Mehr Naturkatastrophen Rotes Kreuz warnt: Klimawandel grössere Gefahr als Corona-Pandemie

AFP/dpa/tmxh

18.11.2020

Aufräumarbeiten in Bondo, am 18. September 2017, nachdem hier am 23. August 2017 ein Bergsturz am Piz Cengalo mit Murgängen niedergegangen war. Mit der Klimaerwärmung dürften Bergstürze bedeutend häufiger werden. (Archiv)
Aufräumarbeiten in Bondo, am 18. September 2017, nachdem hier am 23. August 2017 ein Bergsturz am Piz Cengalo mit Murgängen niedergegangen war. Mit der Klimaerwärmung dürften Bergstürze bedeutend häufiger werden. (Archiv)
Bild: Keystone

Das Rote Kreuz warnt: Klimawandel und globale Erwärmung würden eine grössere Bedrohung für die Menschheit darstellen als das Coronavirus, so die Hilfsorganisation.

Die internationale Gemeinschaft sollte aus Sicht des Roten Kreuzes mit derselben Dringlichkeit auf den Klimawandel reagieren wie auf die Corona-Pandemie. Die globale Erwärmung sei eine grössere Bedrohung als das neuartige Coronavirus, heisst es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC). Während die Pandemie wüte, habe der Klimawandel weiterhin verheerende Schäden angerichtet.

Aus dem Bericht über globale Katastrophen seit den 1960er-Jahren geht hervor, dass die Welt seit Ausrufung der Corona-Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im März von mehr als hundert Naturkatastrophen getroffen wurde, von denen viele im Zusammenhang mit dem Klimawandel standen. Mehr als 50 Millionen Menschen seien von diesen Katastrophen betroffen gewesen.



«Kein Impfstoff gegen den Klimawandel»

Natürlich gebe es Corona, «es ist direkt vor uns, es betrifft unsere Familien, unsere Freunde, unsere Verwandten», sagte IFRC-Generalsekretär Jagan Chapagain bei einer virtuellen Pressekonferenz. Die Welt stehe vor einer «sehr, sehr ernsten Krise», sagte er mit Blick auf die Pandemie, durch die bereits mehr als 1,3 Millionen Menschen starben.

Doch das IFRC erwarte, «dass der Klimawandel mittel- und langfristig einen stärkeren Einfluss auf das menschliche Leben und auf die Erde haben wird», warnte er. Während es immer wahrscheinlicher werde, dass in Kürze ein oder mehrere Impfstoffe gegen das Coronavirus erhältlich seien, «gibt es leider keinen Impfstoff gegen den Klimawandel», hob Chapagain hervor.

Mit Blick auf die Erderwärmung seien «noch viel mehr ununterbrochenes Handeln und Investitionen erforderlich, um das Leben auf dieser Erde zu schützen», mahnte das IFRC.

Dürre und Hunger in Kenia: Der Klimawandel ist laut Rotem Kreuz eine grössere Bedrohung als die Coronapandemie. (Archivbild)
Dürre und Hunger in Kenia: Der Klimawandel ist laut Rotem Kreuz eine grössere Bedrohung als die Coronapandemie. (Archivbild)
Stephen Morrison/epa/dpa/Archiv

410'000 Klimawandel-Tote in zehn Jahren

Schon in den vergangenen Jahrzehnten hätten die Häufigkeit und Intensität von Wetterextremen und klimabedingten Ereignissen beträchtlich zugenommen. Allein 2019 sei die Welt von 308 Naturkatastrophen getroffen worden, von denen 77 Prozent klima- oder wetterbedingt gewesen seien.

Rund 24'400 Menschen seien dadurch gestorben. Seit den 1960er-Jahren habe die Zahl der wetter- oder klimabedingten Katastrophen stetig zugenommen und sei nun 35 Prozent höher als in den 90er Jahren.



Mehr als 410'000 Menschen seien im vergangenen Jahrzehnt dadurch gestorben, die meisten von ihnen in ärmeren Ländern. Hitzeperioden und Stürme hätten die meisten Toten zur Folge gehabt. Angesichts dieser Gefahr, die «buchstäblich unser langfristiges Überleben bedroht», rufe das IFRC die internationale Gemeinschaft auf, mit der gebotenen Dringlichkeit zu handeln. 

Versäumnisse nachholen

Bei allem Einsatz zur Eindämmung des Klimawandels denke die Welt zu wenig an die Bedürftigsten, kritisiert die Föderation. Von den 20 am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern sei keines unter den 20, die pro Kopf der Bevölkerung die höchsten Zuwendungen für Klimaanpassungen erhielten, so der Bericht. Das gefährdetste Land, Somalia, stehe in der Liste der Pro-Kopf-Empfänger auf Platz 71.

Reiche Länder, die milliardenschwere Konjunkturpakete in der Corona-Pandemie schnürten, müssten dieses Versäumnis nachholen, fordert die Föderation. 50 Entwicklungsländer brauchten in den nächsten zehn Jahren 50 Milliarden Dollar (gut 45 Milliarden Franken), um sich für den Klimawandel zu wappnen. Investiert werden müsse in Frühwarnsysteme und Programme, die den schlimmsten Folgen der Naturkatastrophen vorbeugen können.



Solidarität als smarte Lösung

«Internationale Solidarität ist nicht nur eine moralische Verpflichtung», sagte Chapagain. «Es ist auch die smarte Lösung. Es ist günstiger, in die Widerstandsfähigkeit der Menschen in den gefährdetesten Orten zu investieren als steigende Kosten für humanitäre Einsätze (nach Katastrophen) zu akzeptieren.»

Die Rotkreuz-Bewegung hat zwei Arme: das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die Föderation. Das IKRK kümmert sich vorrangig um Opfer von Kriegen und bewaffneten Konflikten und wacht über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Die Föderation ist die grösste Freiwilligen-Organisation der Welt mit fast 14 Millionen Helfern in aller Welt. Sie engagieren sich in 192 nationalen Gesellschaften. 

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