Vierfachmord Rupperswil Urteil ist gefällt – Gericht liefert mündliche Begründung

SDA/jfk

13.12.2018 - 13:50

Es bleibt bei einer ordentlichen Verwahrung für den Vierfachmörder von Rupperswil. Sowohl den Antrag der Verteidigung als auch jenen der Anklage hat das Obergericht des Kantons Aargau abgewiesen.

Wie der Gerichtsvorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung sagte, sind die Voraussetzungen für die Anordnung einer lebenslangen Verwahrung nicht gegeben. Das Gesetz verlange, dass ein Täter von zwei unabhängigen Gutachtern dauerhaft - also bis zum Lebensende - als untherapierbar beurteilt werde. Dies sei beim Täter von Rupperswil nicht der Fall. Eine ordentliche Verwahrung sei angezeigt.

Die Anklage hatte die Anordnung einer lebenslänglichen Verwahrung gefordert. Die Verteidigung verlangte einen Verzicht auf jegliche Verwahrung. Beide drangen beim Gericht nicht durch.

Die Oberrichter hoben auf Antrag der Staatsanwaltschaft die erstinstanzlich angeordnete, ambulante strafvollzugsbegleitende Therapie auf. Wenn schon eine stationäre Massnahme laut den Experten die Rückfallgefahr des Verurteilten kaum deutlich reduziere, sei dies bei einer ambulanten erst recht nicht der Fall, sagte der Gerichtspräsident.

Das Obergericht ordnete jedoch ein lebenslanges Tätigkeitsverbot des pädophilen Vierfachmörders mit Kindern und Jugendlichen an, welches die Staatsanwältin forderte. Schon vor der Verhandlung am Obergericht hatte der Beschuldigte dies anerkannt.

Staatsanwältin «sehr zufrieden»

Staatsanwältin Barbara Loppacher zeigte sich zufrieden mit dem Urteil des Obergerichtes. Es sei von Anfang an das Ziel der Staatsanwaltschaft gewesen, eine Verwahrung zu erreichen.

«Dieses Ziel wurde erreicht. Wir sind sehr zufrieden damit», sagte Loppacher vor den Medien in Aarau. Die ambulante Behandlung sei jetzt auch noch weggefallen. Eine Verwahrung setze voraus, dass es keine Behandlungsmöglichkeit gebe.

Sie wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft mit dem Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg zufrieden gewesen sei. Das Bezirksgericht habe «ein gutes Urteil gefällt». Wenn der Beschuldigte nicht in Berufung gegangen wäre, so hätte die Staatsanwaltschaft keine Anschlussberufung gemacht.

Das Aargauer Obergericht hat entschieden, dass der Vierfachmörder von Rupperswil ordentlich verwahrt wird.
Das Aargauer Obergericht hat entschieden, dass der Vierfachmörder von Rupperswil ordentlich verwahrt wird.
Bild: Keystone/Walter Bieri

«Wir haben die Gelegenheit genutzt und unsere Thesen noch einmal gebracht.» Ein Weiterzug ans Bundesgericht werde geprüft, wenn die schriftliche Begründung des Obergerichts auf dem Tisch liege. Die Staatsanwaltschaft hatte die lebenslängliche Verwahrung gefordert.

Fall immer im Hinterkopf

«Es war ein Versuch der Staatsanwaltschaft», hielt Loppacher dazu fest. Das Obergericht sei dem Antrag nicht gefolgt. «Wir nehmen das so zur Kenntnis und sind gespannt auf die schriftliche Begründung des Obergerichts.»

Sie sei froh, mit dem Fall abschliessen zu können. Seit dem Vierfachmord im 21. Dezember 2015 habe sie Weihnachten immer mit dem Fall im Hinterkopf verbracht.

Auch die Oberrichter kamen zur Ansicht, für eine lebenslängliche Verwahrung fehle eine zentrale Voraussetzung. Laut Gesetz darf ein Beschuldigter nur dann lebenslänglich verwahrt werden, wenn zwei unabhängige Gutachter ihn als «dauerhaft untherapierbar» erklärt haben. Dies ist im vorliegenden Fall nicht so.

Weiterzug offen

Renate Senn, die amtliche Verteidigerin, hielt fest, das Obergericht sei zu einem anderen Schluss gekommen als die Anträge der Verteidigung. Es gehe nicht um sie, sondern um ihren Klienten. «Er hatte die Hoffnung, dass das Urteil anders herauskommt.» Beim Urteil des Bezirksgerichts habe es viele Widersprüche gegeben.

Ob das Urteil weitergezogen werde, sei noch offen. Man warte das schriftliche Urteil ab. Dann werde ihr Klient entscheiden, ob es einen Weiterzug ans Bundesgericht gebe. Senn sagte, sie gehe davon aus, dass ihr Klient aus den Medien vom Urteil erfahren habe.

