Tod im Atlasgebirge Geständnis im Terror-Prozess – auch Schweizer droht Verurteilung

phi/DPA

31.5.2019

Die Mutter (Mitte) und Frau des Schweizers Konrad (Name geändert) mussten am 2. Mai in Marokko aussagen.
Die Mutter (Mitte) und Frau des Schweizers Konrad (Name geändert) mussten am 2. Mai in Marokko aussagen.
Bild:  Keystone

Im Prozess um den Mord an zwei Skandinavierinnen in Marokko hat einer der vier Hauptangeklagten gestanden – das könnte ein böses Omen für den mitangeklagten Schweizer sein.

Jetzt wird es eng für Konrad (Name geändert). Die Zukunft des Schweizers steht in Marokko auf dem Spiel, während er im Gefängnis von Salé auf sein Urteil wartet. In dem Prozess um den Mord an zwei Touristinnen im Atlas-Gebirge sind 24 Personen angeklagt. Einer der vier Hauptverdächtigen ist gerade eingebrochen, meldet das Fernsehen am Donnerstagabend: Abdessamad E. hat laut dem marokkanischen Sender «2M» die Tat gestanden.

Der 25-Jährige ist einer von vier Hauptbeschuldigten, denen zur Last gelegt wird, zwei Skandinavierinnen am 12. Dezember erstochen zu haben. Der Strassenverkäufer soll den Mord an der Norwegerin und der Dänin bereut und einen weiteren Hauptangeklagten beschuldigt haben, ihn zur Tat bewegt zu haben – um im Namen des so genannten Islamischen Staates für Terror und Schrecken zu sorgen.

Angeklagte im Terror-Prozess: Einer der vier Hauptangeklagten hat offenbar gestanden.
Angeklagte im Terror-Prozess: Einer der vier Hauptangeklagten hat offenbar gestanden.
Bild:  Keystone

Unter den 20 weiteren Angeklagten sind zwei Schweizer aus dem Kanton Genf. Ein 33-Jähriger, der anscheinend noch im Dezember in Témara bei Casblanca verhaftet worden war, wurde Mitte April schuldig gesprochen. Das Gericht in Rabat verurteilte ihn zu zehn Jahren Haft, weil er die Tat nicht angezeigt, Werbung für Extremisten gemacht und sich an deren Organisation beteiligt haben soll. Anwalt Khalil Idrissi hat Berufung gegen den Schuldspruch eingelegt.

Ex-Hooligan wird Konvertit 

Bis Konrad sein Urteil erhält, könnten noch Wochen vergehen. Der Prozess wurde bereits bis zum 13. Juni verlängert: Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der Schweizer von «extremistischer Ideologie durchdrungen» ist. Er hat zwar nicht selbst Blut an den Händen kleben, soll aber Unbedarfte als neue Mujaheddin angeheuert – und sie das Morden gelehrt haben. Sicher ist bisher nur: Mit Gewalt kennt sich der Romand aus.

Weitere Angeklagte vor Gericht: Der Geständige beschuldigte dabei einen der anderen vier Hauptangeklagten und bat um Vergebung angeblich für seinen Tat.
Weitere Angeklagte vor Gericht: Der Geständige beschuldigte dabei einen der anderen vier Hauptangeklagten und bat um Vergebung angeblich für seinen Tat.
Bild: Keystone

Konrad kommt in der Schweiz als Sohn eines Kolumbianers zur Welt, doch sein Vater stirbt bereits, als der Sohn erst 15 Jahre alt ist. Der Junge ist ein Problemfall, kassiert diverse Anzeigen und Strafen und fällt im Umfeld vom FC Servette als Hooligan auf. Dann entdeckt er den radikalen Islam als vermeintliche Rettung und konvertiert 2011 – im Alter von 17 Jahren. Die Religion helfe ihm, die «Dämonen» in sich zu bändigen, berichtet ein früherer Freund Konrads der spanischen Zeitung «El Mundo».

Wegen der «Dämonen» wird bei Konrad eine psychische Erkrankung diagnostiziert, heisst es weiter – später bezieht Konrad dafür demnach eine Rente aus der Schweiz. Der junge Mann lernt eine Frau kennen, heiratet die Muslima. Doch auch nach 2011 hat er noch Ärger mit der Polizei: Raub, Körperverletzung und häusliche Gewalt werden ihm mittlerweile vorgeworfen.

Aussteiger oder Aufwiegler?

2015 zügelt er mit seiner Frau nach Marokko. Seiner spanischen Mutter, die mit elf Jahren mit den Eltern in die Schweiz gekommen ist, und heute wieder in Madrid lebt, fällt in den folgenden vier Jahren keine Radikalisierung auf. Ihr sagt er, er wolle sich ein Haus kaufen.

Die Staatsanwaltschaft sagt, er sei den Hauptangeklagten ideologisch auf den Lein gegangen. Zudem sei er mit anderen Radikalen vernetzt und sei Teil eines Terrornetzwerks. Konrads Mutter hingegen ist sicher, dass ihr Sohn, der sie zuletzt im Dezember zur Tatzeit besucht habe, unschuldig ist. Doch vor dem Vorwurf, im Hintergrund gewirkt zu haben, schützt ihn das Alibi nicht.

Konrads Anwalt will die erste Aussage seines Mandanten streichen lassen, weil kein ordentlicher Übersetzer dabei war. Die Gegenseite wehrt ab, denn die Befragung sei auf Französisch durchgeführt worden. Was der Richter dazu sagt, werden die kommenden Wochen zeigen. Aber: Wer das neueste Geständnis als Zeichen für stichhaltige Ermittlungen interpretiert, muss sich um Konrad nun Sorgen machen.

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