EU-Verbot von Einwegartikeln Plastikverbot auch in der Schweiz?

Verena Schmitt-Roschmann, dpa / fab

28.5.2018

Die EU-Kommission will einige Alltagsgegenstände aus Plastik verbieten, um die Umwelt besser zu schützen. Aber wird das etwas nützen? Was sind die Folgen für Schweizer Konsumenten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Grillparty der Zukunft sieht wohl etwas anders aus. Kein Kartoffelsalat mehr auf Plastiktellern, kein Kampf mehr mit Plastikmessern und -gabeln gegen zähe Steaks, keine Plastikstrohhalme in der Limo. Die EU-Kommission will ein Verbot solcher Wegwerfware, um die Umwelt besser vor Plastikmüll zu schützen - jedenfalls steht das in einem vor Wochen gestreuten Richtlinien-Entwurf.

Wo liegt das Problem?

Weltweit, aber auch in Europa werden enorme Mengen Kunststoffe genutzt und anschliessend weggeworfen. Allein in der EU entstehen nach Angaben der EU-Kommission jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen Plastikmüll. Gemäss Angaben von Swiss Plastics, dem Branchenverband der Schweizerischen Kunststoffindustrie, fallen in der Schweiz pro Jahr rund 780'000 Tonnen an. Davon werden weniger als 30 Prozent zur Wiederverwertung gesammelt. Vom Rest landet ein Grossteil auf Müllkippen oder in der Umwelt. Schon im Januar forderte die Brüsseler Behörde deshalb in einer Plastik-Strategie, dass bis 2030 alle Kunststoffe wiederverwertbar sein sollen.

Diese Strategie unterstützt man auch bei Swiss Plastic: «In Anlehnung an die Bestrebungen der EU will auch die Schweiz im Bereich Nachhaltigkeit mit Vernunft und gesundem Augenmass nachziehen», sagt Kurt Röschli Geschäftsführer Technik bei Swiss Plastics auf Anfrage von «Bluewin». Zusammen mit den europäischen Verbänden und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) suche man nach Lösungen.

Die EU legt mit konkreten Vorschlägen für Vorschriften und Verbote jetzt nach, und zwar hauptsächlich mit der Stossrichtung, die Weltmeere zu schützen. Schätzungen zufolge sollen in den Ozeanen bereits bis zu 140 Millionen Tonnen Plastik treiben, mit verheerenden Folgen für Fische und Vögel und auch für die menschliche Nahrungskette. Bis zu 85 Prozent des Mülls an europäischen Stränden sind nach EU-Angaben Plastik, die Hälfte davon Wegwerfprodukte zum einmaligen Gebrauch.

Was will die Kommission dagegen tun?

Sie nimmt mit ihrer Richtlinie gezielt die zehn Plastikprodukte ins Visier, die am häufigsten in diesem Strandmüll auftauchen. Verboten werden sollen Produkte, für die es Alternativen gibt: Einmalgeschirr und Besteck, Trinkhalme, Getränkerührstäbchen, Halter für Luftballons und Wattestäbchen.

Darüber hinaus nennt die Kommission Einmalprodukte, die nicht verboten, aber massiv zurückgedrängt werden sollen, darunter Verpackungen für Fastfood, Luftballons, Getränkeverpackungen und Deckel. Sie sollen künftig einheitliche Labels mit Hinweisen zur umweltfreundlichen Entsorgung tragen. Damit Deckel nicht durch die Landschaft fliegen, sollen sie künftig an Einwegflaschen oder -trinkbechern hängen bleiben. Hersteller von Chipstüten, Zigarettenfiltern und anderen häufig in der Umwelt gefundenen Produkten will die Kommission für Sammlung und für Infokampagnen zur Kasse bitten.

Die EU-Staaten sollen den Verbrauch durch nationale Ziele deckeln. Zudem sollen sie bis 2025 mindestens 90 Prozent der Einwegplastikflaschen getrennt sammeln, zum Beispiel mit Hilfe eines Einwegpfands, wie es in Deutschland schon 2003 eingeführt wurde. Für die Entsorgung zahlen sollen auch die Hersteller von Fischernetzen.

Hat die EU nicht auch eine Plastiksteuer vorgeschlagen?

Haushaltskommissar Günther Oettinger hat erst von einer Plastiksteuer gesprochen, dann aber eine andere Variante ins Gespräch gebracht: eine Abgabe, die die EU-Staaten für nicht verwertete Plastikabfälle an die EU abführen sollen. Oettinger spricht von 80 Cent pro Kilo. Das wäre ein Anreiz, mehr zu recyceln.

Ab wann sollen die Verbote gelten?

Das kann dauern. Zunächst ist es nur ein Vorschlag, der nun mit dem EU-Parlament und den EU-Staaten geklärt werden muss. Vor der Europawahl 2019 wird das knapp. Und weil es eine Richtlinie werden soll, müssen die EU-Staaten sie nach der Verabschiedung noch in eigene Gesetze giessen.

Bringt der Massnahmenkatalog denn etwas?

Greenpeace Schweiz äussert sich kritisch. «Die Meere und vor allem die Meerestiere sind dadurch noch lange nicht gerettet. Der Plan ist aber ein erster Schritt und die Schweiz muss unbedingt nachziehen», sagt Yves Zenger, Medienprecher bei Greenpeace Schweiz. «Greenpeace Schweiz fordert ein Verbot von Einweg-Plastik und die gleichzeitige Förderung von Mehrwegsystemen.» Ähnlich äussern sich die Grünen im Europaparlement: Der Ansatz mit dem Verbot bestimmter Produkte sei gut, reiche aber nicht. Entscheidend seien Reduzierung des Verpackungsmülls und höhere Recyclingquoten. Die Grünen fordern komplette Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen schon 2025, nicht erst 2030. Andersherum argumentiert das wirtschaftsnahe Centrum für Europäische Politik. Die Kommission schiesse mit den Verboten übers Ziel hinaus und schränke die Wahlfreiheit der Verbraucher ein. Infokampagnen, Pfandsysteme und notfalls lokale Verbote reichten aus, meint cep-Experte Moritz Bonn.

Welche Konsequenzen hätte das Verbot für die Schweiz?

Da die Schweiz nicht EU-Mitglied ist, ist sie nicht gezwungen, solche Richtlinien zu übernehmen. Heisst: Selbst wenn die Verbote in den EU-Staaten einst umgesetzt werden, bleibt offen, ob die Schweiz mitzieht und wir künftig tatsächlich auf Plastikmesser und Co. verzichten müssen.

Auch für Schweizer Kunststoffhersteller hätte ein solches Verbot keine Auswirkungen. «Einweg-Plastik wird in der Schweiz kaum hergestellt, sondern grösstenteils importiert», sagt Kurt Röschli. «Hierzulande wird auf die Produktion von hochwertigen Kunststoffprodukten gesetzt. Dazu gehören etwa Teile für die Automobilbranche, wie Stossstangen oder Türen».

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