Ihr Klient habe sich von den Verhandlungen dispensieren lassen, weil es vor Obergericht nicht mehr um die Tat gegangen sei. Bei der Massnahme seien vor allem Rechtsfragen im Zentrum gestanden, Gutachten und Gutachter.

Dispensation spare Kosten

«Mein Klient hätte gar nichts dazu sagen können», sagte Senn. Die Dispensation habe auch einem schlanken und kostengünstigen Verfahrensablauf gedient.

Die vom Bundesgericht festgelegten Voraussetzungen für eine lebenslängliche Verwahrung seien klar nicht erfüllt gewesen. Beide Gutachter hätten deutlich gesagt, dass eine Untherapierbarkeit auf Lebenszeit nicht zutreffe.

Vor dem Obergericht Aargau hatten beide psychiatrische Gutachter verneint, dass beim Vierfachmörder von Rupperswil AG eine dauerhafte Untherapierbarkeit vorliege. Die Staatsanwältin forderte dennoch eine lebenslange Verwahrung. Für den heute 35-jährigen Vierfachmörder gilt damit die bereits rechtskräftige lebenslängliche Freiheitsstrafe und daran anschliessend die ordentliche Verwahrung.

Zweck der Verwahrung ist der Schutz der Gesellschaft vor einem gefährlichen Täter. Im Unterschied zur lebenslänglichen wird bei einer ordentlichen Verwahrung regelmässig überprüft, ob sie noch gerechtfertigt ist. Für den Verwahrten gibt es so eine kleine Chance, irgendwann auf freien Fuss zu kommen. Die allermeisten ordentlich Verwahrten bleiben aber eingesperrt.

Gutachter sehen Therapiefähigkeit

Am Obergericht wurden die beiden psychiatrischen Gutachter nochmals befragt. Beides sind anerkannte Kapazitäten; sie diagnostizierten beim Beschuldigten eine Pädophilie sowie verschiedene Persönlichkeitsstörungen. Der eine hob die narzisstische Störung hervor, der andere die zwanghafte Störung.

Die Gutachter waren sich einig, dass die Störungen behandelbar sind und der Täter auch therapiewillig sei. Es sei eine lange, schwierige Therapie nötig, ein deutlicher Behandlungserfolg dürfte frühestens nach 10 bis 15 Jahren eintreten. Der Beschuldigte sei aber nicht dauerhaft untherapierbar.

Psychiater-Streit

Tage vor der Obergerichtsverhandlung war es in den Medien zu einer Dissonanz unter Psychiatern gekommen. Der mit dem Fall nicht befasste, ebenfalls fachlich anerkannte Zürcher Psychiater Frank Urbaniok hatte die beiden Gutachter Josef Sachs und Elmar Habermeyer kritisiert, weil diese den Vierfachmörder als therapierbar eingestuft hatten.

Die diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen seien nicht Ursachen der Morde, und wenn man die Ursachen nicht kenne, könne man sie nicht behandeln. Der Täter sei deshalb als untherapierbar zu beurteilen und lebenslänglich zu verwahren.

Diese Kritik wiesen die Gutachter zurück. Urbaniok kenne den Fall nur aus den Medien. Es trügen immer verschiedene Faktoren zu einem Delikt bei. Aus der ganze Palette von Erkenntnissen gelte es, einen Delikthintergrund zu erstellen.

Genau geplante Tat

Am 21. Dezember 2015 hatte sich der damals 32-Jährige mit einem gefälschten Schreiben Einlass in ein Einfamilienhaus in seiner Nachbarschaft in Rupperswil verschafft. Er hatte es vor allem auf den dort lebenden 13-jährigen Jungen abgesehen.

Unter Drohungen mit einem Messer brachte er den Buben, dessen Mutter, den noch schlafenden älteren Bruder und dessen Freundin in seine Gewalt. Er fesselte sie, verklebte ihnen die Münder und nahm ihnen die Handys weg. Die Mutter schickte er zum Geld abheben. Dann verging er sich aufs Schwerste an dem 13-Jährigen.

Anschliessend tötete er alle vier Personen, zündete das Haus an und ging weg. Kurz danach suchte er im Internet nach weiteren Knaben, spähte deren Familien aus und bereitete eine neuerliche Tat vor. Im Mai 2016 wurde der Mann in Aarau verhaftet.

Am 16. März sprach das Bezirksgericht Lenzburg den heute 35-jährigen Schweizer zahlreicher Delikte schuldig, fast alle mehrfach begangen: Mord, räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme, sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Pornografie, Urkundenfälschung, Brandstiftung sowie strafbare Vorbereitungshandlungen zu Mord und weiteren Delikten.

In der heutigen Ausgabe von «TalkTäglich» auf TeleZüri diskutieren um 18.30 Uhr der ehemalige Kriminalkommissär Markus Melzl, Andreas Frei, forensischer Experte der Psychiatrie Baselland, sowie Opferanwalt Markus Leimbacher unter der Leitung von Oliver Steffen den Fall. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Bilder aus der Schweiz
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