Toxische Männlichkeit Strafen in der Realität – Hass im Netz

Benedikt von Imhoff, dpa

4.3.2023

Andrew Tate (l.). und sein Bruder Tristan (r) werden am 1. Februar 2023 von Polizisten in Handschellen vor das Berufungsgericht in Bukarest gebracht.
Andrew Tate (l.). und sein Bruder Tristan (r) werden am 1. Februar 2023 von Polizisten in Handschellen vor das Berufungsgericht in Bukarest gebracht.
IMAGO/Alex Nicodim

Zwei Briten haben sich mit frauenverachtenden Aussagen und Clips eine große Gefolgschaft in den sozialen Medien aufgebaut. Nun haben Andrew Tate und Stephen Bear schwere Probleme mit der Justiz. Ihre vergifteten Botschaften aber bleiben im Netz.

Benedikt von Imhoff, dpa

Der Hilferuf einer Lehrerin zeigt, wie sehr das Problem verbreitet ist. Schulen sollten sich den Namen Andrew Tate merken, mahnte Kirsty Pole. Der Influencer, dessen Tiktok-Videos milliardenfach angeschaut wurden, sei «gefährlich, frauenverachtend und homophob», sagte Pole bereits vor einigen Monaten.

Für Tate – der bekannt ist für grossspuriges Auftreten mit dicker Zigarre, in Luxusvillen und mit teuren Autos, umgeben von knapp bekleideten Frauen – kippt die Lage derzeit. Seit Wochen sitzt er mit Bruder Tristan sowie zwei mutmasslichen Komplizen in Rumänien in Untersuchungshaft. Vorwurf: Sie hätten Frauen sexuell ausgebeutet. Seine Anwältin Tina Glandian weist die Vorwürfe zurück. Zu den sexistischen Aussagen und Clips des 36-Jährigen, die weiter im Netz zu finden sind, sagte sie, Tate spiele nur eine Rolle, das sei alles nicht ernst.

Beeinflussung durch soziale Medien

Doch Kritiker betonen, gerade soziale Medien wie Tiktok, in denen Kinder und Jugendliche in der Regel ungefiltert sexistische Aussagen wahrnehmen, seien gefährlich. Es gebe eine «potenzielle Radikalisierung junger männlicher Nutzer», sagte Andrea Simon von der britischen Initiative «End Violence Against Women» (zu Deutsch etwa: Beendet Gewalt gegen Frauen) bereits im vorigen Jahr der britischen Zeitung «Guardian».

Hannah Ruschen von der Kinderschutzorganisation NSPCC betonte: «Das Betrachten solcher Materialien in jungen Jahren kann die Erfahrungen und Einstellungen eines Kindes prägen, was zu weiterem Schaden für Frauen und Mädchen in und ausserhalb der Schule und online führt.»

Bei Tate kommen enge Beziehungen zu Neonazis, Islamhassern und Verschwörungstheoretikern hinzu, wie Beobachter warnen. Auch Reality-TV-Formate böten eine gefährliche Bühne für Frauenhasser, warnte Teresa Parker von der Organisation Women's Aid. «Wenn Männer auf dem Bildschirm frauenfeindlich sind und dies als akzeptabel oder lustig angesehen wird, bestätigt und fördert dies ein ähnliches Verhalten ausserhalb des Bildschirms», sagte Parker jüngst der Zeitung «Metro».

Zudem seien radikale Mitwirkende wie Tate oder auch der Brite Stephen Bear nötig, weil die Sender mit immer kontroverserem Verhalten nach Aufmerksamkeit suchten.

Sexvideo von Ex-Freundin auf Twitter veröffentlicht

Bear wurde ebenfalls mit Reality-TV bekannt, er gewann 2016 die TV-Show «Celebrity Big Brother» und nahm anschliessend an einer Reihe anderer Formate teil. Schon damals fiel der heute 33-Jährige mit sexistischen Sprüchen auf. Auf seinem Twitter-Profil hat er ein Video festgepinnt, das ihn beim Oralsex mit seiner aktuellen Partnerin zeigt.

Wie egal ihm die Gefühle anderer zu sein scheinen, zeigte er, als er 2020 den einvernehmlichen Sex mit seiner Ex-Freundin filmte – ohne deren Wissen. Obwohl ihn die Frau bat, die Aufnahme zu löschen, lud er das Video auf der Online-Plattform OnlyFans hoch, wo er damit 40'000 Pfund (gut 45'200 Franken) einfuhr.

Mit Pelzmantel vor Gericht

Doch die Betrogene schwieg nicht. Stattdessen machte Georgia Harrison den Fall öffentlich und liess dafür die ihr zustehende Anonymität fallen. Sie wolle anderen Opfern von sogenannten Rachepornos Mut machen, Gerechtigkeit zu suchen und zeigen, dass sie sich «für absolut nichts zu schämen haben», begründete die 28-Jährige ihren Vorstoss.

Bear wurde schuldig gesprochen und am Freitag zu 21 Monaten Haft verurteilt. Noch vor Gericht präsentierte er sich exzentrisch mit Pelzmantel und vergoldetem Knauf am Gehstock, liess sich in einer Limousine vorfahren. Bear zeige keine Reue, kritisierte der Richter am Gericht in Chelmsford. Wie zur Bestätigung grüsste der Influencer nach seiner Verurteilung in den Saal: «Geniesst das Wochenende!»