Der Zürcher Rapper Bligg veröffentlicht «Okey Dokey II» – und reist mit dem Album zu den Anfängen seiner Karriere.
Source:SDA
«De Chef isch wider zrugg»: Bligg kokettiert auf «Okey Dokey II» mit seinem Aufstieg vom Underground-Rapper zu einem der erfolgreichsten Künstler der Schweiz. Im Video-Interview erzählt er von dem «Mixtape-Album», auf dem er austeilt aber auch sich selbst kritisiert.
Rap sei inzwischen so gross, dass auch «Frau Müller weiss, was da läuft» – davon geht Marco Bliggensdorfer, wie Bligg eigentlich heisst, aus. Jeder müsste also begreifen können, dass die teils grossspurigen und derben Sprüche – «zweidütig wines Aubergine-Emoji» – reines Stilmittel seien. Und nicht etwa seiner wahren Persönlichkeit entsprechen.
«Okey Dokey II» (die Fortsetzung von «Okey Dokey» aus dem Jahr 2005) trifft also einerseits den aktuellen Massenmusikgeschmack, ist aber auch eine Zeitreise in die Vergangenheit. Eine Ode an die Tage, in denen «8 Mile» mit dem US-Rapper Eminem im Kino lief und Bligg als Künstler gross wurde. Wie das amerikanische Vorbild, lebte auch er damals «von der Hand in den Mund», spielte in verrauchten Clubs und nahm an Freestyle-Battles teil.
«Das waren Duelle mit Worten, ein Runtermachen auf eine sportliche, teils intellektuelle und vor allem sehr wortgewandte Art und Weise», erzählt Bligg im Quarantänen-Gespräch mit Keystone-SDA. «Natürlich wirkt das von aussen etwas selbstglorifizierend – doch davon lebt diese Musik.»
Selbstkritik
So spielt Bligg einerseits mit dieser «Ich Chef, du nix»-Attitude («B.L.I. doppel G»), mit der nicht eine grosse Geschichte, sondern mehrere, oft nur zwei Zeilen kurze Müsterchen erzählt werden. Damit wolle er nicht ausdrücken, dass er die Weltherrschaft übernommen habe, betont Bligg noch einmal. «Das ist Entertainment.»
Den Gegenpol bilden Songs wie «D'Wand». Da geht es um Storytelling, «um das Geschichtli mit Twist», wie der Rapper es nennt. In dieser Nummer übt er Kritik an Trump, dem Wirtschaftssystem und vielem mehr und drückt aus, dass es ihm vorkommt, als rede er ständig gegen eine Wand. Bis er realisiert, dass an der Wand ein Spiegel hängt – und er sich gewissermassen auch selbst anspricht.
Mixtape-Charakter
Nicht nur was die Ausdrucksweise betrifft, auch in Bezug auf die Form knüpft «Okey Dokey II» an frühere Zeiten an. Das Album sei «ein Spassprojekt, eine Herzensangelegenheit, die auf der Idee eines Mixtapes basiert», so Bligg. Einem Relikt aus der Jahrtausendwende also, auf dem Songs, manchmal auch nur Vers und Refrain, aufgenommen, von einem DJ zusammengemixt und an einem Riemen auf Kassette veröffentlicht wurden. Ohne Plan, ohne Marketingstrategie, sondern «frisch von der Leber weg».
So startet die Platte mit einer Art Hörspiel, in dem der Labelboss Bligg ins Büro zitiert und ihm empfiehlt, nach seinen erfolgreichen Ausflügen in die Popwelt zum Rap zurückzukehren. Das sei nun mal gerade angesagt, das grosse Business und er in diesem Genre schliesslich «Pionier & so».
Im Weiteren kommen Featurings mit befreundeten Musikern wie Marc Sway («Sorry Mama») oder Stress («Dschungel») vor. Oder unbekanntere Rapper (Shai in «Genau so») und sein fünfjähriger Sohn Lio tauchen auf («Was jetzt!«).
Sehnenscheidenentzündung
Obwohl alle seine Konzerte in diesem Jahr aufgrund der Coronakrise abgesagt oder verschoben worden sind, wollte Bligg sein Album zum geplanten Zeitpunkt herausbringen. Zum einen aus Loyalität seinen Fans gegenüber, denen er mit dieser Veröffentlichung eine Freude in der Krise machen will. Und auch, um die nächsten Monate für Neues nutzen zu können.
«Aber klar, der Release zu diesem Zeitpunkt wird massive finanzielle Schäden hinterlassen», so der zweifache Vater. Weil die Live-Auftritte ausfallen und die Läden geschlossen sind. Ein Grossteil seiner Anhänger kaufe die CDs noch immer im Laden anstatt zu streamen. Für sie will Bligg nach diesem Interview eine Anzahl Booklets «im höheren vierstelligen Bereich» signieren. Und damit das Risiko einer Sehnenscheidenentzündung in Kauf nehmen, wie er sagt.
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