Gefahr für den Indian Summer Der Klimawandel bedroht das bunte Herbstlaub

AP/tpfi

3.10.2021

Nicht nur bei Motorradfahrern gerne gesehen: die herbstliche Farbpracht der Bäume. 
Nicht nur bei Motorradfahrern gerne gesehen: die herbstliche Farbpracht der Bäume. 
Symbolbild: Robert F. Bukaty/AP/dpa

In Gelb, Rot und Orange leuchtende Herbstwälder locken jedes Jahr Besucher in den Osten der USA. Doch die Farbpracht droht zu schwinden – aufgrund von Erderwärmung, Trockenheit und Stürmen.

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3.10.2021

Buntes Laub gehört zum Herbst wie Kürbisse, Kastanien und Drachensteigen. Doch der Klimawandel bedroht die herbstliche Farbpracht der Bäume. Denn Dürren in vielen Teilen der Welt führen dazu, dass Blätter braun werden und verwelken, bevor sie ihre volle Farbe erreichen. Aufgrund von Hitzewellen fallen sie oft schon herab, bevor der Herbst überhaupt anfängt. Und Extremwetterereignisse wie Hurrikane berauben viele Bäume gleich ihres ganzen Laubs.

In vielen Teilen der USA sind Reisen zur Zeit der Blattverfärbung, des sogenannten Indian Summers, sehr beliebt, vor allem nach Neuengland und New York. Doch dort und andernorts hat das Wetter in den vergangenen Jahren vielfach die Saison getrübt. Und angesichts der Erderwärmung wird sich der Trend nach Meinung von Ökologen, Umweltschützern und Baumexperten wohl fortsetzen.

Flammendes Herbstlaub bald Vergangenheit

In den USA nimmt das Laub typischerweise ab Ende September seine wärmeren Farbtöne an. In diesem Jahr aber sind die Blätter in vielen Gegenden noch sommerlich grün. Im Norden von Maine meldeten die Forstbehörden eine Verfärbung von weniger als 70 Prozent und einen moderaten Blattfall.

In Denver liessen hohe Temperaturen früh in der Saison tote, trockene Blätter zurück, wie der staatlich anerkannte Baumpfleger Michael Sundberg erklärt. Anstatt einer langsamen Verfärbung ändere das Laub schlagartig seine Tönung oder falle früh. Das letzte «richtig gute Laubjahr» mit flammenden Farben sei einige Jahre her.

Der Grund dafür, dass der Klimawandel der Herbstfärbung schaden kann, hat mit der Pflanzenbiologie zu tun. Wenn zu Beginn der dritten Jahreszeit die Tage kürzer werden und die Temperaturen fallen, baut sich das Chlorophyll in einem Blatt ab und es verliert seine grüne Farbe. Das Grün weicht Gelb-, Rot- und Orangetönen, die für den strahlenden Farbteppich sorgen.

Laub-Spektakel entfällt bei extremer Dürre

Der Weg zu diesen intensiven Nuancierungen führt über ein empfindliches Gleichgewicht, das durch Umweltveränderungen rasch gestört werden kann, wie der Pflanzenphysiologe Paul Schaberg von der US-Forstbehörde erklärt. So könnten warme Herbsttemperaturen dazu führen, dass Laub länger grün bleibe und sich das Einsetzen der charakteristischen Färbung verzögere. Noch gravierendere Folgen hätten trockene Sommer: Diese könnten Bäume derart unter Stress setzen, dass die Herbstkolorierung komplett ausfalle.

«Wenn es wegen des Klimawandels grössere Trockenzeiten gibt, dann werden Bäume dichtmachen und viele werden einfach ihre Blätter fallenlassen», sagt Schaberg. Bei extremer Dürre könnten Bäume nicht funktionieren, was sich negativ auf ihre Färbung auswirke.

Das ist bereits der Fall. Im US-Staat Oregon etwa brachte eine Hitzewelle im Sommer Temperaturen von über 43 Grad mit sich, die das Laub vorzeitig braun werden ließen, wie der Waldexperte Chris Still von der Oregon State University erklärt. Die Blattpigmente hätten sich abgebaut, und die Blätter seien wenig später abgefallen. In Teilen des US-Staates wird das herbstliche Farbspektakel deshalb in diesem Jahr weniger malerisch ausfallen.

Auch die Tourismus-Branche leidet

Darüber hinaus könnte der Klimawandel auch langfristige Folgen haben. So breiteten sich infolge der Erderwärmung Krankheiten und Schädlinge stärker aus, was ebenfalls die Herbstfärbung der Bäume beeinträchtigen könne, sagt der Ökowissenschaftler Andrew Richardson von der Northern Arizona University. Der Baumexperte Jim Salge vom Magazin «Yankee» ergänzt, dass sich zudem das Einsetzen der Färbung weiter verzögern könne. Nach seiner Beobachtung in den vergangenen zehn Jahren habe diese vermehrt überdurchschnittlich spät begonnen.

Das Phänomen könnte sich auch auf den Tourismus auswirken. In den Neuengland-Staaten bringen Herbstreisende der Branche jedes Jahr mehrere Milliarden Umsatz.

Umweltschützer sehen in der Entwicklung einen guten Grund dafür, mehr für den Schutz der Wälder zu unternehmen und den Einsatz fossiler Brennstoffe zu reduzieren. Dann könne etwa auch im US-Staat Massachusetts der Indian Summer als Teil des Erbes bewahrt werden, sagt Andy Finton von der Organisation The Nature Conservancy: «Wenn wir die grossen, wichtigen Wälder intakt halten können, werden sie uns das liefern, worauf wir angewiesen sind – saubere Luft, sauberes Wasser, saubere Wälder genauso wie Herbstinspiration.»