Zwischennutzungen städtischer Areale und Gebäude können das kulturelle und soziale Leben mitprägen. Wie sich das von den 1960er-Jahren bis heute in Basel entwickelte, zeigt eine ungewöhnliche facettenreiche Video-Ausstellung.
Die Schau "68-88-18" an der Webergasse unweit der Kaserne ist selber eine Zwischennutzung: als temporäre Untermieterin einer Kunstmesse, die nur während der Art als solche genutzt wird. Gut 70 Videos in 50 Räumen und Nischen auf 850 Quadratmetern lassen einen noch wenig erforschten Aspekt der jüngeren Stadtgeschichte Revue passieren.
Die Videoausstellung beginnt in der Zeit vor den 68er-Unruhen, weil damals erste bezahlbare Kameras erhältlich wurden, wie Co-Kurator und Historiker Benedikt Wyss am Freitag beim Medienrundgang sagte. Videofilmen wurde immer billiger und populärer, und heute filmt man per Smartphone ständig und verbreitet vieles sofort im Netz.
Bewegte Augenzeugen
Das gezeigte Filmmaterial aus diversen Archiven ist raumweise in Sequenzen von zumeist zehn Minuten gegliedert, die Schauplätzen, Personen und Aspekten gewidmet sind. Vor Ort strukturieren knappe Wandtexte die flimmernde Fülle; eine eigene Smartphone-App mit Videolinks ergänzt den Ausstellungskatalog.
Im Fokus stehen grosse Freiraumprojekte, darunter zwei Autonome Jugendzentren ("AJZ", 1973 und 1981 geschlossen), die Alte Stadtgärtnerei (1988 geräumt), das NT-Areal (2012 beendet) oder das Rheinhafen-Ufer im Klybeck (seit 2011). Weniges fehlt mangels Filmmaterial, so die Villa Rosenau (2013 abgebrannt).
Jeder dieser Freiräume hat eigene Geschichten, abhängig von den Protagonistinnen und Protagonisten und deren Netzwerken. Oft waren Kunstschaffende dabei - wie schon vor den 60ern, als solche leer stehende Villen für kooperative Projekte mieteten. Das Gelingen hing neben den Engagierten stark vom Vertrauen der Eigentümer ab, beispielhaft bei der grossen Ex-Garage Schlotterbeck (1990-93).
Schlotterbeck-Wende
Co-Kurator Dominique Rudin verweist auf ähnliche Freiraum-Bewegungen und -Entwicklungen in Europa, etwa in Deutschland und Italien. In Zürich gab es "d'Bewegig", in Lausanne "Lôzane bouge". Bei aller Vergleichbarkeit sei Basel eine gewisse Zeit Vorreiterin gewesen: Die Schlotterbeck-Zwischennutzung unweit des Bahnhofs SBB sei auch auswärts als modellhaft betrachtet worden.
Dort entfaltete sich eine Kulturoase, während etwa in Zürich um das Wohlgroth-Areal heftigste Konflikte ausgetragen wurden. Wyss sieht den Schlüssel für das Gedeihen der Freiräume paradoxerweise in Verträgen, klaren Regeln. So durfte man im Schlotterbeck strikt nicht übernachten, weil das Besetzer hätte anlocken können.
Der Dialog-Ansatz sei eigentlich aus Bern nach Basel importiert worden, sagt Wyss mit Verweis auf die dortige Reitschule. Diese würde zum Beispiel den Bierlieferanten korrekt bezahlen, ziehe aber auch Krawallbrüder an - "jede Szene hat halt Ränder". Auch so sind Zwischennutzungen für Rudin heute quasi globalisierte Modelle.
Expat-kompatibel
Die Schau macht indes den Trend erkennbar, dass Freiräume zwar Normalo-tauglich geworden sind, erkennbar etwa an bemerkenswerten Gastronomieangeboten, aber zunehmend top-down organisiert werden. In Basel trafen so seit 2011 am Klybeckufer eine Kunstmesse, eine Besetzergruppe, Nachbarn und Kulturleute mit Getöse aufeinander.
Letztere hat der Kanton per Vertrag quasi als Abwarte eingesetzt und delegiert so Konflikte. Im benachbarten grossen Industrieareal Klybeck, das in den kommenden Jahren mit Zwischennutzungen entwickelt wird, organisieren sich nun Anwohner frühzeitig und aktiv zur Mitbestimmung.
Charakteristisch an Zwischennutzungen ist ihre Endlichkeit: Wer im Freiraum etwas aufbaut, weiss von Anfang an, dass er wieder weg muss. Nicht etabliert sein zu wollen, sei für manche eine Haltung, sagt Wyss. Rudin hingegen geht eher davon aus, dass wohl viele Zwischennutzende nachhaltigere Idealvorstellungen hätten.
Wie jede Zwischennutzung ist auch diese Ausstellung, die am Samstag öffnet, experimentell. Wohl auch für Geldgeber: Vom Planbudget von einer halben Million Franken kamen bisher zwei Drittel zusammen, wie Co-Kurator Claudio Miozzari sagte. So dauert die Schau knapp zwei statt drei Monate, bis 27. Mai. Dann braucht die Kunstmesse den Platz.
Was das Publikum von der Videoausstellung hält, soll es übrigens nicht nur analog per Klebezettel an die Wand posten: Video-Selfies sind ausdrücklich erwünscht; sie sollen auf einem eigenen Bildschirm vor Ort gezeigt werden.
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