Nach Explosion in Ratingen: Viele offene Fragen – Bangen um Opfer
Die verheerende Explosion in einem Ratinger Hochhaus lässt mehrere schwerst verletzte Einsatzkräfte zurück – und viele offene Fragen.
12.05.2023
Bei der schweren Explosion mit fünf lebensgefährlich verletzten Einsatzkräften im deutschen Ratingen hat es sich vermutlich um einen gezielten Angriff gehandelt. Der Verdächtige kam in Untersuchungshaft.
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- Bei einer Explosion in einer Wohnung im deutschen Ratingen wurden rund 30 Menschen verletzt, davon mehrere lebensgefährlich.
- Zwei Polizisten sowie sieben Feuerwehrleute und Rettungsdienst-Mitarbeiter waren von einem Feuerball getroffen worden und hatten zum Teil schwerste Verbrennungen erlitten.
- Der Verdächtige gehört laut einer leitenden Ermittlerin der Prepper-Szene an und befindet sich nun in Untersuchungshaft.
Dieser Artikel wurde um 18.41 Uhr umfassend aktualisiert.
Nach der schweren Explosion in Ratingen bei Düsseldorf in Deutschland hat ein Richter den Verdächtigen wegen versuchten Mordes in neun Fällen in Untersuchungshaft geschickt. Das gaben Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag in Düsseldorf bekannt. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden. Beides seien Mordmerkmale, sagte Staatsanwältin Laura Neumann.
Der 57-jährige Verdächtige gehöre der Prepper-Szene an, sagte eine leitende Ermittlerin der Polizei. Er habe Vorräte etwa von Toilettenpapier angelegt. Als Prepper, abgeleitet vom englischen «prepare» (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten.
Zudem habe er sich in der Wohnung verschanzt und die Tür verbarrikadiert. Sie gehe nicht von einer spontanen Tat aus, eher von mehreren Tagen Vorbereitung, so die Ermittlerin.
Der Mann habe den Einsatzkräften mit einem Gefäss Benzin entgegengeschleudert, als diese die Wohnung betreten wollten. Es werde noch untersucht, ob es sich um ein Gemisch mit weiteren Brandbeschleunigern gehandelt hat.
Einsazkräfte von Feuerball getroffen
Zwei Polizisten sowie sieben Feuerwehrleute und Rettungsdienst-Mitarbeiter waren von einem Feuerball getroffen worden und hatten zum Teil schwerste Verbrennungen erlitten.
Der Verdächtige selbst sei dabei entgegen früherer Angaben nicht schwer, sondern nur leicht verletzt worden. Ein Psychiater sei eingeschaltet, bislang stufe man den 57-Jährigen aber als schuldfähig ein.
Er sei keiner Arbeit nachgegangen und habe in der Wohnung mit seiner rund 90 Jahre alten Mutter gelebt. Weil der Briefkasten nicht mehr geleert wurde und überquoll, hatte die Vermieterin die Polizei gebeten, nach dem Rechten zu sehen.
Wenige Tage zuvor habe ein Polizist mit einem Haftbefehl an der selben Wohnung geklingelt, berichteten die Ermittler: Bei dem 57-Jährigen handele es sich um einen Gewalttäter, der bereits wegen drei Körperverletzungen aufgefallen sei und gegen den deswegen zwei Strafbefehle verhängt worden waren. Weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte, sollte er eine Ersatz-Freiheitsstrafe antreten.
Die Behörden räumten ein, dass die Einsatzkräfte, die wegen einer «hilflosen Person» zu der Wohnung gerufen worden waren, möglicherweise nicht von der Gewalttätigkeit des Bewohners wussten.
Fünf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst befanden sich am Freitag nach Angaben der Feuerwehr Ratingen im künstlichen Koma. Sie waren in Spezialkliniken für Brandverletzte nach Köln, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Bochum gebracht worden. «Die Kollegen erlitten Verbrennungen von bis zu 40 Prozent der Körperoberfläche», teilte die Feuerwehr mit.
Nach Angaben der Polizei von Donnerstagabend waren zudem eine 25-jährige Polizistin und ein 29-jähriger Polizist lebensgefährlich verletzt worden. 21 Spezialkräfte der Polizei waren vorsorglich wegen Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt worden, entpuppten sich aber letztlich als nicht verletzt.
PTB-Waffen, Messer und Dolche
Der Beschuldigte habe zu den Vorwürfen geschwiegen und auf einen Anwalt verzichtet. Ihm sei dennoch ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt worden. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei im Keller PTB-Waffen, Messer und Dolche.
Nach der Explosion soll der Verdächtige die komplette Wohnung in Brand gesetzt haben. Er war schliesslich von Spezialkräften überwältigt und festgenommen worden, als diese die Wohnung stürmten.
In der Wohnung waren die Einsatzkräfte auf die Leiche einer Frau gestossen. Dabei soll es sich um die etwa 90-jährige Mutter des Verdächtigen handeln. Zweifelsfrei identifiziert war sie am Freitag aber noch nicht. Die Frau sei schon länger tot gewesen. Die Einsatzkräfte hätten einen deutlichen Verwesungsgeruch wahrgenommen.
Weil während der Explosion eine Dienstwaffe der Polizei verloren gegangen war, hatten die Einsatzkräfte nicht ausschliessen können, dass der Gewalttäter in den Besitz dieser Waffe gekommen war. Auch deswegen seien während des Grosseinsatzes Scharfschützen in Stellung gegangen. Die Waffe sei tatsächlich später in der Wohnung entdeckt worden. Hinweise, dass der Beschuldigte sie benutzt habe, gebe es aber nicht.
«Die furchtbare Tat gegen die Einsatzkräfte in Ratingen macht mich fassungslos und wütend», erklärte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser am Freitag. Es handele sich um eine kaum vorstellbare Tat mit unfassbarer Brutalität und einen hinterhältigen Angriff. Der Anstieg der Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte mache ihr grossse Sorgen.