Tanz Gesamtkunstwerk am Theater St. Gallen

SDA

26.1.2020 - 14:11

Mit der Uraufführung seines Stücks «Coal, Ashes and Light» hat Kinsun Chan am Samstag erstmals ein Gesamtwerk auf der grossen Bühne des Theaters St. Gallen präsentiert. Der neue Leiter der Tanzkompanie spielte gekonnt mit Farben, Formen, Licht und Musik.

Die Farben Schwarz, Grau und Weiss stehen im Zentrum des dreiteiligen Tanzstücks. Schwarz schluckt alles Licht, weiss wirft alles Licht zurück. Licht und Schatten spielen eine grosse Rolle, genauso wie die Bühne, die Kostüme und die Musik.

Kinsun Chan, der Kunst, Grafikdesign und Tanz studierte, trug die Idee für ein Stück mit den drei Farben schwarz, grau und weiss schon längere Zeit mit sich herum. Im Grossen Haus des Theaters St. Gallen fand er die ideale Spielstätte, um seine Inspirationen umzusetzen. Neben der Choreografie hat er auch die Kostüme und die Bühne entworfen.

Der Beginn ist kraftvoll und machtvoll: Die Tänzerinnen und Tänzer schlüpfen in die Rolle von Protestierenden, die Szenerie ist dunkel, die Live-Musik des Galatea Quartett aus dem Orchestergraben geheimnisvoll. Nackte Beine baumeln hinter Stoffbahnen von der Decke und finden keinen Halt. Die 15 Frauen und Männer sind in übergrosse Röcke und schmale Hosen gehüllt. Keuchend windet sich das starke Ensemble über den Tanzboden. Lichtdesigner Christian Kass erschafft einen Raum wie in einer Kirche. Das mystische Licht im Pantheon von Rom diente als Vorbild.

Skulptur zum Leben erweckt

Im Verlaufe des Stücke ändert Chan jedes Mal die Ebene: Wie Kohle (Coal) tief aus der Erde steigen die Tänzerinnen und Tänzer im ersten Teil empor. Stark wie Stahl geht es bei Asche (Ashes), dem Highlight des Abends, weiter. Die Compagnie formt mit Eisenstangen ein Gerippe, das an die Architektur von Santiago Calatrava erinnert. Eine Tänzerin mit nackten Oberkörper schwebt in anmutiger Leichtigkeit auf dem Stangenwald.

Kinsun Chan liebt das Spiel mit Kontrasten: Die Kostüme hat der Tanzchef mit Bildern von Beton bedruckt. Stabil und doch wandelbar. Eine Skulptur erwacht zum Leben; die Betonblöcke entpuppen sich als Körper, die sich gleichförmig bewegen.

Ungewohnte Klangspektren eröffnet Fritz Hauser. Der Schweizer Musiker und Komponist spielt im Hintergrund der Bühne eine Nicophone. Das Metallinstrument besteht aus diversen Lamellen, die ein harmonisches Spektrum an Obertönen und Interferenzen erzeugen. Hauser bearbeitet es mit Stricknadeln.

Streben nach Perfektion

In «Light» dominiert Ästhetik und Eleganz. Der Choreograf leitet im dritten Teil des Stücks den Blick hoch ans Licht und an eine weisse Wand. Dahinter verbirgt sich die kanadische Pianistin Tiffany Butt. Sie bespielt von einem erhöhten Podest aus den Raum mit Werken von Johann Sebastian Bach und Improvisationen von Keith Jarrett. Die Bühne und mit ihr die Pianistin dreht sich im Kreis. Das Streben nach absoluter Perfektion und Vollkommenheit zeigt sich auch im klassischen Tanz – streng und diszipliniert.

Bereits zum zweiten Mal musste die Kompanie einen verletzungsbedingten Ausfall wettmachen: Lena Obluska musste eine Woche vor der Premiere den Part von Mei-Yun Lu übernehmen. Die Polin meistert den Spitzentanz mit ihren beiden Tanzpartnern mit einer anmutigen Leichtigkeit. Das begeisterte Publikum bedankt sich stehendem Applaus.

www.theatersg.ch

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