Prozess 7,5 Jahre für Schweizer Reeder gefordert

SDA

2.7.2020 - 12:28

Im Prozess um mutmasslichen Betrug rund um Bürgschaften zugunsten von Schweizer Hochseeschiffen hat der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren unbedingt gefordert. Auch eine bedingte Geldstrafe für den angeklagten Reeder beantragte er.

Staatsanwalt Roman Sigrist sagte am Donnerstag in seinem Plädoyer vor dem Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern, der 66-jährige Angeklagte habe sich aufgrund seiner Straftaten einen Vermögensvorteil von 11,7 Millionen Franken verschafft. Er müsse deshalb auch zur Zahlung einer sogenannten Ersatzforderung an den Kanton Bern verurteilt werden.

Gemäss dem Schweizerischen Strafgesetzbuch ordnen Gerichte solche Ersatzforderungen unter bestimmten Bedingungen an, wenn keine Vermögenswerte des Angeklagten eingezogen werden können.

Sigrist liess einen Teil seiner Vorwürfe wegen Verjährung fallen. Trotzdem hält er eine Reihe von Straftatbeständen für erfüllt, so unter anderem Betrug im Sinn des Strafgesetzbuchs, Leistungsbetrug im Sinn des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung, Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsführung, zu Teil mehrfach begangen.

In seinem rund zweieinhalbstündigen Plädoyer im Berner Amthaus forderte Sigrist weiter, eine ganze Reihe von Vermögenswerten des Reeders müssten mit Blick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung beschlagnahmt bleiben.

Es geht unter anderem um zwei Boote und um Autos und ein Motorrad. Auch müssten aus demselben Grund die Grundbuchsperren für Häuser des Angeklagten bestehen bleiben. Die bedingte Geldstrafe soll 360 Tagessätze zu 150 Franken betragen, also total 54'000 Franken.

«Auf der Basis von Schwindel»

Es sei dem im Kanton Bern wohnhaften Reeder nicht immer um persönliche Bereicherung gegangen, sagte Sigrist im Plädoyer. Oft habe der 66-Jährige auch delinquiert, um Löcher in seinem umfangreichen Firmengeflecht zu stopfen. Dies, nachdem 2008 die weltweite Wirtschaftskrise zahlreiche Reedereien in Not brachte.

Schon vor 2008 sei der Reder aber auf die schiefe Bahn geraten, namentlich indem er dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) simulierte Schiffbauverträge vorgelegt habe. Die darin angegebenen Preise lagen laut Anklageschrift 20 Prozent über der Summe, welche die Reederei tatsächlich den Japanischen Schiffsbauern zahlte.

Sigrist wirft dem Reeder auch vor, mit Hilfe eines Darlehensvertrags dem BWL eine inexistente Eigenkapitalbasis von Schiffsgesellschaften vorgetäuscht zu haben. Dies, um in den Genuss der Bundesbürgschaften zu kommen. Dieser sogenannte Leistungsbetrug zulasten des Bunds hält Sigrist für die schwerwiegendsten Straftat.

Den Darlehensvertag soll der Reeder zwischen zwei ihm gehörenden Firmen abgeschlossen haben. Er war alleiniger Besitzer der Reederei.

Der Berner Staatsanwalt kritisierte auch die Bundesverwaltung: Dort sei man «wenig kritisch» mit dem Reeder umgegangen. Anfänglich sei es um ein System gegangen, das vermeintlich allen zugute gekommen sei: Der Reeder verdiente gut, «die Bundesbeamten durften hin und wieder schnuppern an der aufregenden Luft der Hochseeschifffahrt», so Staatsanwalt Sigrist.

Die Basis des Handelns des Reeders sei aber Schwindeln gewesen, so Sigrist weiter. Es sei höchste Zeit, dass der Mann verurteilt werde. Nicht der Bund, nicht die Justiz und nicht die Medien seien schuld am Niedergang des Reeders, so Sigrist, sondern er allein.

Urteil am 9. Juli

Vor dem Berner Gericht ging am Donnerstagmittag der Prozess weiter mit den Plädoyers der Anwälte der Privatkläger, zu denen der Bund gehört. Auch der Verteidiger des Reeders wird am Donnerstag oder Freitag plädieren. Dieser bestreitet die Vorwürfe. Das Urteil will das Gericht am 9. Juli bekanntgeben.

Die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte hat den Schaden für den Bund, der im Zusammenhang mit den Bürgschaften für die Schiffe des fraglichen Reeders entstand, in einem Bericht von 2019 auf 204 Millionen Franken beziffert.

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