ich mich dagegen, um das Virus nicht weiterzuverbreiten. Die Zusammenkunft wäre ohne meinen Freund eh nicht das Gleiche.

Der Mascarpone wird wohl noch länger im Kühlschrank liegen bleiben – die Lust auf Tiramisu ist mir gänzlich vergangen. Immerhin meine grösste Angst hat sich nicht bewahrheitet: Corona hat mir meinen Geschmackssinn nicht genommen.

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