Population steigt auf 2 Millionen Hirsche und Rehe werden in Grossbritannien zur Plage

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31.1.2024 - 00:00

Rehe auf einem frostbedeckten Feld im Richmond Park in London.
Rehe auf einem frostbedeckten Feld im Richmond Park in London.
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In den Highlands fressen sie die Hänge kahl, Autofahrer und Landwirte klagen über Schäden: Grossbritannien hadert mit seinen vielen Hirschen und Rehen. So mancher will «Bambi» kulinarisch ans Fell.

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  • In Grossbritannien sind die Hirsch- und Rehpopulationen in den vergangenen Jahren stark angestiegen.
  • Schätzungen zufolge gibt es rund zwei Millionen Tiere.
  • Landwirte verlieren durch Hirsche jährlich Ernte im Wert von mehreren Millionen Pfund.
  • Die Lösung könnte in einer Anpassung der Ernährungsgewohnheiten liegen.

Der historische Vergleich hat es in sich. Selbst zu Zeiten von Wilhelm dem Eroberer habe es in Britannien nicht so viele Hirsche gegeben, zeigte sich die Zeitung «Sun» erstaunt. Das war – ein wichtiges Datum der britischen Geschichte – im Jahr 1066.

Fast 1000 Jahre später ziehen Schätzungen zufolge mehr als zwei Millionen Exemplare über britische Felder und Hügel. Immer mehr Experten warnen, dass es so nicht weitergehen könne: «Bambi» droht der massenweise Abschuss. Doch es gibt noch einen anderen Vorschlag – der geht durch den Magen.

Das Wild kommt auf den Tisch

«Jetzt beteiligen sich Tausende von Kindergartenkindern an dem Kampf, die steigende Zahl an Hirschen in Grossbritannien zu kontrollieren – indem sie sie zum Mittag essen», schrieb die «Times» martialisch. Als eine der ersten Bildungseinrichtungen hat das Unternehmen Tops Day Nurseries für die 4000 Kinder, die es in Südengland betreut, Wild aufs Menü gesetzt. Gemeinsam mit der Brancheninitiative Eat Wild sind fünf Gerichte kreiert worden, zwei Mal innerhalb von drei Wochen soll es Wild geben – das mache 3000 Mahlzeiten im Monat.

«Deer» lautet im Englischen der Oberbegriff für die gesamte Hirschfamilie. Dazu zählen Rot- und Damhirsche ebenso wie Rehe. Cateringchef Pete Ttofis schwärmt von der Vielfalt der Speisen. Das Fleisch sei zudem nicht mit Wachstumshormonen oder Antibiotika behandelt worden, sondern komme direkt aus dem natürlichen Lebensraum. Wildgerichte gelten nicht nur als nährstoff- und vitaminreicher, sondern auch als nachhaltiger als Huhn und Schwein.

Wie die «Sun» berichtete, gibt es zudem Überlegungen, Supermärkte zu ermutigen, mehr Wildbret zu verkaufen. Dadurch könnten die Preise sinken – für viele Menschen, die über hohe Kosten für Energie und Lebensmittel klagen, eine Chance auf gesundes Fleisch. «Der Rehbestand ist ausser Kontrolle», sagt Eat-Wild-Chefin Louisa Clutterbuck. «Daher gibt es überhaupt kein Versorgungsproblem, im Moment herrscht ein Überangebot.»

Die Hirsche haben keine natürlichen Feinde

Die enorme Population hat Folgen: Landwirte verlieren durch Hirsche jährlich Ernte im Wert von mehreren Millionen Pfund. In Schottland verhindern sie eine flächendeckende Wiederaufforstung. 75.000 Wildunfälle im Jahr verursachen Fahrzeugschäden von rund 45 Millionen Pfund (52,6 Mio Euro) – und kosten etwa 10 bis 15 Menschen pro Jahr das Leben. Zudem können die Tiere Krankheiten übertragen.

Für den Boom gibt es mehrere Gründe. «Hirsche hätten früher im ländlichen Raum keine Chance gehabt, weil die Menschen hungrig waren», sagte Paul Dolman von der University of East Anglia der BBC. «Jetzt leben die Menschen nicht mehr vom Land, daher ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für Rehe viel grösser.» Zudem haben die Tiere in Grossbritannien keine natürlichen Feinde. Wölfe und Bären gibt es seit langem nicht mehr und anders als bei Luchsen bestehen auch keine Pläne, sie wieder einzuführen.

Milde Winter führen zu erhöhter Fruchtbarkeit

«Alles spricht für die Hirsche», meint Peter Watson von der Organisation Deer Initiative. «Die Bewaldung hat zugenommen und die Landwirte bauen das ganze Jahr über Getreide an.» Winterfrüchte in Zeiten, die sonst wenig Futter boten, sind eine Nahrungsquelle.

Mildere Winter aufgrund des Klimawandels würden zu erhöhter Fruchtbarkeit der Tiere beitragen, sagte Watson. Dass während der Pandemie die Nachfrage von Restaurants deutlich sank, gilt als weiterer Grund für den steilen Populationsanstieg: Schätzungsweise 80 Prozent der geschossenen Rehe gingen zuvor an die Gastronomie.

Die Branche hofft auf eine Trendwende. Ein Hauptfaktor bei der Kontrolle der Bestände ist der Preis, den Jäger erzielen können. Steigt die Nachfrage nach Wildbret, könnten sie angeregt werden, mehr zu schiessen.

Bisher werden jedes Jahr etwa 350'000 Tiere erlegt. Viel zu wenig, meinen Experten. Nötig seien bis zu 750'000 Abschüsse. Naturschützer würden eine Population von weniger als einer Million als nachhaltig einstufen, um wirtschaftliche und ökologische Folgen zu verringern, berichtete die «Times».