Fünf ungeklärte Todesfälle Seniorin (101) enttarnt «Horrorheim»-Betreiber und ist kurz danach tot

dpa/sda/afp/tafi

8.3.2019

Die inzwischen verstorbene Maria B. (Mitte) nimmt an einer Weihnachtsfeier im Heim Novo Sancti Petri teil. Zwei Menschen sind im Süden Spaniens aus einem privaten Pflegeheim befreit worden, das nach Angaben der Polizei einem «Horrorhaus» glich.
Die inzwischen verstorbene Maria B. (Mitte) nimmt an einer Weihnachtsfeier im Heim Novo Sancti Petri teil. Zwei Menschen sind im Süden Spaniens aus einem privaten Pflegeheim befreit worden, das nach Angaben der Polizei einem «Horrorhaus» glich.
DPA

In einem «Horrorhaus» in Spanien wurden Senioren monatelang eingesperrt, misshandelt und um ihr Vermögen betrogen. Fünf mutmassliche Opfer kamen ums Leben. Die Polizei nahm sechs verdächtige Personen fest.

Ein deutscher Rentner und eine niederländische Seniorin sind im Südwesten Spaniens aus ihrer Gefangenschaft in einem Pfelgeheim befreit worden. Die beiden seien offenbar Opfer eines deutsch-kubanischen Paares geworden, das sich mit älteren Menschen anfreundete, um sie auszurauben, teilte die Polizei in Cadíz am Donnerstag mit. Fünf weitere mutmassliche Opfer des Paares kamen unter ungeklärten Umständen zu Tode. Darunter eine 101-jährige Seniorin, die den Fall ins Rollen gebracht hatte.

Die spanische «Guardia Civil» fand drastische Worte für das Bild, das sich Ermittlern in einer Villa in der Nähe von Cádiz bot: Ein «Horrorhaus» sei das Seniorendomizil im andalusischen Chiclana gewesen, twitterte die Polizei empört, nachdem sie zwei Rentner – einen Deutschen und eine Niederländerin – von dort befreit hatte.

Sie befanden sich laut Polizei in einem «fürchterlichen Zustand». Die beiden alten Leute seien in zwei verschiedenen Räumen des «Horrorauses» eingesperrt gewesen. Sie hätten unter Medikamenteneinfluss gestanden und seien per Magensonde ernährt worden, obwohl dies nicht notwendig gewesen sei. In einem Pflegeheim habe sich ihr Zustand mittlerweile «merklich gebessert».

Über einen Zeitraum von vier Jahren sollen die Täter mehr als 1,8 Millionen Euro erbeutet haben. Sie wurden festgenommen. Ihnen wird Betrug, Misshandlung, Unterschlagung, Urkundenfälschung und Geldwäsche vorgeworfen.

«Schande» gegenüber «Wehrlosen»

In sozialen Netzwerken zeigten sich viele Spanier entsetzt: «Wie furchtbar! Hier muss es hohe Strafen geben», kommentierte eine Frau und bat die zuständigen Politiker um mehr Kontrollen in Altersheimen. Von «unerträglicher Barbarei» und einer «Schande» gegenüber «Wehrlosen» schrieben Nutzer und beschimpften die Festgenommenen.

Diese sollen in den vergangenen Jahren schutzlose ausländische Rentner um mindestens 1,8 Millionen Euro betrogen haben. Einige überlebten die Tortur nach spanischen Medienberichten nicht – so auch die Deutsche Maria B., die im Alter von 101 Jahren unter ungeklärten Umständen starb. «Ohne Familie in Spanien, mit Immobilienbesitz und einer interessanten Rente war sie das ideale Opfer», schrieb die spanische Zeitung «El Mundo».

Dieser Fall hatte den Stein erst ins Rollen gebracht: Maria B. habe bis 2015 in Frankfurt/Main gewohnt und sei dann nach Teneriffa umgezogen, sagte ein Sprecher der dortigen Polizei der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe aber lange Kontakt zu ihrer früheren Nachbarin in Deutschland gehalten – bis diese sie plötzlich nicht mehr erreichen konnte. Die Frau meldete Maria B. Ende 2017 als vermisst – und die Frankfurter Polizei bat die spanischen Kollegen um Hilfe bei der Lokalisierung der Seniorin.

Maria B. sitzt im Heim Novo Sancti Petri und trinkt ein Bier. Die Seniorin hatte die Polizei auf die Fährte der mutmasslichen Verbrecher gebracht, die sie und andere Rentner eingesperrt, gefoltert und um ihre Ersparnisse betrogen hatten.
Maria B. sitzt im Heim Novo Sancti Petri und trinkt ein Bier. Die Seniorin hatte die Polizei auf die Fährte der mutmasslichen Verbrecher gebracht, die sie und andere Rentner eingesperrt, gefoltert und um ihre Ersparnisse betrogen hatten.
DPA

Monatelang in Handschellen eingesperrt

Beamte fanden die betagte Dame schliesslich in schlimmem Zustand und holten sie aus dem «Horrorhaus», während die Ermittlungen aber weiterliefen. Maria B. wurde in eine andere Pflegeeinrichtung gebracht, wo sie sich langsam erholte. Die Greisin berichtete der Polizei, das deutsch-kubanische Paar habe an ihrem Wohnort auf der Kanaren-Insel Teneriffa ihr Vertrauen gewonnen und sie überredet, nach Cádiz umzusiedeln. Dort sei sie dann monatelang in Handschellen in einem Haus eingesperrt gewesen.

In einer Erklärung der Guardia Civil hiess es, die 101-Jährige habe im vergangenen Oktober mehr als 162'000 Euro auf der Bank gehabt. Nachdem sie das Paar kennengelernt habe, sei der Betrag auf ihrem Konto bis Mitte Dezember auf weniger als 300 Euro zusammengeschmolzen und ihr Haus auf Teneriffa verkauft worden, ohne dass sie einen Euro dafür erhalten habe.

Das deutsch-kubanische Paar soll Maria B. dann – wohl mit Hilfe einer gefälschten notariellen Vollmacht – aus dem Pflegeheim abgeholt haben. Kurz darauf war sie tot. «Sie verliess um 11 Uhr die Einrichtung. Um 16 Uhr teilte das Paar mit, die Frau sei bei ihnen im Auto gestorben. Ohne Zeugen», schrieb «El Mundo». Das Paar sorgte für eine schnelle Einäscherung, sodass keine Autopsie vorgenommen wurde.

Chiclana De La Frontera: «Villa Germania» steht an der Mauer eines privaten Pflegeheims, in dem mutmasslich mehrere Senioren gefangen gehalten wurden.
Chiclana De La Frontera: «Villa Germania» steht an der Mauer eines privaten Pflegeheims, in dem mutmasslich mehrere Senioren gefangen gehalten wurden.
Keystone

Verdächtige wollten mit Beute Hotelkomplex bauen

Bislang werden der Bande unter anderem Betrug an Privatpersonen, Misshandlung, Urkundenfälschung und Geldwäsche zur Last gelegt, wie die Polizei auf Anfrage mitteilte. Offenbar sollte mit den erbeuteten Geldern in El Palmar an der Costa de la Luz ein Hotel gebaut werden. Dafür sollen sie gefälschte Dokumente genutzt haben.

«Wer weiss, ob sich das Paar nicht noch für eine weitere Straftat verantworten muss – die des Mordes», kommentierte «El Mundo». Vier mutmassliche Komplizen, die dem Paar bei der Geldwäsche geholfen haben sollen, wurden ebenfalls festgenommen.

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