417 km/h auf der AutobahnDie deutsche Polizei ermittelt wegen eines «Alleinrennens»
Von Oliver Kohlmaier
8.2.2022
Mit 417 km/h rast ein tschechischer Multimillionär nachts auf einer Autobahn in Deutschland — es gibt schliesslich kein Tempolimit. Warum die Polizei nun trotzdem Ermittlungen aufnimmt.
Von Oliver Kohlmaier
08.02.2022, 15:53
08.02.2022, 16:16
Oliver Kohlmaier
417 Kilometer pro Stunde: Diese Geschwindigkeit dürfte wohl auch im Motorsport eine Meldung wert sein. Erreicht wurde dieses Tempo allerdings von einem tschechischen Multimillionär — auf einer öffentlichen Autobahn in Deutschland.
Ein Video der Wahnsinnsfahrt stellte Radim Passer vor zwei Wochen ins Netz und trat damit eine Welle der Empörung los. Eine solche Geschwindigkeit sei verantwortungslos, hiess es umgehend von der Polizei. Auch das Bundesverkehrsministerium äusserte sich, das Verhalten werde «abgelehnt».
Umgehende Konsequenzen jedoch blieben aus. Auf deutschen Autobahnen gilt kein Tempolimit. Auch auf dem im Video gezeigten Streckenabschnitt auf der Autobahn A2 zwischen Berlin und Hannover gilt nach Polizeiangaben keine Geschwindigkeitsbegrenzung.
So sah es im Fall des Immobilienmoguls aus Tschechien zunächst so aus, als ob den Behörden für eine Strafverfolgung die Handhabe fehlt.
Illegales Rennen allein?
Nun hat die Polizei des Bundeslandes Sachsen-Anhalt doch Ermittlungen gegen den Mann eingeleitet — wegen eines mutmasslichen illegalen Strassenrennens. Dies teilte eine Sprecherin am Montag in Magdeburg mit. Die Staatsanwaltschaft werde den Fall nun prüfen.
Trotz fehlender Obergrenze kommt es in Deutschland gelegentlich zu Verfahren wegen Raserei auch auf Autobahnen. Häufig geht es dabei um die verbotenen «Kraftfahrzeugrennen».
An solchen sind meist mindestens zwei Fahrzeuge beteiligt, aber auch dem Einzelnen können Ermittlungen drohen. Denn nach dem deutschen Strafgesetzbuch kann ein sogenanntes Alleinrennen ebenso strafbar sein.
Ein solches liegt vor, wenn sich der Fahrer «mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen».
In der Strassenverkehrsordnung heisst es zudem: «Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird.»
Ob dieses bei über 400 Kilometern in der Stunde «ständig beherrscht» werden kann, steht nun also möglicherweise im Mittelpunkt der Ermittlungen.
Diese Strafen drohen
Bei der nächtlichen Fahrt des Radim Passer kam glücklicherweise niemand zu Schaden. Jedoch kann auch die potenzielle Gefährdung von Personen straftrechtliche Konsequenzen haben.
Wer in Deutschland aufgrund eines illegalen Autorennens verurteilt wird, verliert in der Regel die Fahrerlaubnis und kann mit einer Geldbusse oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilt werden.
Sollten Menschen oder Gegenstände von bedeutendem Wert gefährdet werden, droht bei Fahrlässigkeit eine Geldbusse oder Gefängnis bis zu drei Jahre, bei Vorsatz bis zu fünf Jahre. Zudem können Lenker*innen mit Freiheitsstrafen von fünf bis zehn Jahren verurteilt werden, wenn Menschen schwer verletzt oder getötet werden.
Streit um Tempolimit
Die Nachricht des mutmasslichen Geschwindigkeitsrekords auf öffentlichen Strassen sorgte auch auch ausserhalb Deutschlands für Aufsehen.
Einmal mehr erhielt die bekannte und mitunter romantisierte Vorstellung von der scheinbar grenzenlosen Freiheit auf den deutschen Autobahnen neue Nahrung. Radim Passer wurde von Petrolheads weltweit gefeiert — und verteidigt.
In Deutschland brach eine Welle der Empörung los, ausserdem eine erneute Diskussion um das Tempolimit.
Seit Jahren schon tobt dort ein erbitterter Streit um die Obergrenze auf den Autobahnen, auch in den Koalitionsverhandlungen der Ampel-Regierung ein Knackpunkt.
Durch den Fall des tschechischen Millionärs bekam die Debatte neuen Schub. Denn die Sicherheit auf deutschen Strassen wird zwar häufig angeführt — im Mittelpunkt steht jedoch meist der Klimaschutz.
Ob Radim Passer rechtliche Konsequenzen drohen, ist ungewiss. Denn auch eine rücksichtslose Fahrweise muss schliesslich nachgewiesen werden.
Der Immobilienmogul wehrt sich erbittert gegen die Vorwürfe. So habe etwa die Sicht während der Fahrt im Juli vergangenen Jahres bei 3 bis 4 Kilometern gelegen, um 4.50 Uhr morgens seien zudem kaum andere Autos unterwegs gewesen – und wenn doch, dann lediglich auf der rechten Spur.