In Obwalden sind zwei weitere Bartgeier ausgewildert worden. Die Jungvögel, die noch nicht flügge sind, waren in Zuchtstationen in Spanien geschlüpft. Sie sollen, wenn sie die Geschlechtsreife erreicht haben, neues Erbgut in die Schweizer Bartgeierpopulation bringen.
Die Stiftung Pro Bartgeier entliess die Vögel Luzerna und Fortunat am Sonntag im eidgenössischen Wildtierschutzgebiet Huetstock in der Region Melchsee-Frutt in die Freiheit. Trotz des widrigen Wetters wohnten dem Anlass nach Angaben der Stiftung rund 250 Personen bei.
Die Vögel sind etwas mehr als 90 Tage alt und werden in zwei bis drei Wochen zum ersten Mal fliegen. Welches Geschlecht sie haben, ist noch nicht bekannt. Wegen der Corona-Pandemie hätten die entsprechenden Blutproben noch nicht gemacht werden können, erklärte Daniel Hegglin, Geschäftsführer der Stiftung, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Luzerna und Fortunat waren am Montag aus Spanien in die Schweiz eingeflogen worden. Im Natur- und Tierpark Goldau, der eine Zuchtstation für Bartgeier betreibt, erholten sie sich von den Reisestrapazen. Nun wurden sie, wie schon neun Tiere vor ihnen, am Gebiet Huetstock in eine zwanzig Meter breite Nische unter einem Felsvorsprung rund 2000 Meter über Meer ausgesetzt.
Kein ungefährliches Leben
Die Vögel werden in den ersten Wochen in der Freiheit überwacht. Als Nahrung wird ihnen vom Wildhüter gesammeltes Aas hingeworfen. Sonst müssen sie sich aber allein an das Leben in der freien Wildbahn gewöhnen. Dieses ist nicht ungefährlich: 2017 starb ein junger Bartgeier im Huetstock kurz nach seinem Erstflug, als er von einer Windböe erfasst wurde und in die Tiefe stürzte.
Der Bartgeier, der sich von Kadavern ernährt, war zu Unrecht als Lämmerdieb verschrien und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Seit 1986 werden sie in Österreich wieder angesiedelt, seit 1991 in der Schweiz. Im Huetstock war 2015 zum ersten Mal ein junger Bartgeier ausgesetzt worde, die Aussetzung vom Sonntag war die fünfte.
In der Schweiz leben rund hundert Bartgeier. Bislang gebe es aber nur 21 Brutpaare in den Kantonen Graubünden und Wallis, teilte die Stiftung Pro Bartgeiger mit. Mit der Auswilderung in der Zentralschweiz wolle sie erreichen, dass der Bartgeier auch in dieser Region wieder heimisch werde.
Neues Ergbut
Ein Ziel der Auswilderung in Obwalden ist es auch, die noch kleine genetische Vielfalt der Population zu erhöhen. Mit Luzerna und Fortunat komme wertvolles Erbgut in den Wildtierbestand, schreibt die Stiftung Pro Bartgeier. Beide hätten Vorfahren in den Pyrenäen, deren genetische Linie in den Alpen noch wenig vertreten sei.
2019 hatte es keine Jungvögel gegeben, die genetisch für eine Aussetzung im Huetstock in Frage kamen. Um einer Inzucht vorzubeugen, waren deswegen keine Bartgeier ausgesetzt worden.
Bis Luzerna und Fortunat Nachkommen haben, dürfte es noch fünf bis sieben Jahre dauern. Erst in diesem Alter beginnen sich junge Bartgeier zu verpaaren, meist in der Region, in der sie flügge geworden sind. In den ersten Lebensjahren fliegen sie sehr weiträumig umher. Auch später umfasst das Streifgebiet des Vogels, der eine Flügelspannbreite von bis zu drei Metern hat, mehrere Hundert Quadratkilometer.
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