In der Schweiz wird zu wenig gegen erhöhte Blutfettwerte unternommen, wie eine neue Studie nachweist. Die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfohlene Dosierung von Statinen wird nicht befolgt. Infolgedessen steigt das Herzinfarkt-Risiko.
Die Fachgesellschaften haben Leitlinien veröffentlicht, die zeigen, wann und in welcher Höhe Blutfett senkende Medikamente zu verabreichen sind. Eine Studie im Auftrag des Swiss Medical Board (SMB) hat die Verschreibung von Statinen in der Schweiz untersucht und festgestellt, dass die Leitlinien nur ungenügend befolgt werden. Die Studie wurde vor kurzem in der Zeitschrift «Swiss Medical Weekly» veröffentlicht.
Als eine der Ursachen für kardiovaskuläre Erkrankungen gilt die Erhöhung bestimmter Blutfettwerte, namentlich von LDL-Cholesterin. Für die Vorbeugung von kardiovaskulären Erkrankungen kommt deshalb unter anderem die Senkung des LDL-Spiegels in Frage. Dafür stehen mehrere Medikamente – sogenannte Lipidsenker – zur Verfügung. «Unter diesen sind Statine heutzutage die erste Wahl», schreibt das SMB in einer Mitteilung vom Mittwoch.
Der amerikanische Ansatz: Laissez-faire
Die 2016 vom ESC veröffentlichte Leitlinie, in deren Geltungsbereich auch die Schweiz fällt, sieht die Einteilung von Patienten in vier Risikokategorien vor, die von «gering» bis «sehr hoch» reichen. Abhängig davon definiert sie die geeignete Behandlungsstrategie, indem sie risikoabhängige Zielwerte für die LDL-Spiegel im Blut festgelegt.
Durch diesen Ansatz unterscheidet sich die ESC-Leitlinie von der US-amerikanischen Leitlinie, die 2013 vom American College of Cardiology (ACC) veröffentlicht wurde; die ACC-Leitlinie sieht ausdrücklich davon ab, LDL-Zielwerte festzulegen, da dies möglicherweise nur einen geringen Nutzen, jedoch auf jeden Fall zusätzliche Kosten verursache.
20 Millionen Rezepte überprüft
Vor diesem Hintergrund beschloss der Vorstand des Swiss Medical Board, die Art und Weise der Lipidsenkung in der Schweiz untersuchen zu lassen. Den Auftrag zu dieser Vertiefungsstudie erhielt das Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich. Es stützte sich dabei auf eine eigene, umfangreiche Datenbank (FIRE), für die rund 400 Hausärztinnen und -ärzte anonymisiert Aufzeichnungen von über 4.8 Millionen Konsultationen mit über 4.3 Millionen Laborwerten und mehr als 20 Millionen Medikamentenverordnungen zur Verfügung stellten.
Auf der Basis dieser Datenbank wurden 11'779 mit Statin behandelte Patienten analysiert. Obwohl bei 59 Prozent der Patienten ein hohes oder sehr hohes Risiko einer tödlichen Herz-Kreislauf-Krankheit bestand, erhielt die Mehrheit der Patienten keine hochintensive Statin-Behandlung, wie es die ESC-Leitlinie vorsehen würde und nur ein Drittel dieser Patienten erreichte die empfohlenen LDL-Zielwerte. Zudem waren die Werte der Frauen signifikant schlechter.
Herzinfarktrisiko kann gesenkt werden
Die Studienverfasser vermuten mehrere Gründe: Beispielsweise brechen 10 Prozent der Patienten die Statin-Behandlung wegen der Nebenwirkungen ab. Ein weiterer Anteil dürfte ganz einfach die Verordnung nicht korrekt befolgt haben.
«Die Studie zieht daraus den Schluss, dass das kardiovaskuläre Risiko in der Schweiz stärker gesenkt werden könnte und in diesem Bereich aktuell eine Unterversorgung vorliege», schreibt die ESC.
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