Handel mit geschützten Tieren Corona-Restriktionen befeuern Wilderei in Asien und Afrika

AP/toko

24.6.2020

Die finanzielle Not durch die Corona-Krise könnte in Afrika zu mehr Wilderei führen. Im Bwindi-Regenwald wurde gerade ein Berggorilla getötet.
Die finanzielle Not durch die Corona-Krise könnte in Afrika zu mehr Wilderei führen. Im Bwindi-Regenwald wurde gerade ein Berggorilla getötet.
picture alliance / Jürgen Bätz/dpa

In armen Regionen verspricht der Handel mit geschützten Tieren ein Auskommen in der Krise. Allerdings geraten auch die Schmuggler wegen der Grenzschliessungen in Schwierigkeiten.

Eine versteckte Kamera und eine forensische Untersuchung des Kadavers enthüllen, woran die Tigerdame starb: Eine Drahtschlinge, ausgelegt von einem Wilderer, verletzte ihre Luftröhre so schwer, dass sie über mehrere Tage immer schwächer wurde und langsam verendete.

Schlingen wie diese, die in einem Waldgebiet in Südindien entdeckt wurden, fallen Wildtierschützern in den vergangenen Monaten häufiger in die Hände. Inmitten der Corona-Pandemie jagen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, geschützte Tiere, um Geld zu verdienen und ihre Familien zu versorgen.

Die Behörden in Indien befürchten, dass die Zunahme der Wilderei nicht nur den gefährdeten Tigern und Leoparden zusetzen wird, sondern auch Tiere das Leben kosten könnte, von denen die Grosskatzen für ihr Überleben abhängig sind. «Die Wilderei ist riskant, aber wenn sie an den Rand des Zusammenbruchs geraten, könnten manche Menschen denken, dass es das Risiko wert ist», erklärt Mayukh Chatterjee, Wildtierexperte bei der Tierschutzorganisation Wildlife Trust of India.

Das ist offenbar bereits der Fall. Seit die indische Regierung strenge Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängte, wurden mindestens vier Tiger und sechs Leoparden von Wilderern getötet, wie die Tierschutzgesellschaft WPSI erklärt. Ausserdem seien der Wilderei zahlreiche weitere Tiere zum Opfer gefallen, zum Beispiel Gazellen, Königsriesenhörnchen, Wildschweine, Pfauen und Purpurhühner.



In vielen Entwicklungsländern geht die Sorge um, dass die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Coronakrise der Wilderei Vorschub leisten könnten. Schliesslich haben die Menschen in manchen Schutzgebieten Schwierigkeiten, genügend Lebensmittel für sich und ihre Familien zu organisieren, während gleichzeitig weniger Ranger in den Nationalparks unterwegs sind. Allerdings bereitet der Virus den Wilderern auch Probleme: Geschlossene Grenzen und Einreisebeschränkungen machen es ihnen schwerer, die illegale Ware zum Kunden zu schaffen.

Solche Verwerfungen treffen unter anderem das vom Aussterben bedrohte Schuppentier. Solche Tiere, die dem Nasenbär ähnlich sind, werden in Afrika und Asien gefangen und von dort zumeist nach China und Südostasien geschmuggelt, wo ihr Fleisch als Delikatesse gilt und ihre Schuppen in der traditionellen Medizin verabreicht werden. Die Organisation Wildlife Justice Commission (WJC) berichtet, Schmuggler in mehreren südostasiatischen Ländern würden die Schuppen inzwischen einlagern, während sie auf ein Ende der Pandemie warteten.

Dieser Leopard ist in eine Falle in einem indischen Wald getappt.
Dieser Leopard ist in eine Falle in einem indischen Wald getappt.
Uncredited/WTI/dpa

Gleiches geschehe mit Hörnern von Nashörnern in Mosambik, heisst es in einem Bericht der WJC. Und Händler in Südostasien hätten Schwierigkeiten, das Elfenbein zu verkaufen, das sich seit dem chinesischen Handelsverbot von 2017 angesammelt habe. Die Pandemie habe die Lage der Händler noch weiter erschwert, weil chinesische Kunden derzeit nicht zu den Elfenbeinmärkten in Kambodscha, Laos und anderen Ländern reisen könnten.

«Sie sind verzweifelt und wollen es loswerden», sagt Sarah Stoner, Direktorin für Informationsbeschaffung bei der WJC. «Niemand will auf dieser Ware sitzenbleiben.»

Zum Schicksal der Schuppentiere erklärt Ray Jansen, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Afrikanisches Schuppentier, der illegale Handel innerhalb Afrikas laufe ungehindert weiter, aber der internationale Handel sei wegen der Schliessungen von Häfen unterbrochen. «Wir haben einige Handelsrouten per Luftfracht ermittelt, während die Schiffsverbindungen noch geschlossen sind, aber wir erwarten eine wahre Handelsflut, sobald die Schiffsrouten wieder öffnen», sagt er.

Befürchtungen, die Wilderei könnte auch in Afrika stark zunehmen, haben sich nicht erfüllt. Das liegt teilweise daran, dass die Patrouillen der Ranger in vielen Nationalparks und Reservaten unverändert fortgeführt werden. Zahlreiche Länder hätten die Patrouillen für unverzichtbar erklärt, sagt Emma Stokes vom Zentralafrikaprogramm der Wildlife Conservation Society. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Tiere sicher sind. Man rechne damit, dass die Jagd für die Selbstversorgung anwachse, also auf Antilopen und Affen, sagt Stokes. Das bestätigt Jansen von der Arbeitsgruppe Schuppentier. Die Jagd nach Buschfleisch sei enorm angestiegen, besondern in Teilen von Afrika südlich der Sahara. «Die Menschen auf dem Land haben Schwierigkeiten, sich und ihre Familien zu versorgen», erklärt er.

In Asien wächst die Wilderei ebenfalls. So wurde am 9. Mai im Kaziranga-Nationalpark im Nordosten Indiens ein Panzernashorn erschossen. Es war der erste Fall dieser Art seit mehr als einem Jahr. Drei Verdächtige wurden festgenommen. Der Wildhüter Uttam Saikia erklärt, die Wilderer zahlten armen Familien hohe Summen, wenn sie bei der Jagd hülfen. Viele Familien hätten in der Krise ihre Arbeit verloren, «sie werden das also auf jeden Fall ausnutzen».

Naturschutzorganisationen verlangen von den Regierungen weltweit, rasch Massnahmen zu ergreifen, um weitere Pandemien zu verhindern. Dazu gehört ihrer Ansicht nach ein Verbot des Handels mit Wildtierfleisch. Ausserdem verweisen sie auf Lücken im Washingtoner Artenschutzübereinkommen Cites, das den Handel mit gefährdeten Tieren und Pflanzen regelt. Aktivisten fordern, dass Vorgaben zur öffentlichen Gesundheit in das Papier aufgenommen werden. Als Beispiel nennen sie den Handel mit Fledermäusen, die zahlreiche Viren in sich tragen, derzeit aber laut Cites nicht unter Handelsbeschränkungen fallen.

«Das ist eine grosse Lücke im Vertrag», sagt John Scanlon, der frühere Generalsekretär von Cites. «Gewisse Tiere sollten aufgelistet werden und nicht oder nur unter strengen Bedingungen gehandelt werden und Märkte müssen geschlossen werden.»

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