Löwen, Elefanten, HyänenDiese Kinder haben den gefährlichsten Schulweg der Welt
AP/toko
11.8.2024 - 22:44
Vielen Jungen und Mädchen in dem Land im Süden Afrikas drohen gefährliche Begegnungen mit wilden Tieren. Jetzt lernen sie, wie sie Bedrohungen erkennen können.
AP/toko
11.08.2024, 22:44
11.08.2024, 22:45
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In der Save Valley Conservancy führt der Schulweg der Kinder auch durch Gebiete, die von Wildtieren bewohnt werden.
Mensch und Tier konkurrieren in dem Gebiet um die knapper werdenden Ressourcen.
Wildtiere rücken gefährlich nah an menschliche Siedlungen heran.
In der Schule steht deshalb das Thema Tierverhalten auf dem Lehrplan. Die Kinder sollen etwa lernen, Tierspuren und -geräusche zu unterscheiden, die Windrichtung zu bestimmen und wissen, wie und wann sie sich in Sicherheit bringen sollten.
Der Tag beginnt für die 14-jährige Esther Bote im Morgengrauen mit einer festen Routine. Sie putzt das Haus, macht Feuer, kocht, badet und zieht ihre grau-weisse Schuluniform an. Dann wird es Zeit für den gefährlichsten Teil: Von ihrem Zuhause am Rand eines Naturschutzgebiets im Südosten von Simbabwe muss die Jugendliche fünf Kilometer zur Schule laufen – durch Büsche und Wälder, in denen gefährliche Tiere lauern können.
Wie Esther gehen viele Kinder, manche von ihnen gerade einmal fünf Jahre alt, schnellen Schrittes durch dichte Wälder zur Schule und zurück, einige von ihnen an den Händen nur wenig älterer Geschwister oder Freunde. «Manchmal sehen wir Fussabdrücke von Tieren», sagt die 14-Jährige. «Wir sehen ihre Fussabdrücke und erkennen, dass die Elefanten noch in der Nähe sind.»
Mensch und Tier konkurrieren um Ressourcen
In dem feuchten, dichtbewaldeten Gebiet haben wiederholte Dürren infolge des natürlichen Wetterphänomens «El Niño» und des menschengemachten Klimawandels zu Nahrungsmittel- und Wasserknappheit geführt. Mensch und Tier konkurrieren um die Ressourcen.
Wildtiere rücken gefährlich nah an menschliche Siedlungen heran. Kinder müssen lernen, in dieser neuen Realität zu leben, ohne sich allzu grossen Risiken auszusetzen. In der Schule steht deshalb nun das Thema Tierverhalten auf dem Lehrplan.
Als Esther und ihre Freunde kürzlich auf dem Heimweg von der Schule Fussabdrücke von Elefanten entdeckten, meldeten sie dies einem Ranger. Die Tiere hatten einen Acker und einen Buschpfad überquert, die auf dem Schulweg der Jungen und Mädchen liegen. Wenige Tage zuvor war ein Kind beim Angriff eines Krokodils schwer verletzt worden.
«Wir gehen in Gruppen»
Obwohl bislang keine tödlichen Übergriffe gemeldet wurden, bleiben Esther und ihre Freunde vorsichtig. «Wir gehen normalerweise in Gruppen, um uns sicherer zu fühlen», sagt die 14-Jährige.
Das Programm zur Aufklärung der Schulkinder über die Gefahren wurde im vergangenen Jahr von dem privaten Schutzgebiet Save Valley Conservancy und der simbabwischen Parkbehörde gestartet. Dutzende Schülerinnen und Schüler wie Esther können jetzt Tierspuren und -geräusche unterscheiden, die Windrichtung bestimmen und wissen, wie und wann sie sich in Sicherheit bringen sollten.
«Kinder sind am stärksten betroffen. Sie sind diejenigen, die zur Schule gehen, die Wasser und Feuerholz holen», erklärt Dingani Masuku, der im Save Valley Conservancy für den Kontakt zu den Gemeinden zuständig ist. «Deshalb richten wir uns an Schulen, damit die Kinder wissen können, wie sich Tiere verhalten und was sie mit den Tieren tun sollen.» Ziel sei es, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, «das Tier nicht als Feind zu sehen, sondern als Nutzen für die Gemeinde, als etwas, das respektiert werden sollte».
Schulweg bis zu 15 Kilometern
An einem sonnigen Tag kürzlich nehmen mehr als zwei Dutzend Kinder der Chiyambiro-Schule an dem Unterricht im Freien teil. Eine 18-jährige Rangerin informiert sie über das Verhalten von Tieren und über Schutzmöglichkeiten.
«Nähert Euch einem Tier nicht. Wenn es ein Löwe ist, ist er auf die Suche nach Nahrung», erklärt sie. «Deswegen ist er im Ort. Er sucht nach einer einfachen Beute, und das könntet ihr sein.» Manche der Kinder haben einen Schulweg von bis zu 15 Kilometern, wie sie erzählen. Sie müssen sich vor Sonnenaufgang auf den Weg machen – und damit zu einer Zeit, zu der Raubtiere wie Hyänen noch auf Beutejagd sind.
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«Eltern haben aufgehört, ihre Kinder zur Schule zu schicken»
Ein Vertreter der Nationalparkbehörde klärt die Kinder über den Nutzen von Wildtieren für die Gemeinden auf, etwa mit Blick auf den Tourismus. Er verweist auch auf die Entstehung von Jobs für Einheimische, beispielsweise als Rangerinnen und Ranger. Der Dozent ermuntert die Schülerinnen und Schüler, diese Botschaft zu Hause weiterzugeben – denn viele Eltern betrachten Wildtiere entweder als Feinde oder als Nahrungsquelle.
Zugleich hoffen die Väter und Mütter, dass die Initiative zu mehr Sicherheit für ihre Kinder beiträgt, wie Alphonce Chimangaisu vom Entwicklungskomitee der Chiyambiro-Schule erläutert. «Manche Eltern haben aufgehört, ihre Kinder zur Schule zu schicken, weil sie nicht wissen, was passieren könnte», sagt er. Einige hätten sich durch das neue Programm umstimmen lassen. Die Parkbehörde denkt nun darüber nach, die Initiative auf ähnliche Gebiete im ganzen Land auszuweiten.
Für Esther hat das Training zwar die Gefahren nicht beseitigt, aber sie fühlt sich nun besser darauf vorbereitet, wie sie sagt: «Es ist hilfreich, dass wir jetzt viele Dinge über Tiere wissen, die wir vorher nicht wussten.»