Suche per Fahndungsliste Ungeklärte Verbrechen: Nach diesen Tätern fahndet die Polizei seit Jahren 

dpa

11.10.2018

Mit einer «Most Wanted»-Liste fahndet die US-Bundespolizei FBI nach den von ihr meistgesuchten Verdächtigen. Flüchtige Täter gibt es auch in der Schweiz. Bluewin zeigt, in welchen Fällen die Polizei seit Jahren mit Hochdruck ermittelt.

In der Nacht auf den 20. März 2010 wurde im Zürcher Kreis 5 ein 17-Jähriger Schweizer Gärtnerlehrling vor einem Szeneclub getötet. Bis heute ist die Tat nicht aufgeklärt. Vermutlich wurde das Opfer erstochen - der Täter wird auch über acht Jahre später noch gesucht.

Laut Polizei fuhr er «ein auffälliges, dunkles Velo, einen sogenannten Beach-Cruiser mit geschwungenem Rahmen» . Beschrieben wird der Verdächtige als «Typ Latino, gebrochen Deutsch sprechend, hat schlechte Zähne und dunkles Haar». Einzig ein unscharfes Schwarz-Weiss-Video einer Überwachungskamera soll ihn zeigen. Gefasst wurde er nicht.

Fälle wie dieser sind es, die auch in der Schweiz für Rätsel sorgen. Auf den Fahndungslisten der Kantonspolizei finden sich zahlreiche ungelöste Verbrechen. Oft handelt es sich dabei um Raubüberfälle, seltener um Mord und Totschlag. Zeugen werden aufgerufen, sich zu melden, bisweilen ist auch eine Belohnung ausgesetzt. Im Fall des getöteten 17-Jährigen 10'000 Franken.

Dieses Bild einer Überwachungskamera zeigt den mutmasslichen Mörder des 17-Jährigen.
Dieses Bild einer Überwachungskamera zeigt den mutmasslichen Mörder des 17-Jährigen.
Kapo ZH

Vierfachmord und toter Familienvater

Das Doppelte gar lobt die Polizei Bern für Hinweise zu einem spektakulären Verbrechen aus, das seit 20 Jahren nicht vollständig aufgeklärt ist.  Am Abend des 27. Juli 1998 wurden vor dem damaligen «Tea Room Safari» vier Menschen erschossen. Vier Personen sollen an dem brutalen Verbrechen beteiligt gewesen sein - erst 2012 gelingt es, einen der flüchtigen Tatverdächtigen in der Türkei zu verhaften. In Istanbul wird er zu lebenslanger Haft verurteilt, schweigt aber zu den Hintergründen des Vierfachmordes. Von seinen drei Mitstreitern fehlt bis heute jede Spur.

Ebenfalls in Bern fahndet die Polizei seit 15 Jahren nach dem Mörder des Kosovo-Albaners Imri Djeledini, der 2003 im im Altisbergwald bei Kräiligen BE erschossen aufgefunden wird. Der damals 35-Jährige Familienvater war laut Polizei «Miteigentümer einer Armierungsfirma und in der Eisenleger-Branche sehr bekannt». Auch nach intensiven Ermittlungen im Bekanntenkreis des Opfers, einer Fahndung über die Sendung «Aktenzeichen XY» und einer ausgeschriebenen Belohnung von 10'000 Franken konnte die Polizei den Todesschützen bislang nicht ermitteln.

Fahndung nach Räubern

Zwar können die Täter von Raubüberfällen aufgrund von Überwachungskameras oft dingfest gemacht werden. Doch dauert die Fahndung in manchen Fällen auch hier länger. So sucht die Zürcher Kantonspolizei seit vier Jahren nach einem bewaffneten Räuber, der im August 2014 in Adlikon bei Andelfingen versuchte, eine Tankstelle zu überfallen. Der mit einer Sturmmaske Vermummte erbeutete kein Geld, verletzte niemanden und konnte trotz ausgesetzter Belohnung von 5000 Franken bis heute nicht ausfindig gemacht werden. Tankstellenshops scheinen ein beliebtes Ziel: Seit fast einem Jahr sucht man auch in Pratteln BL nach einem flüchtigen Räuber, der zu Fuss mit mehreren Hundert Franken Beute entkam.

