Propaganda aus Peking K-Pop-Stars: Boygroup BTS erntet  Shitstorm aus China

AP/toko

16.10.2020

Ein Plakat der südkoreanischen Musikgruppe BTS.
Ein Plakat der südkoreanischen Musikgruppe BTS.
Keystone/AP Photo/Ahn Young-joon

Die Propaganda aus Peking macht auch vor der Popkultur nicht halt. Das mussten die Mitglieder der südkoreanischen Musikgruppe BTS gerade erfahren. Eine Würdigung von Veteranen wurde zum internationalen Streit aufgebauscht, inklusive Boykott-Aufrufen.

In einer Dankesrede ging der Sänger kurz auf die Opfer der vor 70 Jahren gefallenen Soldaten ein. Was dann folgte, zeigt, wie dünnhäutig Peking auf Äusserungen zum Koreakrieg reagiert – und mit welcher Macht China seine Weltsicht durchzusetzen versucht. Weil der unter dem Namen RM bekannte Popstar seine Bemerkung auf Südkoreaner und Amerikaner bezog, ohne explizit die Verluste der Chinesen zu erwähnen, die an der Seite Nordkoreas gekämpft haben, bekommen er und seine Mitstreiter nun Pekings Zorn zu spüren.

«Wir werden uns immer an die Geschichte des Leids erinnern, die unsere beiden Länder geteilt haben – und an die Opfer unzähliger Männer und Frauen», sagte der Frontmann der erfolgreichen Boygroup BTS in einer Rede anlässlich eines Awards der «Korea Society», die sich für die Förderung der amerikanisch-südkoreanischen Beziehungen einsetzt. Inzwischen sei die Welt enger zusammengewachsen, Grenzen würden in vielerlei Hinsicht verschwimmen, fügte RM hinzu. «Als Mitglieder der globalen Gemeinschaft sollten wir ein tieferes Verständnis und Solidarität schaffen, um gemeinsam glücklicher zu sein.»

Peking gibt USA die Schuld

Chinesische Internetnutzer und die von der Kommunistischen Partei des Landes kontrollierten Staatsmedien werteten die Äusserungen als Affront. Sie warfen RM vor, Chinas Rolle in dem Krieg vor 70 Jahren zu ignorieren. Obwohl es die von Peking unterstützten Truppen Nordkoreas waren, die den Krieg 1950 mit einer Invasion des Südens begannen, gibt Pekings Propaganda-Apparat den USA die Schuld.

Ein Nutzer des chinesischen Mikroblogging-Dienstes Sina Weibo schrieb empört: «China zu beleidigen, ist absolut nicht erlaubt.» Das Hashtag #BTSInsultsChina wurde nach Angaben des mit Twitter vergleichbaren Dienstes 4,5 Millionen Mal aufgerufen. Viele chinesische User hätten betont, dass RM mit seiner Rede Internetnutzer aus den USA umschmeichelt habe – aber im Koreakrieg habe dieses Land «die Rolle des Aggressors» gespielt, hiess es in einem Artikel der staatlichen chinesischen Zeitung «Global Times».

Auf den Streit angesprochen, sagte der chinesische Aussenamtssprecher Zhao Lijian, es solle «unser gemeinsames Ziel sein, die Geschichte als Spiegel zu nehmen, in die Zukunft zu blicken, Frieden zu schätzen und Freundschaft zu fördern». Bereits bei früheren Gelegenheiten hatte die Kommunistische Partei allerdings die von ihr kontrollierten Medien genutzt, um Stimmung gegen ausländische Unternehmen, Stars oder Regierungen zu machen, die nicht im Interesse Pekings gehandelt hatten.



2019 setzte das chinesische Staatsfernsehen die Übertragung von Spielen der US-Basketballliga NBA aus, nachdem der Manager des Teams Houston Rockets Sympathien mit den pro-demokratischen Protesten in Hongkong geäussert hatte. Erst in dieser Woche wurden die TV-Übertragungen wieder aufgenommen. 2017 ging Peking massiv gegen die chinesischen Niederlassungen des südkoreanischen Handelskonzerns Lotte vor, nachdem dieser seiner Regierung daheim Land für ein Raketenabwehrsystem verkauft hatte.

Chinesische Fangruppen fordern Entschuldigung von BTS

Nach dem Ende der Kämpfe im Koreakrieg blieb China ein wichtiger Verbündeter Pjöngjangs. Über viele Jahrzehnte versorgte Peking das ansonsten international isolierte Land mit Öl und anderen Hilfsgütern – auch, um eine Pufferzone zum mit den USA verbündeten Südkorea zu bewahren.

Im Streit nun forderten chinesische Fangruppen eine Entschuldigung von BTS und riefen zu einem Boykott des nächsten Albums auf. Produkte mit Bezug zu der südkoreanischen Band waren in China diese Woche auf vielen grossen Online-Handelsplattformen nicht zu finden.



Globale Marken waren mit Blick auf den lukrativen chinesischen Markt schon öfter bemüht, sich von politisch heiklen Themen zu distanzieren. Die Hongkonger Sängerin Denise Ho sagte 2016, die Kosmetikmarke Lancôme habe ein Konzert abgesagt, weil sie sich für die Demokratiebewegung in ihrer Heimat engagiert habe. Im gleichen Jahr entschuldigte sich die in Taiwan geborene Sängerin Chou Tzu-yu nach Kritik aus China dafür, dass sie im südkoreanischen Fernsehen eine taiwanische Fahne geschwenkt hatte.

BTS hat bislang noch nicht auf die Kritik reagiert. Während aus China ein regelrechter Shitstorm über die Gruppe hereinbrach, wurde sie in der Heimat umso mehr in Schutz genommen. «Die Fans von BTS kommen aus aller Welt. Chinas Schikane wird also in allen Ländern bekannt werden, die am Koreakrieg beteiligt waren», sagt Johnny Kim, ein Ingenieur aus Südkorea.

Auch der prominente Hongkonger Aktivist Joshua Wong meldete sich zu Wort und warf Peking vor, «unbegründet Wut und Spaltung» zu provozieren. «Es gibt in der ganzen Welt noch immer viele Veteranen des Koreakriegs, auch in den USA», sagt Min Seong Lee, ein Student aus Seoul. «Es ist von China also nicht vernünftig, hierüber einen Streit zu entfachen.»

Zurück zur Startseite