Hurrikan «Ida» Wenn für die Flucht weder Geld noch Benzin da ist

Von Lea Willingham, AP

31.8.2021 - 00:00

Unzählige Menschen in Louisiana hörten auf die Warnungen vor einem der stärksten Wirbelstürme in der US-Geschichte und brachten sich in Sicherheit. Robert Owens und seine Angehörigen mussten aber bleiben. Denn ihnen fehlte etwas Wichtiges.

Von Lea Willingham, AP

Robert Owens fühlte sich niedergeschlagen und hilflos. Mit bangem Blick beobachtete der 27-Jährige tagelang riesige Autoschlangen, die sich aus Louisianas Hauptstadt Baton Rouge wanden. Die Leute wollten nichts wie weg vor Hurrikan «Ida», der am Sonntag auf Land traf, zahlreiche Küstenorte überflutete und massive Schäden anrichtete. Doch Owens, seiner Frau, seiner Schwiegermutter, einem Mitbewohner und ihren vier Haustieren blieb nichts anderes übrig als auszuharren. Denn für die Flucht hätten sie Geld und ein Hotelzimmer gebraucht. Sie hatten aber weder das eine noch das andere. «Unser Bankkonto ist leer – wir können es uns nicht leisten, abzuhauen», klagte Owens.

In seiner Verzweiflung ging er am Samstag zu einem Finanzinstitut und legte Dokumente für einen Kurzzeitkredit vor. Der wurde ihm verwehrt. Seine Bonitätsgeschichte sei zu lückenhaft, sagte man ihm. Am Sonntag war dann klar, dass Owens und seine Familie einen der gewaltigsten Hurrikans in der Geschichte der USA würden aussitzen müssen.



Vor «Idas» Eintreffen legte Owens noch schnell Handtücher unter undichte Fenster im Haus und lud elektronische Geräte auf. In Gemischtwarenläden habe er noch Lebensmittel zu besorgen versucht, doch seien sie schon geschlossen gewesen, sagte er. Wenn der Sturm tobe, wollten sie sich im Wäscheraum oder in der Küche verstecken – dort gebe es keine Fenster.

«Werden wir noch am Leben sein?»

«Es herrscht ein allgemeines Gefühl der Furcht, nicht zu wissen, was die Folgen des Ganzen sein werden», schilderte Owens. «Was werden wir etwa machen, wenn es wirklich schlimm wird? Werden wir noch am Leben sein? Wird ein Baum auf uns fallen?»

Als es dann so weit war, habe es sich manchmal so angehört, als ob der Sturm das Hausdach abdecken würde, berichtete Owens. Für den Notfall habe seine Frau eine Tasche mit Kleidung und notwendigen Artikeln gepackt. Hätten sie das Haus verloren, hätten sie Schutz im Auto gesucht, sagte er. Im Toyota Avalon seiner Frau hätten vier Menschen, drei Hunde und eine Katze aber nicht alle Platz gefunden.

Am Sonntagabend (Ortszeit) sei bei seiner Familie und anderen im Viertel der Strom ausgefallen, sagte Owens. Mehr als eine Million weitere Kunden in Louisiana sassen in der Nacht zum Montag ebenfalls im Dunkeln, wie die Webseite PowerOutage.US meldete, die landesweit Ausfälle registriert. Ringsrum seien durch «Ida» Transformatoren hochgegangen, wodurch der Abendhimmel grün aufgeleuchtet sei.

Etliche Bäume waren auf Grundstücke von Nachbarn gekracht. Doch war es noch zu dunkel, um das ganze Ausmass der Schäden sehen zu können. Sie hätten mithilfe einer Taschenlampe die Strasse begutachten wollen, aber Angst gehabt, ihre Sicherheit zu gefährden. «In meinem Leben ist mir noch nie etwas solch Grosses begegnet», sagte Owens, während gewaltige Böen an den Fenstern seines Hauses rüttelten.

Kein Sparkonto für die Flucht

Wie ihm und seinen Angehörigen erging es vielen im Viertel. Die Anwohner könnten nichts weiteres tun, als in ihren Apartments zu kauern, ohne zu wissen, wie schlimm es werde, sagte Owens. «Es gibt Leute, die Mittel haben, auf die sie sich verlassen können, um hier rauszukommen, aber viele Leute mit niedrigerem Einkommen haben eben kein Sparkonto, auf das sie zurückgreifen können», fügte er hinzu. «Wir werden zurückgelassen.»

Seine Schwiegermutter sei körperlich eingeschränkt. Sein Mitbewohner und seine Frau seien für ihre Jobs auf das Internet angewiesen. Wenn das ausfalle, könnten sie auch kein Geld verdienen. «Wir könnten dann ohne Arbeit sein, und die Miete, der Strom, das Wasser und all diese Rechnungen müssten noch immer bezahlt werden.» Sie sorgten sich, die Versorgung oder gar das Haus – sofern es noch stehe – zu verlieren.

Es sei hart, derart verwundbar zu sein. «Die Tatsache, dass wir nicht der Mittelschicht oder etwas Höherem angehören, rächt sich bei uns immer wieder, auf so viele verschiedene Weisen und Richtungen – ein simpler Tageskredit gehört dazu», klagte Owens. «Es ist so, als ob wir dafür zahlen müssen, arm zu sein, obwohl wir versuchen, nicht arm zu sein.»