Quiz, Glosse, gute LauneWarum uns das Jugendwort des Jahres nur gefühlt alt aussehen lässt
Philipp Dahm
14.11.2018
Jedes Jahr das Gleiche: Bei der Vorauswahl zum Jugendwort des Jahres freut sich unsereins ja schon, wenn man ein Viertel der Begriffe erahnen kann. Grund genug für ein Quiz und ein Loblied.
Die stetige Suche nach dem Jugendwort des Jahres führt den Erwachsenen immer wieder auf Neue vor Augen, a) wie kreativ der Nachwuchs bei Neuschöpfungen ist, b) wie biiiiiiiiiiig Englisch geworden ist und c) wie unendlich alt und peinlich unwissend man ist, seit man den 20ern entwuchs.
Dieses Jahr macht keine Ausnahme. 30 Vorschläge stehen zur engeren Wahl; am 16. November wird verkündet, welcher sich davon durchsetzt. Elf knifflige Kandidaten haben wir als Quiz aufbereitet:
Dass es sich im Unterschied zum Schweizer Pendant um eine deutsche Wort-Wahl handelt, zeigt sich an den Kandidaten, die im Rennen sind. So ist es an der Nachwuchsfraktion der FDP in Kooperation mit der Partei-Propaganda, ihren Vorsitzenden in der Abstimmung zu verewigen. Das Verb «lindern» besagt demnach, dass man etwas lieber nicht macht, als es falsch zu machen. Das war auch die Botschaft, mit der FDP-Mann Christian Lindner 2017 jene Koalitionsverhandlungen in Berlin platzen liess.
Würde «lindnern» das deutsche Jugendwort, wäre das wie der totale PR-Sieg: Während heutzutage der eine oder andere den Spruch als faule Ausrede und stabsmässig geplanten PR-Schachzug sieht, wird die Sache sprachlich für die Folge-Generation als Tugend umgedeutet. Eher Deutsch sind noch zwei andere Begriffe – aus dem Türkischen. Das mag erst verwirren, zeigt dann aber, dass sich die Kulturen bei allen etwaigen Integrationsproblemen auch befruchten.
Türkisch wird Deutsch und alt wieder jung
«Koçum» etwa hat im Sinne von «Mein Bester/Buddy/Kumpel» Eingang in Alltagssprache und Wort-Wahl gefunden: «Koç» ist im Türkischen der Schafbock oder Widder, «um» die Possessivendung – und weil keine Dame besitzergreifende Böcke mag, sagt man das auch nur zu Männern. Unter dem Kandidaten «Lan» versteht man hingegen in Istanbul so viel wie Typ, Macker, Alter. Auf Berliner Schulhöfen wird es jedoch als Ersatz für «krass» benutzt.
Es geht aber auch einfacher. Gemeint sind jene Jungworte, die man sich herleiten kann. «Appler», der Apple-Angeber, oder «Besti», die beste Freundin, gehören dazu. «Einwrappen», «verbuggt» oder «Glucose-haltig» erklären sich sogar mir noch – und mit etwas Fantasie findet man auch heraus, wer ein «Snackosaurus» ist oder wann man einen «Screenitus» hat.
Es kommt aber noch besser, ihr Mit-Methusalems: Es gibt antik gewordene Ausdrücke, denen ein Revival neues Leben einhaucht. Worte wie «wack», «rant» oder «verbuggt» sind nicht jung, dafür aber wohl wieder jugendlich. Bei Kandidaten wie «Ehrenmann» beziehungsweise «Ehrenfrau» oder der Anfeuerung «Gib ihm» kommt sogar Grosi noch mit.
Sprache versteht sich
Und die Generationen lernen voneinander: Mit Abkürzungen à la «lmgtfy» setzt die Jugend Trends, die morgen Allgemeingut sind. LOL! Was die Buchstaben heissen? Let me google that for you (Gsdüabg: Googeln Sie die Übersetzung am besten grad selbst).
