Geschlagen, gefesselt, eingesperrtBezirksgericht Zürich fällt Urteil gegen Quäl-Eltern erst später
leph, sda
1.9.2022 - 18:02
Jahrelang soll ein 42-jähriger Mann seine Tochter zusammen mit seiner Partnerin geschlagen und erniedrigt haben. Die Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafen. Die Beschuldigten haben die Vorwürfe am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Zürich teilweise zurückgewiesen.
leph, sda
01.09.2022, 18:02
01.09.2022, 18:03
SDA
Die in der Anklageschrift aufgelisteten Vorwürfe gegen den 42-jährigen Deutschen und seine Frau, eine 41-jährige Schweizerin, sind gravierend: Von 2011 bis 2018 sollen sie das Mädchen psychisch und physisch massiv misshandelt haben.
Die Misshandlungen begannen 2011, als die Mutter des Mädchens aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Der Vater übernahm das alleinige Sorgerecht für die Tochter und zog mit seiner neuen Frau und deren Tochter aus erster Ehe sowie einem gemeinsamen, dritten Kind zusammen.
Auf die ersten Ohrfeigen folgten weitere körperliche Strafen und seelische Misshandlungen. So soll das Mädchen nicht nur geschlagen, sondern teilweise auch gefesselt oder eingesperrt worden sein. Zudem habe es alleine im Zimmer essen müssen, statt zusammen mit der Familie am Tisch.
Entkalker über den Kopf gegossen
Als es langsam in die Pubertät kam, duschten Vater und Stiefmutter es fast täglich kalt und siedend heiss ab. Dabei soll es zu einem besonders schlimmen Vorfall gekommen sei: Der Vater hat dem Kind einen flüssigen Entkalker über den Kopf geleert. Dies führte zu Verätzungen der Haut.
Der Vater gab den Vorfall mit dem Entkalker zu und war auch in anderen Punkten geständig. «Ich verabscheue, was ich gemacht habe», sagte er. Einige Vorwürfe bestritt er hingegen, oder stellte sie anders dar, als sie in der Anklageschrift geschildert werden.
Vater hält Vorwürfe für «übertrieben»
Er, wie auch sein Verteidiger, hielten die Vorwürfe insgesamt für übertrieben. «Die Staatsanwaltschaft hat die Anklageschrift quasi im copy&paste-Verfahren aus den Aussagen der Privatklägerin erstellt», sagte der Anwalt.
Zu den Dusch-Vorfällen sagte der Vater, dass dies zwar einige Male vorgekommen sei, aber nicht fast täglich, wie es in der Anklageschrift heisst, und schon gar nicht habe er sie absichtlich mit zu heissem Wasser abgeduscht.
Auch hätten er und seine Frau die Tochter nicht von den gemeinsamen Essen ausgeschlossen. Dass sie meist alleine im Zimmer gegessen habe, sei ihr eigener Entscheid gewesen.
Beide waren überfordert
Auch die Stiefmutter des Mädchens räumte ein, diesem «schreckliche Dinge» angetan zu haben. Den Tränen nahe schilderte sie, wie sich die anfänglich gute Beziehung zwischen ihr und dem Mädchen stetig verschlechterte. Ihre Anwältin wies ebenfalls etliche Vorwürfe der Anklageschrift zurück.
Sowohl der Vater als auch die Stiefmutter machten geltend, mit der Erziehung des Mädchens komplett überfordert gewesen zu sein.
Die zuständige Staatsanwältin hingegen mass den Aussagen des mutmasslichen Opfers hohe Glaubwürdigkeit bei. Sie forderte eine sechsjährige Freiheitsstrafe für den Vater. Er sei der schweren Körperverletzung und der Freiheitsberaubung schuldig zu sprechen. Zudem soll der 42-jährige Deutsche für zehn Jahre des Landes verwiesen werden.
Seine Partnerin soll gemäss den Anträgen der Staatsanwältin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt werden. Auch sie soll sich der schweren Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig gemacht haben.
Anwälte fordern Bewährungsstrafen
Der Verteidiger des Vaters forderte eine Freiheitsstrafe von lediglich eineinhalb Jahre. Diese soll bedingt ausgesprochen werden. Verurteilt werden solle er nur wegen einfacher Körperverletzung und der Vernachlässigung von Aufsichts- und Erziehungspflichten.
Die Verteidigerin der Frau beantragte eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die bedingt ausgesprochen werden soll. Die Stiefmutter soll ebenfalls der einfachen Körperverletzung und der Vernachlässigung von Aufsichts- und Erziehungspflichten schuldig gesprochen werden.
Die Anwältin des Mädchens beantragte, wie die Staatsanwältin, Schuldsprüche wegen schwerer Körperverletzung und mehrfacher Freiheitsberaubung.
Auch bei der Frage der Genugtuung, die das Mädchen erhalten soll, gingen die Vorstellungen weit auseinander. Die Anwältin der Privatklägerin forderte 80'000 Franken. Der Verteidiger des Vaters hielt «höchstens 10'000 bis 20'000 Franken» für angemessen.
Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet. Der Termin steht noch nicht fest.