Die Einwohner klagen Chinesen verändern Myanmars alte Königsstadt Mandalay

Von Denis D. Gray, AP

5.5.2018

Einwohner klagen, dass Mandalay zunehmend seinen Charakter verliere - als Folge eines massiven Zustroms chinesischer Migranten, die die Stadt immer stärker mit ihrer eigenen Lebensweise prägten.
Einwohner klagen, dass Mandalay zunehmend seinen Charakter verliere - als Folge eines massiven Zustroms chinesischer Migranten, die die Stadt immer stärker mit ihrer eigenen Lebensweise prägten.
Denis D. Gray/AP/dpa

Mandalay galt einst als kulturelles Herz von Birma, dem heutigen Myanmar. Aber heute prägen Chinesen immer stärker den Charakter der alten Königsstadt - mit Geld und ihrer Lebensweise.

Einst verkörperte die Königsstadt Mandalay die Traditionen in Birma. Wie kaum ein anderer Ort, galt die Stadt als das kulturelle Herz der Nation, die heute Myanmar heisst. Hochgebildete buddhistische Mönche lebten hier und hervorragende Künstler, die Einwohner sprachen das geschliffenste Burmanisch und Köche bereiteten die besten Currygerichte im ganzen Land zu.

Heute hört man draussen am ehemaligen Königspalast chinesische Musik, zur Begleitung von Tai-Chi-Kampfkunstübungen: eines von zahlreichen Zeichen für die Transformation, die sich in Myanmars zweitgrösster Stadt vollzieht - der letzten Hauptstadt des einstigen birmanischen Königreiches.

Einwohner klagen, dass Mandalay zunehmend seinen Charakter verliere - als Folge eines massiven Zustroms chinesischer Migranten, die die Stadt immer stärker mit ihrer eigenen Lebensweise prägten. Er habe das Gefühl, dass er nicht mehr nach Mandalay gehöre, sagt beispielsweise der 30-jährige Journalist Nyi Nyi Zaw. «Sie (die Chinesen) erscheinen jetzt als die (wahren) Einwohner. Sie haben Geld, und so haben sie die Macht.» Die Spannungen, die aus der sich ändernden Dynamik resultierten, seien häufig Stoff für seine Berichterstattung, schildert der junge Mann.

Mandalay liegt ungefähr 300 Kilometer von der chinesischen Provinz Yunnan entfernt an einem Knotenpunkt von Handels- und Schmuggelrouten. Die Entwicklung in der Stadt ist kein Einzelfall. Im Zuge seiner ökonomischen und militärischen Erstarkung hat China wachsenden Einfluss auf die Wirtschaft, Kultur und den Lebensstil in vielen Teilen Südostasiens gewonnen. Und das dürfte sich fortsetzen mit der Umsetzung des chinesischen Plans für eine moderne Seidenstrasse - neuer Handelsrouten via Land und See zur Verbindung eurasischer Nationen.

Finanzielle Kluft zwischen Einheimischen und Migranten

Dass Peking chinesische Unternehmen zur Expansion ins Ausland ermutigt und selber in die Infrastruktur von Nachbarstaaten investiert, hat zwar in manchen ärmlichen südostasiatischen Regionen zu etwas mehr Wohlstand geführt. Aber zugleich entstanden örtlich Ressentiments: Man lastet den Chinesen vielfach Aggressivität, Mangel an kultureller Sensibilität und Umweltzerstörung an.

Und es kommt noch ein Spannungsfaktor hinzu: eine finanzielle Kluft zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Südostasien hat in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder chinesische Migrantenströme erlebt, etwa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als viele Menschen vor Revolution und Armut flüchteten. Aber damals kamen die meisten mit kaum mehr als ihrer Kleidung am Körper. Viele der Migranten in der jüngsten Vergangenheit haben dagegen Geld und Geschäftstüchtigkeit mitgebracht.

«Sieben der zehn Top-Unternehmer in Mandalay sind Chinesen», sagt Win Htay, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer der Region. Chinesen besäßen vieles in der Stadt, von kleinen Nudelläden bis zu teuren Geschäftsgebäuden. Schätzungsweise etwa 60 Prozent von Mandalays Wirtschaft, darunter Spitzenindustrien, befänden sich in chinesischen Händen.

In der Stadt existiert schon seit Jahr und Tag eine chinesische Gemeinschaft. Doch wirklich einschneidende Veränderungen brachte eine neue Zuwanderungswelle in den 1980er Jahren. Da kauften Chinesen nach einer massiven Feuersbrunst in Mandalay jede Menge preisgünstiges unbewohntes Land auf. Und als sich das isolationistische Myanmar dann rund zehn Jahre später öffnete, nutzten chinesische Unternehmer die niedrigen Zinssätze daheim und die hohen in Myanmar, um in Immobilien zu investieren. Manche sind auch in dubiose Geschäft wie Jade- oder Drogenhandel involviert.

Einfluss der Chinesen wächst nicht nur in Myanmar

Ausländer dürfen zwar in Myanmar kein Land besitzen. Aber viele Chinesen haben durch Bestechung von Einwanderungsbeamten oder auch Fälschung von Papieren die Staatsbürgerschaft erworben, wie birmanische Geschäftsleute und örtliche Journalisten sagen. Das hat Immobilienpreise in die Höhe getrieben und viele Einheimische zum Umsiedeln an die Stadtränder gezwungen.

«Wenn wir unsere Gesetze nicht anwenden und wirksame Massnahmen in Sachen Immigration ergreifen können, dann wird sich der chinesische Zustrom fortsetzen, denn diese Region ist gut für sie», sagt Win Htay, der auch Chef einer grossen Zuckerfirma ist. Zuverlässige Statistiken über die aktuelle Zahl der Chinesen in Mandalay gibt es nicht, aber laut manchen Schätzungen könnten sie bis zu 50 Prozent der insgesamt 1,2 Millionen Stadtbewohner ausmachen.

Derweil zeigt ein Blick ins Ausland, wie sehr sich der chinesische Einfluss mittlerweile auch jenseits von Myanmar ausgebreitet hat. So bauen Chinesen in der Nähe von Vientiane, der Hauptstadt von Laos, praktisch eine ganz neue Stadt. Sie entsteht auf einer Fläche von mehr als 300 Hektar Land, das die Regierung zur Verfügung gestellt hat, und soll den Bedürfnissen der Migranten gerecht werden, die zur Arbeit an Infrastrukturprojekten in die Region strömen.

Kambodschas einziger Hafen in Sihanoukville wird von Einwohnern inzwischen «China Town» genannt, weil immer mehr Chinesen in das Land kommen und sich dort Immobilien zulegen. In der nordthailändischen Drehscheibe Chiang Mai blüht der Handel mit Eigentums-und Zweitwohnungen für Chinesen, begleitet von zahlreichen legalen und illegalen Firmen, die auf die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe zugeschnitten sind. In Malaysia schließlich sind chinesische Investitionen - etwa in Mega-Infrastrukturprojekte - derart angewachsen, dass der Einfluss chinesischen Geldes zu einem Wahlkampfthema geworden ist. Am 9. Mai stehen Parlamentswahlen an.

In Mandalay haben sich antichinesische Ressentiments inzwischen so manifestiert, dass Sticheleien gegen Chinesen zum Alltag gehören und fester Bestandteil von Cartoons und Satiren geworden sind. Ein populärer Song mit dem Titel «Der Tod von Mandalay» beklagt, dass «die Stadt, in der ich geboren wurde, nicht mehr da ist...Wer sind diese Leute in der Stadt?»

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