Fortschritt Warum US-Ermittler gerade einen Cold Case nach dem anderen lösen

phi

25.6.2019

DNA-Test im Labor: Der Fortschritt gibt Ermittlern neue Mittel in die Hand.
DNA-Test im Labor: Der Fortschritt gibt Ermittlern neue Mittel in die Hand.
Bild: Keystone

Die Fälle liegen zum Teil Jahrzehnte zurück, Beweise gibt es kaum. Dennoch hat die US-Polizei und 60 Cold Cases klären können – dank der Technik und mithilfe von Angehörigen, die unbewusst Familienmitglieder verpfeifen.

«Ermittler lösen Cold Case aus den 70er Jahren», titelt der US-Sender «CBS» im Februar. «ABC» rapportiert Anfang März: «Einer junge Frau, die vor Jahrzehnten ermordet wurde, könnte endlich Gerechtigkeit widerfahren». Und «NBC» berichtet im Mai über einen «Polizeichef aus Indiana, der einen vor 47 Jahren begangenen Mord gelöst hat – er ging ein grosses Risiko ein, um den Killer zu finden».

Solche Meldungen sind seit geraumer Zeit also keine Seltenheit: Wer in den USA ein Kapitalverbrechen begangen hat und sich nach Jahren ohne Entdeckung sicher fühlt, hat die Rechnung ohne den Fortschritt gemacht. Taten, die mitunter Jahrzehnte zurückliegen, werden aufgeklärt, obwohl die Fälle zum Teil doch als unlösbar galten. Rund 60 der Cold Cases konnten US-Behörden auf diesem Weg abschliessen, schreibt die «Welt».

Von den Genen der Familie verraten

Was die Ermittler so erfolgreich macht, ist etwa der Wunsch des Menschen, seine Wurzeln zu finden: In den USA boomt das Geschäft mit DNA-Tests, mit denen Anbieter wie Anchestry, FamilyTree oder MyHeritage die Herkunft ihrer Kunden aufklären wollen. Und der Täter muss noch nicht einmal selbst seine Speichelprobe abgeben, um ins Visier der Fahnder zu geraten.

Wie das geht? Ein Beispiel: Der Onkel eines Täters hat sich bei einem der Portale angemeldet und seine DNA-Probe eingesandt. Spuren von einem Tatort werden mit Gen-Datenbanken abgeglichen, wobei eine Ähnlichkeit zu der Speichelprobe des Onkels auffällt. Nun suchen die Fahnder den Stammbaum des Onkels nach Personen ab, die vom Geschlecht, Alter oder Wohnort her zum Fall passen.

Ermittler vor einem Haus in Citrus Heights, Kalifornien: Hier hat die Polizei am 25. April 2018 ...
Ermittler vor einem Haus in Citrus Heights, Kalifornien: Hier hat die Polizei am 25. April 2018 ...
Bild: Keystone

Auf diesem Wege konnte der berüchtigte «Golden State Killer» gefasst werden, der zwischen 1976 und 1986 mindestens zwölf Morde begangen, 45 Frauen vergewaltigt und 120 Einbrüche begangen haben soll. Ein Gen-Abgleich führte die Polizei zu entfernten Cousins des mutmasslichen Täters, deren Stammbäume sie rekonstruierten, bis sie einen Verdächtigen ausmachen konnten.

Problemfall Datenschutz

Sie observierten den Mann, holten sich seine benutzte Serviette, verglichen die genetischen Spuren – und griffen zu. Dass die Ermittler Joseph James DeAngelo auf anderem Weg gefunden hätten, muss bezweifelt werden: Der Mann, der inzwischen 73 Jahre alt ist und im Rollstuhl sitzt, war früher selbst Polizist.

... den früheren Polizisten Joseph James DeAngelo, den sie für den Golden State Killer hält.
... den früheren Polizisten Joseph James DeAngelo, den sie für den Golden State Killer hält.
Bild: Keystone

Die jüngsten Fahndungserfolge haben aber auch ihre Schattenseite: Mit dem Datenschutz halten es viele Anbieter von DNA-Tests nicht so genau. Sie verkaufen mitunter sogar die Daten der Kunden – und selbst wenn es «nur» die Polizei ist, die Informationen bekommt, stellt sich die Frage nach der Verhältnismässigkeit: Ein begangener Ladendiebstahl sollte kein Anlass für einen DNA-Abgleich sein.

Sollte DeAngelo verurteilt werden, droht ihm gar die Todesstrafe.
Sollte DeAngelo verurteilt werden, droht ihm gar die Todesstrafe.

Viele Amerikaner dürften sich nicht im Klaren darüber sein, dass sie mit ihrer Suche nach Verwandten unbeabsichtigt einen Angehörigen ans Messer liefern könnten. Der Beliebtheit genealogischer Dienste tut das aber keinen Abbruch: Sage und schreibe 26 Millionen US-Bürger haben das Angebot von Anchestry und Co bereits in Anspruch genommen.

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