Bub vor Zug gestossen Täter arbeitete in Zürich und war in psychiatrischer Behandlung

SDA/dpa/tjb

30.7.2019 - 20:55

Der Mann, der im Frankfurter Hauptbahnhof einen Achtjährigen vor den Zug gestossen hat, wohnt in Wädenswil und arbeitete in Zürich. Der Eritreer befand sich zuletzt in psychiatrischer Behandlung.

Am Montag hat ein Mann am Bahnhof Frankfurt am Main zwei Menschen vor einen einfahrenden Zug geschubst. Während die Frau sich rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, wurde ihr achtjähriger Sohn vom Zug erfasst und getötet. Der mutmassliche Täter wurde festgenommen; es handelt sich um einen 40-jährigen Eritreer, der im Kanton Zürich wohnhaft ist. Er wurde am Dienstagnachmittag in Untersuchungshaft genommen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt mitteilte. 

Bereits zur Fahndung ausgeschrieben

Am Nachmittag hat auch die Kantonspolizei Einzelheiten zum Fall bekannt gegeben. Demnach war bereits am Donnerstagnachmittag letzter Woche ein Notruf eingegangen. Die Frau des mutmasslichen Täters berichtete, dass sie Probleme mit ihrem Mann habe, so Werner Schmid, Chef der Regionalpolizei. Der Mann habe erst seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, sie aber nicht verletzt. Danach habe er seine Familie und die Nachbarin jeweils in ihren Wohnungen eingesperrt. Die Taten kamen für seine Ehefrau und auch die Nachbarin völlig überraschend, wie sie der Polizei sagten.

Mutmasslicher Täter war in psychiatrischer Behandlung: Bruno Keller (links), Chef der Sicherheitspolizei der Kantonspolizei Zürich, informiert über den Vorfall am Frankfurter Bahnhof.
Mutmasslicher Täter war in psychiatrischer Behandlung: Bruno Keller (links), Chef der Sicherheitspolizei der Kantonspolizei Zürich, informiert über den Vorfall am Frankfurter Bahnhof.
Bild: Keystone/Ennio Leanza

Die Polizei rückte sofort aus, doch war der Mann beim Eintreffen der Beamten schon geflüchtet. Darauf wurde umgehend eine Fahndung eingeleitet und verschiedene Bezugsorte des Mannes wurden überprüft, wie Schmid weiter sagte. Allerdings fanden die Beamten keine Spuren des mutmasslichen Täters.

Beim Tatort im Frankfurter Bahnhof legen Menschen Blumen nieder zum Gedenken an den getöteten Knaben.
Beim Tatort im Frankfurter Bahnhof legen Menschen Blumen nieder zum Gedenken an den getöteten Knaben.
Bild: EPA/Armando Bebani

Psychische Probleme

Der nächste Kontakt fand erst nach der folgenschweren Tat in Frankfurt statt, als die deutschen Ermittler die Zürcher um Hilfe baten. Die Kantonspolizei Zürich hat daraufhin die Wohnung des Mannes durchsucht. Dabei stiess sie auf Hinweise, dass der Mann psychische Probleme hatte und deswegen in psychiatrischer Behanldung war.

Bereits zuvor waren Angaben zur Identität an deutsche Medien durchgesickert: Demnach arbeitete der Mann, der seit 2007 in der Schweiz lebt, bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) und galt dort als mustergültig integriert. 

Die Zürcher Kantonspolizei bestätigte bei ihrer Medienkonferenz, dass der Mann für die VBZ tätig war. Allerdings habe er nur bis Januar 2019 gearbeitet. Was der 40-Jährige in der Zwischenzeit gemacht habe, werde derzeit abgeklärt.

Wohl keine Drogen oder Alkohol im Spiel

Der Verdächtige soll am Frankfurter Hauptbahnhof auch noch eine dritte Person attackiert hatte. Diese konnte sich in Sicherheit bringen, ohne auf die Gleise zu stürzen. Dabei handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um eine 78-jährige Frau. Sie erlitt einen Schock und eine Schulterverletzung.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen des Verdachts des Mordes und des versuchten Mordes. Erkenntnisse zum Tatmotiv gibt es bisher nicht: Der Verdächtige habe noch keine Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Auch Hinweise, dass der Mann unter Alkohol oder Drogeneinfluss gestanden habe, habe die Staatsanwaltschaft bislang nicht. Eine erste Atemkontrolle auf Alkohol nach der Tat habe 0,0 Promille ergeben, sagte die Sprecherin.

Trauer und Entsetzen am Tatort

Einen Zusammenhang zu der Tat in Wächtersbach gibt es nach jetzigem Stand nicht. In der hessischen Kleinstadt hatte ein 55 Jahre alter Deutscher vergangene Woche auf einen Eritreer geschossen und ihn schwer verletzt. «Wir ermitteln in alle Richtungen», sagte die Sprecherin. So würden noch Zeugen vernommen und Videomaterial ausgewertet.

Am Tatort in Frankfurt herrschte am Dienstag Entsetzen. Zahlreiche Menschen legten am Bahnsteig 7 des Hauptbahnhofs Blumen, Kerzen und Teddybären nieder. Am Abend soll es im Bahnhof eine öffentliche Andacht geben, an der Vertreter von katholischen und evangelischen Gemeinden teilnehmen.

Warnung vor Nachahmungstätern

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte unterdessen vor Nachahmungstätern. Aus Grossstädten wie Berlin seien Fälle sogenannter S- und U-Bahn-Schubser schon länger bekannt.

«Die Polizei versucht sich nach jedem Fall präventiv besser einzustellen. Bei Taten, die vorsätzlich geschehen, stösst sie jedoch an ihre Grenzen», sagte Radek dem RND. Angesichts von 5'600 Bahnhöfen und Haltestellen in Deutschland dürfe nicht mit schnellen Lösungen gerechnet werden. «Die sind alle so unterschiedlich strukturiert, dass es schwer sein dürfte, ein Konzept für alle zu entwickeln.» Forderungen nach mehr Personal bezeichnete der GdP-Vize als unseriös.

Der Frankfurter Fall erinnert an eine Attacke, die sich vor gut einer Woche in Voerde in Nordrhein-Westfalen ereignet hatte: Dort hatte ein Mann eine Frau an einem Bahnhof vor einen Zug gestossen und so getötet.

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