Wem hilft der Winter?Ukraine soll auf Kälte hoffen – obwohl Russland im Vorteil ist
klm
29.11.2023
Schneestürme und Eiseskälte haben die ukrainische Front fest im Griff. Der Wetterumschlag hat einen grossen Einfluss auf das Kriegsgeschehen – doch wem nützt er am meisten?
klm
29.11.2023, 11:47
klm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Seit Sonntagabend hat sich das Wetter in der Ukraine massiv verschlechtert. Schnee- und Eisstürme haben das Land in der Hand. Laut Militärexperten biete das verschiedene Vorteile und Nachteile – sowohl für Russland als auch die Ukraine.
Russland habe seine Stellungen besser befestigt, die Ukraine setze aber auf besseres Equipment.
Der Winter kam schnell und gnadenlos: Seit Sonntagnacht ziehen Schneestürme über die Ukraine, schon 23 Zivilisten erlagen der Eiseskälte laut Angaben des Innenministeriums.
Noch härter dürfte der Wetterumschwung für die Soldat*innen an der Front sein. Laut Militärexperte Gustav Gressel, der die Situation für «RND» einschätzt, ist der Winterbeginn die härteste Zeit im Kriegsgeschehen: «Am Tag regnet es und die Kleidung ist durchnässt, in der Nacht sinkt die Temperatur, und die Soldaten in den Schützengräben frieren.»
Die Frage, ober der Winter für Russland oder für die Ukraine mehr Nachteile bringt, ist aber gar nicht so einfach zu beantworten. Laut Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer, der ebenfalls mit «RND» gesprochen hat, seien die russischen Truppen, die die besetzten Gebiete im Süden verteidigen, in der besseren Position, da sie ihre Stellungen besser ausbauen konnten.
Ukraine konnte zu wenig vorstossen
Die Ukraine sei über die Offensive im Sommer an zu wenigen Stellen wirklich vorangekommen. So wäre etwa die Einnahme von Tokmak, einer Stadt im Süden, die 20 Kilometer von der Front entfernt liegt, essenziell gewesen. Doch Tokmak blieb in russischer Hand. Die Häuserschluchten hätten sich perfekt für ein Winterlager geeignet. «Jetzt liegen die Soldaten im offenen Gelände und können sich kaum bewegen, ohne sofort erkannt zu werden», so Reisner weiter.
Die Ukraine nutze ausserdem eine Rotationstechnik, um zu verhindern, dass die Soldat*innen an der Front ausbrennen. Wie Videos belegen, werden die ukrainischen Truppen alle paar Wochen in gepanzerten Fahrzeugen abgeholt und weiter hinten an der Front stationiert. Nach einiger Zeit in warmen Truppenunterkünften kehren sie dann zurück, um ihren Ersatz abzulösen. Das sei aber sehr riskant, wie Reisner ausführt: «Die Russen beobachten diese Truppenrotationen genau und greifen gezielt in diesen Situationen an.»
Andere Experten sehen in dem System aber einen grossen Vorteil im Vergleich zu den russischen Taktiken. Laut Insider-Berichten aus der «Bild» sollen viele russische Soldaten wegen der langen Zeit an der Front bereits jetzt am Ende ihrer Kräfte sein. Die tiefen Temperaturen dürften diesen Effekt noch verstärken. Das schreibt auch die Nachrichtenagentur AP, die sich dabei auf abgefangene Telefonate von Russen mit ihren Familien stützt: «Während der Krieg in der Ukraine in seinen zweiten Winter geht, wollen immer mehr russische Soldaten raus.»
Last year there were dozens of videos taken from drones of Russian soldiers apparently dead or dying of hypothermia. Winter could be on Ukraine’s side -;if they are properly equipped, and the Russians are as badly equipped as last year. https://t.co/ifud60eCz0
Laut «Bild» sei das der Grund, weshalb auch viele Führungspersonen in der ukrainischen Armee auf einen harten Winter hoffen.
Die Ukraine sei ausserdem wegen Materiallieferungen aus dem Westen weitaus besser auf einen Winterkrieg vorbereitet, als das noch im letzten Jahr der Fall war. Da zerstörte Russland mit Bombenangriffen zahlreiche wichtige Infrastrukturen, Millionen ukrainische Zivilisten froren ohne Heizung und Strom.
Laut Oleksii Makeiev, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, würde das in diesem Winter nicht noch einmal passieren: «Wir sind besser vorbereitet, weil auch unsere Partner erkannt haben, dass Flugabwehrsysteme den besten Schutz gegen diesen russischen Angriff mit Raketen und Drohnen gewährleisten.»