Fehlt noch was im Worte-Warenkorb? Ja, der «Gymkie» (Fitness-Junkie) und der Glaube, dass wirklich viele junge Menschen den Begriff «Borderitis» benutzen, wenn Sie ihrer Abneigung gegen Grenzen Geltung verschaffen wollen. Landesgrenzen wohlgemerkt – dass gesellschaftliche Schranken nicht gemeint sein können, wird beim Kandidaten «boyfriend/girlfriend-Material» klar: Die konsequente Kapitalisierung der Gesellschaft macht auch vor der Liebes-Ware-Sprache nicht halt.
Fazit: Weil alt das neue jung ist und umgekehrt, weil Kulturen verschmelzend die Borderitis überwinden, weil ranten eh mega wack ist und der Autor dieser Zeilen am Screenitus zu verbuggen droht, ist das altern bloss gefühlt. Was bleibt: ein Loblied auf die Sprache zu singen! Ihnen ein herzliches Dankeschön – oder wie die Jugend sagt: «Ich küss dein Auge.»
Die Story mit dem Auge erinnert an die schönsten Filmküsse der Geschichte:
Liebe lebt von zärtlichen Worten und Taten: Die Galerie präsentiert die schönsten Lippenbekenntnisse aus Kinoklassikern - passend zum Weltkusstag am 6. Juli.
Bild: Keystone, , Fox
Platz 20: Küssen muss nicht zwingend eine todernste Angelegenheit sein - es geht auch mit Humor. Vor allem, wenn Komödienspezialist Billy Wilder im Spiel ist. Dolores Rosedales und Tom Ewells passionierter Nahkampf im Sand in «Das verflixte 7. Jahr» (1955) ist eine Parodie auf eine andere berühmte Kussszene der Filmgeschichte: die aus dem Militärdrama «Verdammt in alle Ewigkeit» (1953).
Bild: Getty Images
Platz 19: Das US-Remake des Nouvelle-Vague-Klassikers «Ausser Atem» (1960) wäre wahrscheinlich längst in Vergessenheit geraten, hätten Richard Gere und Valerie Kaprisky in «Breathless» (1983) nicht diese ebenso akrobatische wie anmutige Kussszene gedreht.
Bild: Keystone/Getty Images
Platz 18: Alfred Hitchcock verstand sich nicht nur auf Hochspannungsszenen, sondern auch auf die perfekte Inszenierung romantischer Zweisamkeit. In «Berüchtigt» (1946) fiel ihm das besonders leicht: Mit Cary Grant und Ingrid Bergman standen zwei der schönsten Leinwandstars ihrer Zeit vor seiner Kamera.
Bild: Hulton Archive/Getty Images
Platz 17: Spuckefäden und feuchte Zungenspiele in Nahaufnahme sind vielleicht nicht jedermanns Sache. Skandalregisseur Gaspar Noé wollte die Liebe aber eben unverkitscht und körperlich in Szene setzen. Das ist ihm in seinem Kunstporno «Love» (2015) auf beachtliche Weise gelungen.
Bild: Alamode
Platz 16: Im französischen Kritikerliebling des Jahres 2012, «Blau ist eine warme Farbe», stürzen sich Adèle Exarchopoulos (links) und Léa Seydoux in eine Affäre ohne Hoffnung. Zärtlich, anrührend, leidenschaftlich und tragisch.
Bild: Alamode
Platz 15: Das letzte Rätsel der Menschheit ist seit Martin Brests Fantasy-Schmachtdrama «Rendezvous mit Joe Black» (1998) gelöst. Der Tod ist ein charmanter Mann mit blendend weissen Zähnen und den Gesichtszügen von Brad Pitt. Ungezählte Stossseufzer hallten durch die Kinos, als Claire Forlani die Lippen des verliebten Sensenmanns berührte.
Bild: Liaison
Platz 14: Zwei wunderschöne Menschen, selbstvergessen vor lauter Leidenschaft im Platzregen der Liebe: Natürlich wurden Hugh Jackman und Nicole Kidman am Ende von Baz Luhrmans Monumentalromanze «Australia» (2008) ein Paar. Und wie!
Bild: Fox
Platz 13: Im sonnendurchfluteten Thriller «Der Swimmingpool» (1969) spielten die Ex-Partner Alain Delon und Romy Schneider Szenen ihres vergangenen Liebesglücks nach. Knisternde Erotik in patschnassen Badetextilien. L'amour!
