Ausstellung«Can I Trust You?»: Thomas Hirschhorns Bekenntnis zum Ungewissen
fa, sda
27.11.2021 - 17:00
Der Künstler Thomas Hirschhorn stellt mit einer Skulptur am Aargauer Kunsthaus die zentrale Vertrauensfrage. Der Angst vor dem Ungewissen begegnet er mit einem dezidierten «Ja» zum Prekären. Seine Installation «Can I Trust You?» ist am Samstag eröffnet worden.
fa, sda
27.11.2021, 17:00
SDA
Ein temporärer Unterstand an der Aussenwand des Aargauer Kunsthauses, für Möbel, Bücher, Texte, leere Regale oder Trennwände; davor ein grosses Transparent mit der Frage «Can I Trust You?». Hirschhorn selbst beschreibt seine Installation als «Schwiele» oder «selbstproduzierte, gewucherte Abhärtung» oder «Auswuchs» oder «Schutzzone», wie er gegenüber dem Aargauer Kulturmagazin aaku.ch sagte.
So manche Betrachterin, so mancher Betrachter wird damit erst einmal nicht allzu viel anfangen können. Doch die Frage, die Hirschhorn aufwirft, nach Vertrauen in die Zukunft und zum Mitmenschen, rührt an unser aller Umgang mit der Krise. Hirschhorn plädiert dafür, sich dem Ungewissen zuzuwenden und nicht in der Angst davor zu verharren.
Hoffnung ist Aktion
Der in Paris lebende gebürtige Berner setzt seine Installation inhaltlich in Bezug zu ähnlichen «prekären Installationen», die er in Paris gesehen hat nach dem ersten Corona-Lockdown, der elf Wochen gedauert hat.
«Ich denke an die improvisierten Abschrankungen, die spontan entstandenen Distanzhalter, die selbstgebastelten Wegweiser, die – in ihrer ernsthaften und sorgfältigen Fragilität – den Weg zurück ins Leben und in die Zukunft aufzeigten», sagte er gegenüber aaku.ch und verwies auf die darin enthaltene Hoffnung.
Hoffnung ist für Hirschhorn ein «Prinzip der Aktion». Etwas erhoffen sei für ihn, selbst etwas zu tun, Verantwortung zu übernehmen, etwas zu wagen, eine Behauptung aufzustellen, Form zu geben. Sein Begriff von Kunst ist die Behauptung, die «absolute Behauptung von Form».
Das sagt jener Künstler, der 2004 mit seiner Installation «Swiss-Swiss Democracy» im Schweizer Kulturzentrum Paris international bekannt wurde und in der Schweiz eine Kontroverse ausgelöst hatte. Das damalige Werk mit seinen Kollagen aus Schweizer Kantonswappen und Folterbildern aus dem Irak hatte zur Folge, dass der Kulturstiftung Pro Helvetia die Mittel gekürzt wurden.
So provokativ ist seine Installation in Aarau nicht. Aber auch mit «Can I Trust You?» stellt er eine Behauptung auf, die zu denken gibt: «Die Hoffnung und die Zukunft ersehnen und herbeiwünschen heisst also, sich zum Ungewissen, sich zum Prekären und sich zum Unbestimmten zu bekennen, es anzunehmen und es zu ertragen.»
Von innen nach aussen
Im Übrigen stellt diese Installation zudem einen Bezug her zur Ausstellung im Inneren des Kunsthauses, «Art as Connection», die noch bis 9. Januar zu sehen ist.
Das Kunsthaus will diese Ausstellung als Experiment verstanden wissen. Verschiedene Künstlerinnen und Künstler versuchen sich den Erfahrungen und Verwerfungen der Corona-Pandemie anzunähern, beispielsweise mit Möbeln, die zueinander auf Distanz gehen, oder mit lebensgrossen Tonhänden, die zu Faust geballt oder ausgestreckt von der Decke hängen.
Vor diesem Hintergrund ist Hirschhorns Installation «Can I Trust You?» ein Werk im öffentlichen Raum, «das vom Innern des Kunsthauses heraus, gegen aussen, in Richtung Stadt gewachsen ist», wie er sagte. Ein Auswuchs eben, der zeigt, dass nichts für sicher, für immer oder für garantiert gehalten werden kann. Darin will Thomas Hirschhorn «die Dynamik des Lebens und den Sinn des Überlebens» sehen.
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