Flugzeug-Absturz in Bivio GRVater wird noch immer von Albträumen geplagt
vab
29.1.2024
Rund zweieinhalb Jahre nach dem Unglück spricht Alessio Stivala über den Verlust seines Sohnes. Der damals Sechsjährige sass am 12. Juni 2021 im Unglücksflugzeug, das im Kanton Graubünden abstürzte.
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29.01.2024, 10:56
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Im Juni 2021 stürzten zwei Flugzeuge ab. Es kam zu einem Zusammenstoss in der Luft. Alle Menschen an Bord kamen ums Leben.
Einer der Insassen war der sechsjährige Mattias. Er sass zusammen mit seiner Mutter in der Maschine.
Alessio Stivala, der Vater des Jungen, spricht über seinen Verlust. Und darüber, wie er heute noch von Albträumen geplagt wird.
Versicherungen sollen ihm eine Entschädigung von 30’000 bis 40’000 Franken geboten haben.
Stivala hat viele offene Fragen.
Bald soll der Abschlussbericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) veröffentlicht werden.
Eigentlich hätte der kleine Mattias am Abend des 12. Junis 2021 zu seinem Vater, Alessio Stivala, kommen sollen. Seine Eltern teilten sich das Sorgerecht für den damals Sechsjährigen. Doch er taucht nicht auf. Stivala wartet vergeblich in seiner Wohnung in Colombier NE auf seinen Sohn.
Seine Ex-Partnerin (41) nimmt die Anrufe nicht entgegen und antwortet nicht auf Stivalas Nachrichten. Der heute 44-Jährige wird unruhig und entdeckt ein Video, das sie gepostet hat, wo Mutter und Sohn in einem Flugzeug sitzen.
Am nächsten Tag fährt er zum Flugplatz in Colombier, um Klarheit zu bekommen. Wenige Zeit später erfährt Stivala, dass das Flugzeug, mit dem sein Sohn und seine Ex-Partnerin unterwegs waren, abgestürzt ist. Es kollidierte mit einem Segelflugzeug. Auch die beiden Piloten aus Neuenburg (70 und 44) und jener des Segelflugzeugs (51) sind tot.
Zweieinhalb Jahre nach dem Unglück spricht der Vater über seinen Verlust. «Mattias war die absolute Liebe. Es war fantastisch, Vater zu sein. Das war mein Traum», sagt Stivala zur «SonntagsZeitung». Und: «Jeden Tag denke ich an Mattias in seinem Flugzeug. Ich male mir aus, wie er noch am Leben ist, als er hier vorbeifliegt.»
Viele offene Fragen
Bis heute plagen den Vater viele offene Fragen. Das Geschehene ist für ihn ein nie endender Albtraum. In der Nacht schläft er unruhig und träumt von seinem Sohn, wacht dann schreiend auf: «Mattias nahm mich an der Hand und sagte: ‹Ich komme, um dir zu helfen.› Wir gingen zusammen bis zu einer Tür, hinter der es schwarz war. Er sagte: ‹Papa, weiter kannst du nicht mitkommen.› Dann liess er mich los und ging fort.»
Was Stivala auch zweieinhalb Jahre nach dem Unfall nicht verstehen kann: «Wie ist es möglich, dass die Kollisionsvermeidungssysteme nicht funktionieren oder ausgeschaltet sind oder dass wichtige Software nicht aktualisiert wird, wie es im Untersuchungsbericht heisst? Wie ist es möglich, dass man nicht merkt, dass ein Flugzeug verschwunden ist?» Denn im Abschlussbericht soll stehen, dass die Rettungskräfte erst alarmiert wurden, nachdem bereits mehr als 16 Stunden nach dem Zusammenprall vergangen waren.
Stivala frage sich auch, warum man vor einem solchen Flug nicht die Erlaubnis beider Elternteile einholt. «Dagegen hätte ich mich sonst gewehrt», sagt der Vater zur «SonntagsZeitung» weiter. So habe er im Vorfeld nichts vom geplanten Flug gewusst.
Versicherungen boten Vater 30'000 bis 40'000 Franken
Das Leben von Stivala ist begleitet von ständigem Schmerz. Dass die Zeit alle Wunden heilt, stimmt für den gelernten Schlosser nicht. «Heute habe ich etwas Energie. Aber schon morgen bin ich wieder am Boden zerstört. Die Realität ist, dass ich innerlich tot bin.»
Für seine Frau mache er weiter. Der Arbeit als Schlosser könne er aber kaum mehr nachgehen. «Ich war nicht mehr konzentriert, habe mich selbst verletzt. Auf den Baustellen habe ich mich manchmal zurückgezogen, um zu weinen, allein in einer Ecke», so Stivala.
Unerträglich fände der Vater auch die Entschädigungsangebote, die er von Versicherungen erhalten hat. «Sie boten mir 30'000 bis 40'000 Franken für Mattias. Der Preis eines Autos – für ein Kind! Das ist unanständig.»
«Werde das nie verstehen»
In Kürze soll der Abschlussbericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zum Vorfall erscheinen. Stivala konnte das Dokument bereits vorab einsehen.
Der Vater will, dass die Verantwortlichen zahlen und hat darum einen Anwalt eingeschaltet.
Was den Vater von Mattias nicht loslässt: «Ein Zusammenstoss in der Luft. Ich werde das nie verstehen. Der Himmel ist doch so gross», meint er aufgewühlt zur «SonntagsZeitung».