Corona-Pandemie Hart und früh reagiert: Neuseeland könnte ganz virusfrei werden

AP/toko

21.4.2020

Eine Frau wird auf einem Supermarktparkplatz auf das neuartige Coronavirus getestet.
Eine Frau wird auf einem Supermarktparkplatz auf das neuartige Coronavirus getestet.
Mark Baker/AP/dpa

Die neuseeländische Regierung hat mutige Schritte gegen das neue Coronavirus unternommen. Wenn Neuseeland frei vom Virus ist, werden aber die Folgen für die Wirtschaft zu spüren bleiben.

Neuseeland könnte ein Ziel erreichen, das für andere Länder wohl in weiter Ferne liegt: das neue Coronavirus ganz loszuwerden. Experten glauben, dass das Land das schaffen könnte. Das Virus habe «keine Superkräfte», sagte die Impfstoffexpertin Helen Petousis-Harris von der University of Auckland. «Sobald die Übertragung gestoppt ist, ist es weg.»

Neuseeland hat den Vorteil, dass es geografisch abgelegen liegt. Wenn ein Land als sozial auf Abstand beschrieben werden könnte, wäre es das. Neuseeland ist umgeben von stürmischer See. Südlich davon ist die Antarktis. Fünf Millionen Menschen sind auf einer Fläche verbreitet, die so gross wie Grossbritannien ist. Selbst die Städte sind nicht zu stark besiedelt.

Ministerpräsidentin Jacinda Ardern hat mutige Schritte gegen das Coronavirus unternommen. Sie stellte das Land Ende März unter strenge Ausgangsbeschränkungen. Damals waren nur rund 100 Menschen positiv auf das Virus getestet worden. Das Motto der Regierungschefin lautete: «Mach's hart und mach's früh.»

In Neuseeland hat es bislang keinen weit verbreiteten Ausbruch des Virus gegeben. Neue Infektionsfälle sind von einem Höhepunkt von etwa 90 pro Tag Anfang April auf nur fünf am Dienstag gesunken. Damit ist das Ziel, das Virus loszuwerden, sehr nahe gerückt. 13 Menschen sind bislang gestorben. Ardern ist zu jedem der Todesfälle persönlich informiert worden.

«Neuseeland hat alles richtig gemacht»

«Wir haben die Gelegenheit, etwas zu tun, was kein anderes Land erreicht hat: die Eliminierung des Virus», sagte Ardern vergangene Woche vor Reportern. «Aber dahinter wird es weiter ein Team von fünf Millionen brauchen.»



Expertin Petousis-Harris sagte, das Land habe nicht wie andere mit Verwirrung und halbherzigen Massnahmen auf das Virus reagiert. «Neuseeland hat alles richtig gemacht. Entschiedene Massnahmen, mit starker Führung und sehr klarer Kommunikation an jeden.»

Ardern dämpft Erwartungen

Ardern verkündete am Montag, die Beschränkungen sollten eine weitere Woche gelten, bevor einige für die Arbeit gelockert würden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die meisten sozialen Einschränkungen würden bestehen bleiben.

Die 39-Jährige wollte auch Erwartungen mit Blick auf ihr Ziel dämpfen: Eine Eliminierung bedeute nicht, dass es in Zukunft keine neuen Coronavirus-Fälle geben würde, sagte sie. Doch die könnten dann sofort angegangen werden.

Zu weiteren Fällen dürfte es kommen, sobald Neuseeland seine Grenzen wieder öffnet. Unklar ist, wie gut vorbereitet das neuseeländische Gesundheitssystem darauf ist, eine wirksame Zurückverfolgung von Kontaktpersonen einzuführen, sollte es zu einem weit verbreiteten Ausbruch kommen. Petousis-Harris verwies auf Probleme im vergangenen Jahr, als Neuseeland einen Masern-Ausbruch nicht eindämmen konnte.

Premierministerin Jacinda Ardern leistet in der Corona-Pandemie sehr gute Arbeit.
Premierministerin Jacinda Ardern leistet in der Corona-Pandemie sehr gute Arbeit.
KEYSTONE/AP/Mark Mitchell

Tourismus wichtig für die Wirtschaft

Selbst wenn Neuseeland das Virus los wird, bleiben die wirtschaftlichen Folgen. Vor dem Ausbruch boomte der Tourismus. Es gab jedes Jahr rund vier Millionen Besucher. In der Tourismusindustrie waren mehr als 300'000 Menschen angestellt. Der Tourismus machte etwa zehn Prozent der Gesamtwirtschaft aus.

«Es ist verheerend gewesen. Überhaupt keine Frage», sagte der Geschäftsführer der Werbeagentur Tourism New Zealand, Stephen England-Hall. «Keiner kann wirklich planen, in drei Tagen von 100 Prozent auf null zu gehen.» Wegen der Abhängigkeit vom Tourismus könnte die neuseeländische Wirtschaft unter den entwickelten Ländern anfangs mit am härtesten durch das Coronavirus getroffen werden, wie aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hervorgeht.

Die Regierung hat mit Lohnsubventionen in Höhe von Milliarden von Dollar versucht, eine Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer sind plötzlich abhängig von Regierungszuschüssen. Dennoch scheinen die meisten Arderns strenge Beschränkungen zu unterstützen. Dazu gehören etwa geschlossene Schulen und dass Personen in nicht-systemrelevanten Jobs das Zuhause nur für Lebensmittel oder Sport verlassen dürfen. Laut Bewegungsdaten von Google halten sich viele Menschen daran.



Wenn Neuseeland das Virus hinter sich lässt, ist der weitere Pfad zunächst unklar. Das Land muss sich auf seine traditionelle Stärke in der Landwirtschaft stützen; Milchprodukte, Kiwis und Wein im Ausland verkaufen. Einige haben ins Spiel gebracht, dass Neuseeland seine Grenzen zunächst für Australien öffnet. Der Nachbar hat ebenfalls Erfolg dabei gehabt, die Ansteckungszahlen nach unten zu bekommen.

Neuseeland wird laut Experte England-Hall zuerst versuchen, den inländischen Tourismusmarkt wiederaufzubauen. Virusfrei zu sein, könnte letztendlich zu einem geschäftsbringenden Aspekt im Ausland werden, meinte er. Allerdings gibt es dabei ein Hindernis: Um virusfrei zu bleiben, müsste Neuseeland möglicherweise an der derzeitigen Vorschrift festhalten, dass Neuankömmlinge zwei Wochen in Quarantäne verbringen müssen. Da aber der durchschnittliche Tourist in der Vergangenheit nur etwa elf Tage in Neuseeland verbracht hat, scheint das ein nicht überwindbares Hindernis darzustellen.

Als Optimist rechnet England-Hall mit einer neuen Art von «Tourismusprodukt», bei dem wohlhabende Menschen während einer Quarantäne verwöhnt werden könnten — einer Art Isolations-Spa.


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