Umstrittener Kult Der unheimliche Guru und die Vermissten von Nepal

Philipp Dahm

21.1.2019

Als Kind war er anders, als Jugendlicher suchte er Erleuchtung und wurde zum Guru. Doch das Bild des friedlichen Buddhisten bekommt Risse: Erst wird ihm Gewalt, dann Vergewaltigung – und nun sogar Mord vorgeworfen.

Nepal ist arm: Das Land bietet seinen Bewohnern wenig zum Auskommen. Umso mehr ist das Volk auf kleine Wunder angewiesen – oder auf Menschen, die in der Lage scheinen, solche bewirken zu können. Ram Bahadur Bomjon ist so jemand: Der heute 28-Jährige hat angeblich Dinge vollbracht, die unglaublich klingen.

Ram Bahadur Bomjon will von 2005 bis 2011 meditiert und Erleuchtung gefunden haben. Das Foto entsteht 2006, als er 16 Jahre alt ist.
Ram Bahadur Bomjon will von 2005 bis 2011 meditiert und Erleuchtung gefunden haben. Das Foto entsteht 2006, als er 16 Jahre alt ist.
Bild: afp

Schon als Kind soll der Palden Dorje, so sein buddhistischer Name, anders als die anderen gewesen sein. Er sei friedvoll gewesen, habe die Leute beim Beten beobachtet und das Töten von Tieren angeprangert. Seit er fünf ist, soll er sich nur von den Resten anderer ernährt haben. Gab es keine Reste, hungerte der Junge lieber statt etwas anderes zu essen.

«Er will, dass Gott selbst sein Guru ist»

2002 oder 2003 besucht er den Geburtsort Buddhas, lernt zu meditieren und seinen Körper zu beherrschen. Da ist der 1990 geborene Knabe erst zwölf oder 13 Jahre alt. Fünf Monate nach seiner Rückkehr beschliesst der «Buddha Boy» im Mai 2005, dass er sich in den Dschungel zurückziehen und meditieren will. Weil er dabei oft gestört wird, bauen sein Bruder und Helfer einen Zaun um ihn herum. «Er will, dass Gott selbst sein Guru ist», sagt sein Bruder in der Dokumentation «Divine Powers».

Die Dukumentation «Divine Powers» von 2006.

Das Team des «Discovery Channel» filmt den Jugendlichen 2006, als er in einem Baum sitzend meditiert. In dieser Zeit kann das Team nicht feststellen, ob sich Ram Bahadur Bomjon überhaupt bewegt oder gar heimlich etwas zu sich nimmt. Eigentlich kann der Mensch nur vier Tage ohne Wasser überleben und höchstens zweieinhalb Monate auf Nahrung verzichten: Der «Buddha Boy» soll damals schon seit zehn Monaten meditieren, ohne einen Schluck zu trinken oder etwas zu essen. Die Reporter filmen über Stunden, können bei dem Jungen keine Regung feststellen.

Der wiedergeborene Buddhismus-Begründer

Einige Menschen glauben, er sei der wiedergeborene Siddhartha Gautama, der den Buddhismus begründet hat. Das ändert sich auch nicht, als Ram im März 2006 verschwindet und ein Jahr später wieder im Dschungel auftaucht. Sein Image bekommt jedoch Risse: 2008 werden laut der britischen Zeitung «The Independent» Stimmen laut, die dem «Buddha Boy» unterstellen, während seines Meditationsmarathons sehr wohl geschlafen und gegessen zu haben. 2010 macht er dann zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Polizei.

Das Geschäft mit dem Glauben: Nepalesen handeln mit Bildern des Gurus.
Das Geschäft mit dem Glauben: Nepalesen handeln mit Bildern des Gurus.
Bild: afp

Ihm wird vorgeworfen, im Bara Distrikt Dorfbewohner misshandelt zu haben, berichtet «BBC». Ram selbst sagt, die 17 Kläger hätten seine Meditation gestört, weshalb er sie geohrfeigt habe. Die Dorfbewohner wollen dagegen bloss Früchte gesucht haben und behaupten, sie seien stundenlang misshandelt worden. Der Guru lehnt es ab, bei der folgenden Verhandlung zu erscheinen. «Geht ein Tapaswee [ein durchs Meditieren weise gewordener] ins Gericht? Ich befolge das Gesetz, aber nur das richtige. Es gibt auch falsche Gesetze. Ich habe nichts Falsches getan», zitiert ihn eine lokale Zeitung.

Slowakin entführt und malträtiert

2011 ist Ram am Ziel: 2005 hatte er angekündigt, sechs Jahre meditieren zu wollen. Ist er seither erleuchtet? Wohl eher nicht, denn 2012 kommt es zu ernsteren Zwischenfällen. Der «Buddha Boy» soll fünf Journalisten geschlagen und ihre Kameras zerstört haben, als sie seine Anhänger filmen. Schwerwiegender ist jedoch der Fall von Zsuzsanna Takacs: Die Slowakin wird von zwei Anhängern Rams entführt und wochenlang an einen Baum gefesselt, berichten «Newsweek» und «Hindustan Times». Die Jünger werfen der Frau vor, sie habe die Meditation ihres Gurus mit Hexenkraft stören wollen. Sie wird schliesslich mit gebrochenem Arm freigelassen.

Im September 2018 gerät der Guru erneut in die Schlagzeilen: Frauenrechtlerinnen unterstützen eine 18 Jahre alte Nonne, die Ram beschuldigt, sie in einem Kloster seiner Anhänger vergewaltigt zu haben – über einen Zeitraum von zwei Jahren. Sie habe ihn schon eher anzeigen wollen, zitiert «Khabar» das mutmassliche Opfer. «Die Frau des Gurus sagte mir, dass solche Sachen nicht rauskommen sollten. Sie erzählte mir, so eine Enthüllung könnte Angriffe auf unsere Religion nach sich ziehen – und dass es ein Blutbad geben könnte.» Die Anhänger des Gurus erzählen hingegen, die junge Nonne sei wegen Diebstahls verstossen worden.

Im Dschungel nach Leichen gegraben

Und nun ermittelt Nepals Polizei erneut gegen Ram, nachdem mehrere Familien Vermisstenanzeigen aufgegeben haben. Die Behörden haben Rams Klöster in Sindhupalchowk, Nawalparasi und Bara durchsucht, die seither observiert werden, und im Dschungel nach Leichen gegraben. Mindestens vier Mönche und Nonnen sind von ihren Familien zum Teil seit Jahren nicht mehr gesehen worden: Nun wird gegen den Kult ermittelt.

Dieses Video von 2017 zeigt, in welchem Ausmass der Guru verehrt wird.

Rams Lager wäscht die Hände in Unschuld: Die Vermissten seien seit dem schweren Erdbeben im Jahr 2015 verschwunden. Der Grund der Ermittlungen sei ein ganz anderer, wird kolportiert: Der Guru sei in Nepal zu populär geworden, was gewissen Leuten ein Dorn im Auge sei. Angesichts der vorherigen Übergriffe wäre es aber auch nicht überraschend, wenn dem Kult gröbere Straftaten nachgewiesen werden könnten. Die Zeit muss zeigen, wie wahrhaftig der Guru wirklich ist.

Prominente mit Sekten-Vergangenheit:

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