Extremwetter Australien kämpft mit Dürren, Hochwasser und einer Mäuseplage

AP/toko

28.3.2021

Menschen begutachten die Schäden, die Überschwemmungen in Richmond angerichtet haben. 
Menschen begutachten die Schäden, die Überschwemmungen in Richmond angerichtet haben. 
KEYSTONE/EPA/James Gourley AUSTRALIA AND NEW ZEALAND OUT

Hitze ist das Land gewohnt. Auch heftige Regengüsse hat es «Down Under» schon immer gegeben. Seit einigen Jahren häufen sich die Extremereignisse aber – laut Experten wegen des Klimawandels. Die Schäden in den betroffenen Regionen sind gewaltig.

AP/toko

28.3.2021

Rob Costigan hatte sich vor drei Jahren eine alte Farm gekauft. Der Australier wollte etwas aufbauen, was er eines Tages seinen Kindern würde vermachen können. Ein Jahr später begann die Dürre. Wasser musste aufwendig mit Lastwagen herbeigefahren werden. Es kam noch schlimmer: Ende 2019 näherten sich Buschbrände seinem Anwesen. Tag für Tag musste er damals Glutnester bekämpfen. Um sein Haus zu retten, besprenkelte er das Dach.

Vergangene Woche kamen dann die Fluten. Zum Glück hatte Costigan seine Familie bereits im Haus seines Bruders in Sicherheit gebracht. Die Wassermassen strömten mit solcher Kraft über das Grundstück, dass von der Farm nicht viel übrig blieb. Auch ein angrenzendes Haus, in dem der Schwiegervater von Costigan gelebt hatte, wurde zerstört.



Inzwischen ist das Wasser abgeflossen. Nun ist die Familie dabei, die Umgebung nach Überresten des eigenen Haushalts abzusuchen. Spielzeug, Kleidung – alles wurde weit und breit verstreut. Die Gasflasche vom Grill steckte in einem Baum fest. Er sei fassungslos, sagt Costigan. «Es fühlt sich an, als sei die ganze Welt gegen uns. Man arbeitet und arbeitet. Und in einem Wimpernschlag wird dann einfach alles weggespült.»

Ein Satellitenbild zeigt die Schäden im Bundesstaat New South Wales in Australien.
Ein Satellitenbild zeigt die Schäden im Bundesstaat New South Wales in Australien.
Maxar via AP/KEYSTONE

Das Grundstück des 40-Jährigen liegt in der kleinen Siedlung Hollisdale, etwa 400 Kilometer nördlich von Sydney. In der Region werden einige Bauern derzeit noch von einem weiteren Unheil heimgesucht – von einer verheerenden Mäuseplage. Immerhin sei ihm dies bisher erspart geblieben, sagt Costigan. Er hoffe, dass die Fluten wenigstens dazu beitragen würden, auch die unzähligen Nagetiere wegzuspülen.

Dürren sind Teil der nationalen Psyche

Australien ist zwar seit jeher für sein raues Klima bekannt – gerade die Dürren und Buschbrände sind gewissermassen Teil der nationalen Psyche. Experten gehen aber davon aus, dass die globale Erwärmung zu einer Häufung der Extreme führt. Bei den bis zu Beginn des vergangenen Jahres wütenden Feuern kamen mindestens 33 Menschen ums Leben. Mehr als 3000 Häuser wurden zerstört.

«Diese Ereignisse entsprechen dem, was zu erwarten ist», sagt Sarah Perkins-Kirkpatrick, eine Klimaforscherin von der University of New South Wales. Aber wegen des Klimawandels seien sie nun besonders heftig.

Die Australier leben seit jeher mit Dürren.
Die Australier leben seit jeher mit Dürren.
AP Photo/Peter Lorimer/KEYSTONE (Archivbild)

Wie die Wissenschaftlerin erläutert, kann eine wärmer werdende Atmosphäre paradoxerweise sowohl Dürren als auch Überschwemmungen schlimmer machen. Die zusätzliche Hitze entziehe dem Boden mehr Feuchtigkeit, aber wärmere Luft könne auch mehr Feuchtigkeit aufnehmen, sagt Perkins-Kirkpatrick. Wenn es dann regne, dann eben sehr stark.