Bild: Concorde
Platz 12: Mystery mit Mundkontakt: Laura Harring (links) verführt in «Mulholland Drive» (2001) als rätselhafte Fremde erst Naomi Watts und knutscht später wild enthemmt mit Melissa George (rechts). Die Inszenierung ist wie immer bei David Lynch hochgradig voyeuristisch. Und hochgradig wirkungsvoll.
Bild: Concorde
Platz 11: Nanu, wer küsst denn da Charlton Heston? Es ist Kim Hunter, die im Schimpansenfell als Dr. Zira in «Planet der Affen» (1968) zarte Bande zur menschlichen Spezies knüpft. Affig? Nein, episch!
Bild: teleschau / Archiv
Platz 10: Wenn die Liebe kopfsteht ... Tobey Maguire und Kirsten Dunst liessen die Romantikfans im ersten «Spider-Man»-Film von Sam Raimi (2002) nicht hängen. Hinreissend schön anzuschauen, eine Tortur beim Dreh: Hauptdarsteller Maguire lief fortwährend der Regen in die Nase.
Bild: Sony
Platz 9: Küss mich, Cowboy! Jake Gyllenhaal (links) und Heath Ledger zeigten in Ang Lees Oscarerfolg «Brokeback Mountain» (2005), was Männerliebe wörtlich bedeutet. Ein grosser Tabubruch und ein grosses, ergreifendes Drama.
Bild: Tobis
Platz 8: Cary Grant bezeichnete Grace Kelly einst als seine Lieblingsdarstellerin. «Sie verfügte über Gelassenheit», sagte er über seine Drehpartnerin aus Hitchcocks «Über den Dächern von Nizza» (1955). Das wirkte sich offenbar sehr vorteilhaft auf einen der schönsten Filmküsse aller Zeiten aus.
Bild: Paramount
Platz 7: Fraglos einer der intimsten bilabialen Filmmomente und gewiss kein gefakter Kuss. Als Nicole Kidman und Tom Cruise in «Eyes Wide Shut» (1999) den Körperkontakt suchten, waren die beiden miteinander verheiratet. Und einzig Regisseur Stanley Kubrick befand sich beim Dreh mit ihnen im Raum.
Bild: Getty Images
Platz 6: «Ich schau' Dir in die Augen, Kleines» - selten waren Liebende so cool wie Humphrey Bogart als Rick und Ingrid Bergman als Ilsa in «Casablanca» (1942). Die berühmte Kussszene ist trotzdem - oder gerade deswegen - zum Dahinschmelzen.
Bild: ARD / Degeto
Platz 5: Am Ende des turbulenten Klassikers «Frühstück bei Tiffany» (1961) liegen sich George Peppard und Audrey Hepburn doch noch in den Armen. Dazu auch hier ein sehr beliebtes Knutschambiente: prasselnder Regen.
Bild: ARD / Degeto
Platz 4: Es gibt nie eine zweite Chance für die erste Liebe ... Millionen zumeist erwachsener Kinobesucher brach diese Erkenntnis das Herz. Anna Chlumsky und «Kevin allein zu Haus»-Darsteller Macaulay Culkin transportierten sie in «My Girl» (1991) auch einfach zu herzig.
Bild: Sony
Platz 3: Wollte man den idealen Filmkuss in Bronze giessen, so sähe er wahrscheinlich aus. Clark Gable und Vivien Leigh in «Vom Winde verweht» (1939) gelten eben nicht von ungefähr als Leinwandtraumpaar schlechthin.
Bild: Metro-Goldwyn-Mayer
Platz 2: Ein Wunder, dass der Eisberg, welcher der «Titanic» zum Verhängnis wurde, nicht geschmolzen ist im Angesicht dieser Liebenden ... Kate Winslet und Leonardo DiCaprio knutschten sich 1997 wechselseitig in eine Weltkarriere.
Bild: Fox
Platz 1: Zum Ende ein Abschiedskuss! Als der knuffige Ausserirdische «E.T.» (1982) in die Heimat zurück will, drückt Drew Barrymore ihm einen Schmatzer auf die Aliennase - und jedem, der kein Herz aus Stein hat, kräftig auf die Tränendrüse. Für uns der schönste Filmkuss aller Zeiten.
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