Hoffen und Bangen auf Lampedusa «Bevor ich sterbe»: Geflüchtete verewigen ihre Wünsche auf Tafel

tgab

19.9.2023

Vor Freude strahlende Migrantinnen nach ihrer Ankunft auf der Insel Lampedusa am 18. September 2023.
Vor Freude strahlende Migrantinnen nach ihrer Ankunft auf der Insel Lampedusa am 18. September 2023.
Bild: IMAGO/ZUMA Press

Lampedusa kann die vielen Bootsmigrant*innen kaum versorgen. Inmitten all des Chaos steht eine Tafel am Hafen – darauf schreiben die Geflüchteten ihre Wünsche und Hoffnungen für ein neues Leben.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das gute Wetter der vergangenen Tage hat dazu geführt, dass sich mehr Menschen als gewöhnlich von Nordafrika aus in Booten über das Mittelmeer auf den Weg nach Lampedusa machen.
  • Die Behörden können deren Versorgung kaum bewältigen. Es geht um Decken, Schlafplätze und Lebensmittel.
  • Am Hafen erinnert eine Tafel daran, dass es um Menschen geht. Geflüchtete haben darauf ihre Wünsche und Hoffnungen für ein neues Leben in Europa geschrieben.

Die 145 Kilometer nördlich von Tunesien gelegene italienische Mittelmeerinsel Lampedusa sieht sich derzeit mit der Ankunft Tausender Migranten konfrontiert, deren Versorgung sie kaum bewältigen kann. So sind vergangene Woche binnen drei Tagen rund 8500 Bootsflüchtlinge eingetroffen – mehr, als die Insel Einwohner zählt.

Das Aufnahmezentrum auf Lampedusa ist jedoch für weniger als 400 Menschen ausgelegt. Es ist völlig überlastet. Männer, Frauen und Kinder mussten rund um das Lager die Nächte unter freiem Himmel verbringen, das Rote Kreuz verteilte Lebensmittel, Restaurants spendierten Gratismahlzeiten.

Und inmitten all des Chaos und Gedränges steht am Hafen eine grosse Schiefertafel. Darauf steht «Before I die…» (auf Deutsch: Bevor ich sterbe). Laut «20Minuten»-Reporter Luca La Rocca ist die Tafel vollgekritzelt mit den Wünschen und Gedanken von Geflüchteten. So steht da zum Beispiel auf Englisch: «Ich will meine Familien in Afrika wieder sehen» oder «Ich will einen neuen Ort finden, welchen ich mein Zuhause nennen kann».

Hafen-Tafel basiert auf einem interaktiven Kunstprojekt

Was die wenigsten wissen dürften: Die Kreide-Tafeln basieren auf einem interaktiven Kunstprojekt der US-amerikanischen Künstlerin Candy Chang. Es soll die Menschen dazu anregen, sich mit ihrer eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.

Anlässlich des Todes eines ihr nahestehenden Menschen grübelte Chang eines Tages im Jahr 2011 auf dem Heimweg darüber nach, was sie vor ihrem Tod noch erleben oder verwirklichen wollte. Sie schrieb ihre Gedanken unter «Before I die, I want to…» spontan mit Kreide an die Aussenwand eines leerstehenden Industriegebäudes in ihrer Nachbarschaft.

Am nächsten Tag stellte sie fest, dass viele weitere Menschen über Nacht ihre eigenen Gedanken ergänzt hatten. Das Thema hatte einen Nerv getroffen. Daraufhin organisierte sie als interaktives Kunstprojekt die Aufstellung einer offiziellen Tafelwand für diesen Zweck.

Inzwischen wurden mehr als 5000 Wände in 78 Ländern aufgestellt und in 25 Sprachen beschriftet.

Mit Material der Nachrichtenagentur AFP