Einige Orte im australischen Staat New South Wales verzeichneten in der vergangenen Woche die heftigsten Regenfälle seit 50 oder sogar 100 Jahren. Mindestens zwei Männer kamen ums Leben, weil sie – in zwei verschiedenen Fällen – inmitten der Fluten nicht aus ihren Autos herauskamen. Mehr als 20'000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.



Überschwemmungen führen zu Mäuseplage

Dale Ward hat in dem Ort Windsor, knapp 50 Kilometer nordwestlich von Sydney, mit den Aufräumarbeiten angefangen. In ihrer Eigentumswohnung, in der ihre Tochter mit Familie lebe, sei das Wasser etwa 30 Zentimeter hoch durchgerauscht, sagt sie. Dabei seien auch viele persönliche Gegenstände zerstört worden. «Es ist so, als hätte jemand drei Tonnen Dreck in deinem Haus ausgeschüttet – und dann obendrauf noch einen Kübel Wasser.» Sie gehe davon aus, dass es mindestens einen Monat dauern werde, bis die Wohnung wieder bewohnbar sei, sagt Ward. Um alles zu reparieren, müssten auch Klempner und Elektriker kommen.

Andernorts gilt die grösste Sorge der Menschen immer noch der Mäuseplage. Anhaltender Regen hatte im Osten Australiens im vergangenen Jahr die Brände gelöscht und damit eine mehr als zwei Jahre lange Dürreperiode beendet. Viele Bauern konnten sich anschliessend über eine Rekordernte freuen. Das war aber zugleich die Basis für eine rasante Vermehrung der Nagetiere.

Vor Weihnachten sei ihm aufgefallen, dass die Zahl der Mäuse zugenommen habe, sagt Pompy Singh, der in dem Ort Gulargambone einen Supermarkt leitet. Normalerweise würden sie pro Tag zwei Fallen aufstellen. Nach und nach hätten sie aber immer mehr gebraucht und schliesslich auch deutlich grössere Fallen besorgt. Am Ende seien durchgehend 20 Fallen im Einsatz gewesen und plötzlich hätten sie pro Tag 100 bis 200 Mäuse gefangen.

Die Tiere hätten alles angefressen, sagt Singh – Salat, Kartoffelchips, Hundefutter und sogar Tabak. In seinem Supermarkt seien deswegen alle Waren in Kühlschränken oder verschlossenen Behältern gelagert worden. Doch die Mäuse seien nicht weniger geworden. Im Gegenteil: An manchen Tagen hätten sie bis zu 600 gefangen. Zum Teil seien sogar die Kühlgeräte ausgefallen, weil die Tiere die Kabel angeknabbert hätten. Erst seit Beginn des Hochwassers ist die Zahl der Mäuse laut Singh zumindest etwas zurückgegangen.

Spinnen im Schuh

Doch damit nicht genug: Einige Experten raten nun, dass die Bewohner einiger australischer Regionen Schuhe und Kleidung regelmässig nach giftigen Spinnen absuchen sollten, weil diese wegen der Fluten scharenweise in Wohnhäusern Unterschlupf suchen könnten.

Costigan ist derweil entschlossen, seine Farm wieder aufzubauen. Seine kleine Viehherde habe überlebt, weil er sie rechtzeitig auf ein höher gelegenes Gelände gebracht habe, sagt er. Und sein Haus sei zum Glück versichert gewesen. Ausserdem hätten Nachbarn und Angehörige finanzielle Unterstützung zugesichert.



Solche Schwierigkeiten seien eben Teil des Lebens in Australien, sagt Costigan – und dies könne vielleicht erklären, warum die Briten den Kontinent einst vor allem als einen Ort zur Unterbringung von Sträflingen betrachtet hätten. «Sie dachten, es sei die Hölle auf Erden», sagt der 40-Jährige. «Was sie nicht erkannten, war, dass es zugleich ein wunderschöner Teil der Welt ist.»