BundesstrafgerichtIS-Unterstützer droht in der Schweiz Verwahrung
SDA
8.10.2020 - 04:34
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona eröffnet heute das Urteil gegen einen 52-jährigen Iraker wegen IS-Unterstützung. Die Bundesanwaltschaft (BA) fordert erstmals in einem solchen Fall eine Verwahrung.
Anfang September hatte die zweitägige Hauptverhandlung gegen den beschuldigten Iraker vor Bundesstrafgericht stattgefunden. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, von der Schweiz aus zwischen 2016 und 2017 zahlreiche Aktivitäten für die verbotene terroristische Organisation Islamischer Staat (IS) entwickelt, ein Netzwerk aufgebaut und sogar seine eigene Ehefrau im Libanon zu einem Selbstmordattentat angestiftet zu haben.
Der Mann war im Mai 2017 in einer Asylunterkunft in Eschlikon TG verhaftet worden und sitzt seither in Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft. Er lebt seit 22 Jahren mit Unterbrüchen in der Schweiz.
Die BA fordert für die zur Last gelegten Delikte, vorab für den Verstoss gegen das Al-Kaida-/IS-Gesetz, eine Gesamtstrafe von 6 Jahren und 9 Monaten und darüber hinaus eine Verwahrung.
Wie Bundesstaatsanwalt Kaspar Bünger ausführte, wird die Verwahrung erstmals im Zusammenhang mit dem IS-Gesetz gefordert. Er bezeichnete diese in seinem Plädoyer als «ultima ratio». Nur so könne sich die Gesellschaft vor gefährlichen Personen wie dem Beschuldigten schützen.
«Überinterpretierte Chats»
Ganz anders der Verteidiger des Beschuldigten, Sascha Schürch, der die Vorwürfe weitgehend als haltlos bezeichnete, weil Chat-Unterhaltungen überinterpretiert worden seien. Gefordert wurde ein weitgehender Freispruch sowie eine Entschädigung von mehr als 200'000 Franken für über 1'000 ungerechtfertigte Hafttage.
Einzig der Besitz von Gewaltdarstellungen sowie Fahren ohne Berechtigung soll gemäss dem Verteidiger bestraft werden – mit einer Geldstrafe von 170 Tagessätzen zu 30 Franken.
Der Beschuldigte hatte seine Chat-Unterhaltungen und Anweisungen selbst als «leeres Gerede und Spass» bezeichnet. Auf die Frage des Gerichts, ob er ein radikaler Islamist sei, hatte er geantwortet: «Es gibt keine Radikalen, nur Gläubige und Heuchler.» Auch den Vorwurf der Terrorismus-Finanzierung wies er zurück.
Das Gericht muss nun entscheiden, ob eine hochgradig kriminelle Person oder ein vermeintlicher Spassmacher angeklagt ist. Die Hauptverhandlung im September hatte unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden.
Der Beschuldigte stammt aus einer Familie mit elf Geschwistern, von denen einige den Prozess verfolgten. Wegen mangelnder Deutschkenntnisse mussten weite Teile der Verhandlung ins Kurdische übersetzt werden.
Früheres hartes Urteil
Vor einem Monat, am 11. September, hatte das Bundesstrafgericht in einem anderen IS-Fall ein hartes Urteil gefällt. Die Strafkammer verurteilte den selbsternannten «Emir von Winterthur» zu einer Freiheitsstrafe von 50 Monaten – also mehr als vier Jahre.
Damit ging das Gericht sogar über die Forderung der Bundesanwaltschaft hinaus. Die Rekrutierung von Dschihad-Reisenden aus der Deutschschweiz sei «kaltblütig und menschenverachtend» gewesen, hatte das Gericht festgestellt.
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