Texas Geiselnahme in Synagoge endet mit Befreiungsaktion

dpa

16.1.2022 - 08:29

Geiselnahme in Synagoge in Texas beendet – alle Geisel frei

Geiselnahme in Synagoge in Texas beendet – alle Geisel frei

Die Geiselnahme in einer Synagoge in Colleyville in Texas ist beendet. Alle Geiseln wurden am Samstagabend nach mehr als 10 Stunden freigelassen. Der texanische Gouverneur Greg Abbott schrieb auf Twitter: «Gebete erhört. Alle Geiseln sind lebendig und in Sicherheit». Lokalreporter berichteten, sie hätten zuvor Schüsse und Explosionen gehört. Möglicherweise habe es sich dabei um Blendgranaten gehandelt. Medienberichten zufolge hatte ein bewaffneter Mann während eines Gottesdienstes in der Synagoge in Colleyville, einem Vorort von Dallas-Fort Worth, vier Geiseln genommen. Der Geiselnehmer habe verlangt, dass eine in den USA inhaftierte pakistanische Neurowissenschaftlerin freigelassen werden solle. Sie war 2010 wegen der Erschiessung von Soldaten und FBI-Beamten schuldig gesprochen worden und verbüsst in der Nähe von Fort Worth eine auf 86 Jahre angesetzte Gefängnisstrafe.

16.01.2022

Während eines Gottesdienstes nimmt ein Mann in einer Synagoge in Texas mehrere Geiseln. Über viele Stunden verhandeln Polizisten mit dem Geiselnehmer. Es endet mit einer dramatischen Szene.

16.1.2022 - 08:29

Eine Geiselnahme in einer Synagoge hat am Samstag eine Stadt im US-Bundesstaat Texas in Atem gehalten.

Nach stundenlangen Verhandlungen mit dem Geiselnehmer drangen Spezialkräfte in die Synagoge ein und befreiten die Geiseln, wie die Polizei in der Stadt Colleyville nahe Dallas mitteilte. Der Geiselnehmer sei ums Leben gekommen. Wie genau, das liess die Polizei offen.

Auch zu den Hintergründen der Tat hielten sich die Behörden bedeckt. US-Medien berichteten unter Berufung auf Ermittler, der Geiselnehmer habe eine Gefangene mit mutmasslichen Verbindungen zur Terrorgruppe Al-Kaida freipressen wollen.

Geiselnahme während des Gottesdienstes

Der Mann hatte während eines Gottesdienstes in der Synagoge der 26.000-Einwohner-Stadt vier Geiseln genommen und sich über Stunden mit ihnen in dem Gebäude verschanzt. Unter ihnen war der Rabbi. Der Gottesdienst wurde auf der Facebook-Seite der Gemeinde live übertragen.

Die lokale Zeitung «Fort Worth Star Telegram» berichtete, in dem Livestream sei die Stimme eines wütenden Mannes zu hören gewesen, der geschimpft und geflucht und unter anderem über Religion gesprochen habe. Er habe mehrmals gesagt, er wolle niemandem weh tun, und er glaube, dass er sterben werde. Irgendwann brach die Übertragung ab.

Rund 200 Beamte im Einsatz

Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot von etwa 200 Beamten an – darunter Spezialeinheiten, die auf Geiselnahmen spezialisiert sind. Experten der Bundespolizei FBI hielten den Tag über mit dem Geiselnehmer Kontakt und verhandelten mit ihm.

Die Lage war lange unübersichtlich. Am frühen Abend kam die erste Entwarnung: eine männliche Geisel wurde freigelassen – unversehrt. Ein paar Stunden später verkündete dann der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, auf Twitter, alle Geiseln seien frei und in Sicherheit.

Der zuständige FBI-Beamte Matt DeSarno sagte, alle vier Geiseln seien wohlauf und unverletzt. Der Geiselnehmer sei identifiziert. Angesichts der laufenden Ermittlungen könne die Polizei aber keine näheren Angaben zu ihm machen. Umfangreiche Nachforschungen mit Blick auf sein Motiv und mögliche Kontakte seien im Gang.

«Unsere Ermittlungen werden globale Reichweite haben», betonte DeSarno. Nach bisherigen Erkenntnissen sei der Geiselnehmer auf ein Thema fokussiert gewesen, das nicht speziell die jüdische Gemeinschaft betreffe. Der Polizeichef von Colleyville, Michael Miller, sagte, es sei bislang unklar, warum sich der Mann die örtliche Synagoge als Ziel ausgewählt habe.

Politische Motivation

Mehrere US-Medien, darunter die «Washington Post» und der Sender CNN, berichteten übereinstimmend unter Berufung auf Ermittlerkreise, der Mann habe die Freilassung einer pakistanischen Wissenschaftlerin aus einem nahe gelegenen Gefängnis in Texas erreichen wollen: Aafia Siddiqui.

Sie war 2010 wegen eines Angriffs auf US-Soldaten in Afghanistan von einem US-Bundesrichter zu 86 Jahren Haft verurteilt worden. Im Juli 2008 war Siddiqui im afghanischen Ghasni festgenommen worden. Beim Verhör auf einer Polizeiwache hatte sie eine am Boden liegende Waffe an sich genommen und auf einen US-Soldaten und einen Übersetzer gezielt, ohne diese zu treffen.

Siddiqui war in einer der Top-Universitäten der USA, dem MIT in Cambridge, ausgebildet worden. Später wurde ihr Name von US-Behörden auf eine Liste von Verdächtigen gesetzt, die mit Al-Kaida-Terroristen in Verbindung stehen könnten.

Die Polizei äusserte sich nicht zu dem Motiv des Täters. Offen liessen die Behörden auch, wie sich die Szene der Geiselbefreiung abspielte, wie der Geiselnehmer bewaffnet war und ob er von Einsatzkräften getötet wurde oder sich womöglich selbst das Leben nahm.

Biden stellt sich gegen Extremismus

US-Präsident Joe Biden erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme: «In den kommenden Tagen werden wir mehr über die Beweggründe des Geiselnehmers erfahren.» Er betonte, jeder, der Hass verbreiten wolle, müsse aber wissen: «Wir werden uns gegen Antisemitismus und gegen die Zunahme des Extremismus in diesem Land stellen.»

Während der Geiselnahme hatte sich auch der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett zu Wort gemeldet und in einem Tweet geschrieben, er beobachte die Situation in Colleyville genau und bete für die Sicherheit der Geiseln und der Einsatzkräfte.

Behörden in anderen US-Städten, unter anderem in New York und Los Angeles, teilten mit, angesichts der Lage in Colleyville hätten sie ihre Präsenz an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen aus Vorsicht vorerst verstärkt.

dpa