NewsTobi Schlegls Weg vom TV-Job zum Rettungsdienst
dpa
31.8.2020 - 09:44
Vor ein paar Jahren liess sich der Moderator Tobi Schlegl zum Notfallsanitäter ausbilden. Der harte Alltag liess ihn fast aufgeben. Als Therapie und Lobbyarbeit schrieb er jetzt den Roman «Schockraum».
Wer im Rettungswesen arbeitet, wird beinahe jeden Tag in langen Schichten mit dem Tod konfrontiert. Das ist gerade für Anfänger hart. Vor mehr als vier Jahren war Moderator Tobi Schlegl («Aspekte», «Extra3») der Grünschnabel in der Branche.
Kurz vor seinem 40. Geburtstag warf der ehemalige Viva-Moderator seinen Job hin und liess sich drei Jahre lang zum Notfallsanitäter ausbilden.
Die Härte des Jobs traf ihn unerwartet. «Ich hatte recht traumatische Einsätze», sagt Schlegl (42) der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Er liess sich auf Anraten eines Kollegen vom Kriseninterventionsteam betreuen. Das half. Um seelisch gesund zu bleiben, entschied sich der Journalist schliesslich, einen Roman namens «Schockraum» über seinen Arbeitsalltag zu schreiben. «Der Roman ist schon eine Art der Therapieform, ein Verarbeiten der Einsätze. Hätte ich eine Band, wäre es wohl stattdessen ein düsteres Heavy-Metal-Album geworden. So ist es ein düster-melancholischer Roman geworden.»
Der 287-seitige Roman «Schockraum» setzt im Grunde da an, wo Tobi Schlegl dank seines Kollegen abbog: Notfallsanitäter Kim hat ebenfalls ein traumatisches Erlebnis im Dienst, jedoch keine psychologische Betreuung. Was das mit ihm macht, zeigt der Roman.
Kim verliert den Bezug zur Realität, sein Selbstvertrauen im Job, er wird quasi zum unberechenbaren, antriebslosen Zombie. Und damit zur Gefahr für seine Patienten und zur Enttäuschung für Familie und Freunde. Trotzdem frisst er den Stress und die Anspannung der Zwölf-Stunden-Schichten, den Unmut über banale Notfalleinsätze (zum Beispiel wegen Nasenbluten nach Popeln), hilflose Angehörige ohne Ersthelfer-Wissen und abgestumpfte Kollegen in sich hinein.
Schlegl gelingt es dabei, die von ihm und seinen Kollegen erlebten Einsätze beim Deutschen Roten Kreuz in Hamburg lesenswert aneinanderzureihen und eine Geschichte darum zu weben. «Es sollte kein wildes Sammelsurium der Einsätze werden, sondern eine packende, emotionale Geschichte», hatte er sich vorgenommen. Das ist gelungen.
Die Einsatz-Storys kommen wie in sich geschlossene kleine Krimigeschichten daher. Es ist leicht, in diese Rettungsdienst-Welt einzutauchen und mitzufühlen. Das und die unverschnörkelte, fast schon jugendliche Sprache machen den Roman zu einem Buch, das Lust auf eine Fortsetzung macht.
Kim hat viel mit Tobi gemein, aber eben nicht alles. «Er ist schon sehr egozentrisch. Das bin ich hoffentlich nicht.» Gleichzeitig sagt Schlegl aber auch über seinen Debütroman: «Es ist das Persönlichste, was ich je gemacht habe.»
Das Buch ist aber nicht nur als Unterhaltungsliteratur gedacht. Es soll auch zum Nachdenken anregen. Darüber, was im Rettungsdienst Tag für Tag geleistet wird. Darüber, dass es so einfach wäre, durch Erste Hilfe den Tod zu verhindern. Darüber, dass posttraumatische Belastungsstörungen auch Teil des Rettungsdienstes und nicht nur der Bundeswehr sind. Darüber, dass die Rettungsdienstler nicht gut bezahlt werden, es in den Wachen immer eine grosse Personalnot gibt und viele auf dem Zahnfleisch gehen und trotzdem jeden Tag wieder Menschenleben retten. «Wenn wir die Arbeitsbedingungen nicht verbessern, kriegen wir auch keinen Nachwuchs und dann verbrennen wir umso mehr alle die, die da gerade schon arbeiten.»
Er will mit seinem Buch den Kollegen auch eine Stimme geben. «Der Rettungsdienst hat nur eine kleine Lobby.» Seine Kollegen hätten sehr positiv auf sein Vorhaben reagiert. «Die unterstützen das total und stehen hinter mir. Es ist das Gegenteil von einem Shitstorm, es ist ein Candystorm», sagt Schlegl und lacht.
Der Hamburger arbeitet nach wie vor 50 Prozent seiner Arbeitszeit für den Rettungsdienst und 50 Prozent fürs Fernsehen. «Es ist eine kluge Lösung, wenn man im Rettungsdienst alt werden will, wenn man das kombiniert.» Und das hat Schegl durchaus vor.
Doch vorher habe er noch einen anderen Wunsch. «Wenn Netflix das als Miniserie herausbringen würde, das wäre das Allergrösste.» Genügend Cliffhänger habe er eingebaut. «Ich muss auch gar nicht mitspielen.»
Tobias Schegl: Schockraum, Roman, Piper Verlag, 288 S., Euro 22, ISBN 978-3-492-07019-5
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