Im Dossier des kleinen Luca, der im Februar 2002 in Veysonnaz VS angegriffen und so schwer verletzt wurde, dass er seither mit Behinderungen leben muss, bleiben viele Fragen offen. Denn am 22. November wird der Fall verjähren.
Nach der definitiven Verjährung wird es nicht mehr möglich sein, auf Grund neu aufgetauchter Indizien die Untersuchungen wieder aufzunehmen.
Hund als Hauptschuldiger
Am 22. November wird Luca 25 Jahre alt. Das Schweizerische Recht sieht vor, dass gewisse Straftaten gegenüber Kindern mit deren 25. Geburtstag verjähren. Luca lebt heute mit seiner Mutter in Italien und absolviert eine Ausbildung. Er ist blind und Tetraplegiker.
Am 7. Februar 2002 war Luca – damals sieben Jahre alt – halb entkleidet und bewusstlos im Schnee gefunden worden. Von Anfang an gingen die Ermittler davon aus, dass der junge Schäferhund Rocky, mit dem Luca und sein jüngerer Bruder Marco spazieren gegangen waren, der Hauptschuldige im Drama war.
Die These mit dem Hund überzeugte indes die Familie von Luca und auch gewisse Hunde-Experten nicht. Auch die Justiz hatte eine Beteiligung von Dritten an dem Angriff auf den Knaben nie ausgeschlossen. Die Rede war von jugendlichen Angreifern.
Luca als Zeuge
Im Januar 2012 gaben die Ermittler vor den Medien bekannt, dass die als Tatverdächtige in Frage kommenden Jugendlichen kontrolliert worden seien und Alibis hätten. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass sie am Tatort gewesen seien.
Fred Reichenbach allerdings, Privatdetektiv und einstiger Polizeiinspektor in Genf, ist der Ansicht, dass die Überprüfungen nicht ernsthaft vorgenommen wurden. 17 Jahre nach der Tat ist er noch immer überzeugt, dass Luca von Jugendlichen angegriffen wurde.
Luca machte am Rand der Medienkonferenz der Staatsanwaltschaft in einem Café Aussagen vor Medienleuten: Während er mit dem jüngeren Bruder und Hund Rocky gespielt habe, seien «Leute gekommen». Sie hätten begonnen, ihn zu entkleiden und zu schlagen. Seit zehn Jahren sage er das, und niemand habe es bisher geglaubt.
Zeichnung des kleinen Bruders
Die Untersuchungen zum Fall Luca waren 2004 vorläufig eingestellt worden, weil keine Schuldigen ausfindig gemacht werden konnten. 2010 waren sie aber wieder aufgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft liess eine Zeichnung begutachten, die im Jahr 2005 Lucas Bruder Marco angefertigt hatte.
Zu sehen sind darauf drei Personen, die Luca angreifen. Sich selbst zeichnete Marco hinter einem Baum versteckt, den Hund beim Angriff auf einen der Aggressoren.
Vier Experten kamen zum Schluss, dass die Zeichnung nicht verwendet werden konnte. Der Bruder habe mehrere Versionen des Tatablaufes geschildert, war die Begründung. Die Erinnerung des jüngeren Bruders könne beeinflusst worden sein, als er zeichnete.
2011 kam indessen die Justizkommission des Grossen Rates zum Schluss, dass die Ermittlungen im Fall Luca in der ersten Phase «überstürzt» geführt und lückenhaft seien.
Neue Analysen
Von Lucas Familie mandatierte italienische Experten kamen im Januar 2013 zum Schluss, dass ein Angriff des Hundes ausgeschlossen werden könne. Abschliessende Ausführungen zu den Geschehnissen gaben sie nicht ab, aber sie schätzten, dass wissenschaftliche Fortschritte dereinst neue Spuren erschliessen könnten.
Im April 2013 kündigte die Walliser Staatsanwaltschaft neue Anhörungen an, bei den Sanitätern, die sich um Luca gekümmert hatten, sowie bei einem Arzt. Ebenso sollten neue DNA-Analysen gemacht und das medizinische Dossier von Luca erneut geprüft werden.
Doch auch diese neuen Ermittlungen brachten die Untersuchungen gemäss autorisierten Quellen nicht weiter voran. Der Walliser Generalstaatsanwalt Nicolas Dubuis war für die Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht erreichbar, trotz zahlreicher Anfragen.
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