Südkorea K-Pop, Taylor Swift und Co: Über das Prinzip der Fanarmeen

SDA

20.3.2021 - 17:48

ARCHIV - Die südkoreanische Boyband BTS tritt während eines Konzerts im King Fahd International Stadion auf. (Archivbild) Foto: -/YNA/dpa
ARCHIV - Die südkoreanische Boyband BTS tritt während eines Konzerts im King Fahd International Stadion auf. (Archivbild) Foto: -/YNA/dpa
Keystone

Es waren unbedachte Äusserungen, die Matthias Matuschik vor kurzem in seiner Livesendung gemacht hat. Dann bekam der Moderator des Radiosenders Bayern 3 die geballte Kritik wütender Fans der südkoreanischen Boygroup BTS und anderer im Internet zu spüren. Auch ihm sei bewusst, «dass am Ende zählt, wie die Worte bei den Empfängern ankommen – und nicht, wie sie gemeint waren», versucht er sich im Nachhinein zu entschuldigen. Er ärgerte sich nach eigenen Angaben eigentlich nur darüber, dass BTS den Song «Fix you» der britischen Gruppe Coldplay als Akustikversion gecovert hat. Dabei ging er so weit, die äusserst erfolgreiche Boygroup mit dem Coronavirus zu vergleichen – «irgendein Scheissvirus, wogegen es hoffentlich bald ebenfalls eine Impfung gibt».

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Auf den Shitstorm, den er damit auslöste, war er offensichtlich nicht vorbereitet. BTS-Fans warfen ihm üblen Rassismus vor – was er aber bestreitet. Unter dem Hashtag #Bayern3Racist beschuldigten ihn Nutzer, nicht nur BTS, sondern die gesamte «asiatische Gemeinschaft» beleidigt zu haben. Es hagelte nicht nur Kritik – auch die hässlichen Seiten der Online-Debatte kamen zum Vorschein: «Der Moderator und seine Familie werden inzwischen massiv bedroht», schreibt der Sender, der dazu aufruft, die Diskussion doch inhaltlich zu führen.

Die K-Pop-Szene ist dafür bekannt, besonders leidenschaftliche Fans zu haben. Mit dem Sammelbegriff K-Pop wird mittlerweile ein eigenes Musikgenre umschrieben, das derzeit einen unglaublichen Hype erfährt. Die Top-Gruppen des K-Pop einschliesslich BTS, Monsta X und Blackpink haben ihre eigenen Armeen von Millionen von Fans. Wie die Fanarmeen anderer internationaler Stars wie etwa Lady Gaga, Rihanna, Justin Bieber oder Taylor Swift – «Little Monsters», «Rihanna Navy», «Beliebers» und «Swifties» – haben diese Fangruppen ihre eigenen Kosenamen.

Das Internet erlaubt es ihnen, auf besondere Art an der Glitzerwelt der Popstars teilzuhaben. Die Anhänger tauschen sich über soziale Medien aus und kommunizieren teils über Apps mit den Sängern und Sängerinnen. Sie sorgen dafür, dass die Musik ihrer Idole stets im Netz präsent ist und die Verkäufe ihrer Alben möglichst steigen.

Längst gehören Popstars in den Sozialen Medien zu den einflussreichsten Stimmen. So sind etwa unter den Twitternden mit den meisten Followern sehr viele Musiker und Musikerinnen wie Justin Bieber (114 Millionen), Rihanna (102 Millionen) oder Taylor Swift (89 Millionen).

Die Fanarmeen gelten nicht zuletzt als wesentlicher Teil des Erfolgs der K-Pop-Gruppen. Für die Anhänger spielt es dabei auch keine Rolle, dass Gruppen wie BTS oder die Girlgroup Blackpink ursprünglich von Unterhaltungsagenturen zusammengestellt wurden und Teil einer von der Regierung angeheizten, gut geölten Pop-Maschine sind.

Die Dynamik der Fangruppen führt beispielsweise dazu, dass die Klickzahlen von Musikvideos unter Umgehung von Spamfiltern innerhalb kürzester Zeit Millionenhöhe erreichen. Untereinander liefern sich die Gruppen zum Teil einen Wettkampf und schiessen sich auf Kritiker ein.

Doch viele Mitglieder der Fanarmeen setzen sich nicht nur dafür ein, dass ihre Idole im Netz präsent bleiben: Sie nehmen an Spendenaktionen für gute Zwecke teil und engagieren sich auch für politische Themen oder schliessen sich Menschenrechts- und Anti-Rassismus-Kampagnen an.

Die Philosophie-Dozentin und Buchautorin Lee Jiyoung ("BTS, Art Revolution") in Seoul möchte deshalb möglichst mit Vorurteilen gegenüber Fanarmeen und der «BTS Army» im besonderen aufräumen. «Viele haben die falsche Vorstellung, dass Musikfangruppen fast immer aus Mädchen zusammengesetzt sind, oder dass die Fans eine fanatische, dumpfe und unreife Gruppe von Menschen sind – was frauenfeindlich ist.» Das gehe an der Realität vorbei.

Als der Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd im vergangenen Jahr weltweit Proteste gegen rassistische Polizeigewalt ausgelöst hatte, rückten plötzlich auch K-Pop-Fans einschliesslich der Army in den Blickpunkt des Interesses. Sie twitterten nicht mehr über ihre Idole, sondern stellten sicher, dass Hashtags der Black-Lives-Matter-Bewegung ganz oben im Trend der Netzdebatten stehen. Auch kaperten sie etwa rechte Hashtags, indem sie zum Beispiel #QAnon mit Memes und Fanvideos ihrer Idole überschwemmten. Ziel war es, rechtsextremen Stimmen im Netz die Öffentlichkeit zu nehmen.

Die «BTS Army» gebe sich dabei weltoffen, sagt Expertin Lee. Die Fans kämen aus allen Lebensbereichen und seien altersmässig gut durchmischt. Die 45-jährige Angestellte Kim Hyun Ju aus Seoul, ein leidenschaftlicher BTS-Fan, fühlt sich dennoch eher als Teil einer Minderheit in der «Army»: Es gebe eigentlich nicht viele Fans in den Vierzigern, sondern mehr Teenager, die mehr Zeit für die Fan-Kommunikation aufbrächten. «Ich selber chatte jeden Tag – drei bis viermal täglich, manchmal ist das nur mal eben checken.» Sie sei dabei auf Twitter oder Instagram unterwegs, sagt sie. Für Kim sind die Grenzen der Kommunikation klar: «Ich bin nicht an Treffen interessiert, ich bin nur online.»