Bruggerberg-Mord Beschuldigter ist laut Gutachter voll schuldfähig

hael, sda

17.10.2022 - 18:13

Der Angeklagte hat einen Kollegen in dieser Höhle am Bruggerberg lebendig begraben. Als das Opfer in der Höhle war, rollte der heute 23-Jährige einen riesigen Stein vor den Eingang.
Der Angeklagte hat einen Kollegen in dieser Höhle am Bruggerberg lebendig begraben. Als das Opfer in der Höhle war, rollte der heute 23-Jährige einen riesigen Stein vor den Eingang.
Bild: Screenshot Tele M1

Am ersten Prozesstag um den Bruggerberg-Mord sind am Bezirksgericht Brugg AG am Montag Opferangehörige, Experten und der Beschuldigte selbst befragt worden. Laut dem psychiatrischen Gutachter war die Schuldfähigkeit des 23-Jährigen zur Tatzeit nicht vermindert.

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Der beschuldigte Schweizer hat gestanden, am 7. April 2019 bei einer Wanderung einen 24-jährigen Kollegen unter dem Vorwand einer Mutprobe dazu gebracht zu haben, in eine Höhle zu kriechen. Mit einem grossen Stein versperrte er deren Eingang und schüttete ihn mit Steinen und Erde vollends zu. Der Eingeschlossene hatte keine Überlebenschancen. Ein Jahr später wurde die Leiche entdeckt.

Laut einer Rechtsmedizinerin war das Opfer an Unterkühlung gestorben. Sie schilderte die Vorgänge, die einem solche Fall im Körper ablaufen. Es sei möglich, dass der Tod erst nach mehr als 24 Stunden eintrete.

Eine Woche vor dieser Tat soll der Beschuldigte den gleichen Kollegen bei einer Bergwanderung einen Steilhang hinunter geschubst haben. Mit viel Glück überlebte er mit leichten Verletzungen.

Weil der 24-Jährige den Beschuldigten aber als seinen besten Freund betrachtete, erachtete er es als ausgeschlossen, dass sein Kollege ihn wirklich gestossen hatte, und nahm an, er habe sich geirrt. Diese Ansicht teilte auch die Familie. Deshalb wurde weiter nichts unternommen.

Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Der Psychiater hatte beim Beschuldigten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Zudem leide der junge Mann an ADHS. Seine Intelligenz sei unterdurchschnittlich. Seine Steuerungs- und Handlungsfähigkeit seien zur Tatzeit aber nicht eingeschränkt gewesen.

Einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung hat der junge Mann, der schon früher durch gewalttätige Attacken aufgefallen war, nicht. Er lebte vor seiner Inhaftierung im März 2021 von der IV. Seit einigen Monaten befindet er sich im vorzeitigen Massnahmenvollzug. Es sei ihm klar, dass er ins Gefängnis müsse, sagte er. «Man hat ja ein Menschenleben auf dem Gewissen».

Vage Antworten

Weil sich der Beschuldigte weigerte, in den Verhandlungssaal zu kommen – er habe Angst vor den vielen Leuten – erfolgte seine Befragung in einem anderen Raum in kleinerem Rahmen und wurde in den Saal übertragen. In seltsam unbeteiligtem Ton antwortete er wortreich, aber vage und ausweichend auf die Fragen.

Meistens sagte er, er wisse etwas nicht, oder erinnere sich nicht. Von einem Schubsen am Berg wollte er nichts wissen. Angesprochen auf das Tötungsdelikt sagte er, mit dem späteren Opfer habe er es «grundsätzlich gut gehabt». Er sei aber «hässig» geworden, als der Kollege ihm erklärt habe, er wolle weniger mit ihm unternehmen.

Sie seien an jenem Aprilsonntag am Bruggerberg zu einer kleinen Höhle gewandert. Dort sei – wie bei früheren Gelegenheiten – eine «Challenge» zu erfüllen gewesen. Diesmal bestand sie darin, eine Weile in der Höhle zu sein. Das spätere Opfer musste als erster hineinkriechen. Zuvor musste er seine Uhr, die Jacke und das Handy ablegen. Weshalb, konnte der Beschuldigte nicht sagen.

Vergebliches Flehen

Als der andere in der Höhle war, rollte der heute 23-Jährige einen riesigen Stein vor den Eingang. Er wisse nicht, weshalb er auf das Flehen des Eingeschlossenen, ihn zu befreien, nicht reagiert habe. Er habe immer weiter Erde aufgeschüttet, bis er nichts mehr gehört habe.

Dann habe er ein Feuer gemacht und sich eine Cervelat gebraten. Er habe gefroren und Hunger gehabt. Das Handy warf er ins Feuer, die Jacke vergrub er im Wald, die Uhr steckte er sich als Andenken ein. Er selbst habe Platzangst, sagte er. Er ertrage enge Höhlen und dergleichen nicht.

Über 16 Jahre gefordert

Die Staatsanwältin fordert eine Verurteilung wegen Mordes, versuchten Mordes und einiger Nebendelikte. Angemessen sei eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und vier Monaten. Zudem sei eine stationäre Massnahme anzuordnen. Die Anträge der Verteidigung sind noch nicht bekannt.

Aus Platzgründen findet die Verhandlung in einem Saal der Mobilen Polizei Aargau in Schafisheim AG statt. Für Dienstag sind die Plädoyers vorgesehen. Das Urteil soll am Donnerstagnachmittag eröffnet werden.