Gefühls-LockdownSag deinem Gegenüber, dass du irgendwie grad gar nicht magst
dpa
24.4.2021 - 17:56
Experten wie der amerikanische Psychologe Adam Grant warnen vor der in der Pandemie zunehmenden Ermattung als Lebensgefühl. Sie raten, die Gemütslage nicht zu beschönigen.
24.04.2021, 17:56
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Wir sind es uns schon gewohnt: In der angelsächsischen Welt werden Phänomene oft früher benannt als in der deutschsprachigen. Ein Beispiel: Voriges Jahr lag in den USA und Grossbritannien die «Revenge Bedtime Procrastination» als Begriff im Trend. Damit gemeint ist die Angewohnheit, etwa wegen zu viel Smartphone-Guckens zu spät schlafen zu gehen. Auf Deutsch lässt sich das wohl am besten als Bettgeh-Aufschieberitis aus Rache am Leben beschreiben.
Nun entdeckte die «New York Times» die Mattheit, also das Dahindümpeln oder «Languishing», als eine Art Gefühl des Jahres 2021. Der auch ins Deutsche übersetzte Psychologe Adam Grant schrieb in einem entsprechenden Artikel: Die geistige Ermattung sei in der Corona-Pandemie mit ihren Belastungen und Einschränkungen sozusagen die Leerstelle zwischen Depression und Euphorie. Damit gemeint: die Abwesenheit des grundsätzlichen Wohlfühlens.
Man habe zwar keine echten Symptome einer psychischen Erkrankung, aber eben auch nicht alle Anzeichen für totale psychische Gesundheit. Man funktioniere nicht mit voller Kapazität, könne sich kaum motivieren und konzentrieren – und laufe dabei Gefahr, abzurutschen und womöglich im Kopf ernsthafter krank zu werden, so der Autor.
Grant empfiehlt, dieses Phänomen zu benennen und das Ganze damit weniger gefährlich für die oder den Betroffenen selbst und die Gesellschaft zu machen. Sein Tipp: ehrlich statt aufgesetzt positiv zu sein. Zudem rät der Psychologe, man solle auf die Smalltalk-Formel «Wie geht's?» (How are you?) nicht zu standardisiert mit «Great!» oder «Fine» antworten – sondern ruhig mal sagen, dass man ermattet sei.
Dass die Corona-Pandemie den meisten von uns auf die Psyche schlägt, ist mittlerweile unumstritten – in welchem Ausmass und mit welchen Folgen, ist jedoch noch nicht geklärt. Fest steht: Seit Langem weisen internationale Studien darauf hin, dass in Krisensituationen psychische Störungen zunehmen. Vor allem Personen, die zuvor schon belastet waren, habe ein grösseres Risiko, ernsthaft zu erkranken.