Seit bereits mehr als drei Jahren fahndet die Polizei Zürich nach einem Räuber, der im März 2015 eine Bankfiliale in Zürich-Wollishofen überfiel und mit mehreren tausend Franken Beute fliehen konnte. Laut Fahndung sprach der zwischen 23 und 35 Jahre alte Mann Zürcher Dialekt, war mit einer Faustfeuerwaffe bewaffnet und verstaute das erbeutete Geld in einer gelben Plastiktasche. 5000 Euro sind für sachdienliche Hinweise auf den Unbekannten ausgesetzt.

Gefahndet wird bisweilen auch nach Verbrechern, die bereits gefasst waren: So sucht die Kantonspolizei St. Gallen seit drei Jahren nach dem flüchtigen Häftling Pajtim Haziraj, der «wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls sowie Raubs» bereits im vorzeitigen Strafvollzug befand. 2015 gelang ihm nach wenigen Monaten die Flucht aus einem Büro der Staatsanwaltschaft, wo er bei einer Befragung seine Fussfesseln lösen und zu Fuss flüchten konnte. Trotz sofortiger Fahnung bleibt er bis heute verschwunden.

Seit drei Jahren sucht die Kantonspolizei St. Gallen nach dem flüchtigen Häftling Pajtim Haziraj.
Seit drei Jahren sucht die Kantonspolizei St. Gallen nach dem flüchtigen Häftling Pajtim Haziraj.
Kapo St. Gallen

Keine Rangordnung, aber hohe Belohnungen

Erfolgreich praktiziert wird die Öffentlichkeitsfahndung auch in anderen Ländern. Während in den USA eine Rangliste erstellt wird, sucht das BKA in Deutschland ohne Ranking auf einer Online-Liste nach Hinweisen - etwa nach dem seit über 20 Jahren flüchtigen Mehrfachmörder Norman Franz. Es wird nach Straftätern und Vermissten gesucht - ebenso nach Zeugen von Verbrechen und nach Menschen, die etwas über die Identität von Leichen wissen.

Norman Franz: Seit über 20 Jahren auf der Flucht

Die Ermittler verweisen auf eine Erhebung des ZDF zum 50-jährigen Bestehen der Fernsehsendung «Aktenzeichen XY... ungelöst», als eine Aufklärungsquote von rund 40 Prozent ermittelt worden sei. Öffentlichkeitsfahndungen können der Polizei laut BKA auf ganz unterschiedliche Art und Weise helfen: Mal kommt ein wichtiger Hinweis von Zeugen, mal provozieren sie beim Straftäter einen Fehler - und manchmal stellen sich die Gesuchten auch selbst, weil der Druck zu stark wird. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg sei auch die Empathie, die durch den Aufruf erzeugt wird. Das Mitgefühl der Menschen mit den Opfern ist beispielsweise dann besonders gross, wenn Kinder sexuell missbraucht wurden.

«Daher wird ein grosses mediales Interesse erzeugt und die Vervielfältigung der Fahndung erhöht sich um ein Vielfaches», teilt das deutsche BKA mit. Seit 2017 seien nach Missbrauchsfällen dreimal mit Öffentlichkeitsfahndungen die mutmasslichen Täter gesucht worden. In jedem dieser Fälle wurde binnen 24 Stunden ein Verdächtiger ermittelt. Lange zurückliegende Taten können manchmal mit Hilfe der Bevölkerung noch geklärt werden, so die Erfahrungen des BKA.

Fahndung nach RAF-Räubern

Auch wenn mutmassliche Mitglieder der früheren Roten Armee Fraktion (RAF) in der Fahndungsliste auftauchen oder Taten rund um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) - eine Rangordnung à la «Most Wanted» wie bei der US-Bundespolizei FBI nimmt das BKA nicht vor. Allerdings locken teils hohe Belohnungen: 80'000 Euro sind für erfolgreiche Hinweise auf das Ex-RAF-Trio Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg ausgelobt worden.

Bilder aus der Schweiz
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