Raketenforscher und Ex-Nazi Wernher von Brauns Tochter rechtfertigt NS-Laufbahn des Vaters

AFP

19.7.2019

Wernher von Braun, hier vor dem Start der Apollo-11-Mission, leitete das Team mit vielen deutschen Wissenschaftlern, das in Huntsville in den 1960er Jahren die Entwicklung der US-Mondraketen vorantrieb.
Wernher von Braun, hier vor dem Start der Apollo-11-Mission, leitete das Team mit vielen deutschen Wissenschaftlern, das in Huntsville in den 1960er Jahren die Entwicklung der US-Mondraketen vorantrieb.
NASA / Archiv

Raketenforscher und Ex-Nazi: Wernher von Brauns Tochter Tochter Margrit hat die NS-Vergangenheit ihres Vaters gerechtfertigt.

Wenn Margrit von Braun an ihre Kindheit denkt, bedauert sie vor allem eines: Ihren Vater, den berühmten deutschen Raketenforscher Wernher von Braun, nicht intensiver nach seinen Erinnerungen an den Start der Apollo-11-Mission vor 50 Jahren gefragt zu haben. Schweigen herrschte in der Familie nach deren Übersiedlung in die USA jedoch auch über ein anderes Thema: Die Nazi-Vergangenheit des Vaters.

«Als Kind war er für mich einfach mein Vater», sagt Margrit von Braun. Sie wurde in Huntsville im US-Bundesstaat Alabama geboren, wo ihr 1977 verstorbener Vater jahrzehntelang als Held verehrt wurde. «Als Erwachsene frage ich mich rückblickend oft, warum haben wir nicht besser aufgepasst, ein Tagebuch geführt oder Notizen gemacht?»

Margrit von Braun, Tochter Wernher von Brauns, sprach über die NS-Vergangenheit ihres Vaters. 
Margrit von Braun, Tochter Wernher von Brauns, sprach über die NS-Vergangenheit ihres Vaters. 
Archiv

Ganz normale Kindheit

Nach dem Zweiten Weltkrieg rissen sich die Siegermächte USA und Sowjetunion um deutschen Forscher wie Wernher von Braun, die für Adolf Hitler die Kriegsrakete V2 entwickelt hatten. Im September 1945 wurden sie, zunächst ohne ihre Familien, in die USA gebracht. 1950 kamen sie schliesslich in die damals noch bäuerlich geprägte Kleinstadt Huntsville. Die US-Armee baute dort ein Zentrum zur Entwicklung von Raketen auf.

Die Deutschen fanden sich rasch zurecht. Margrit von Braun wurde 1952 geboren, acht Jahre später wurde das Raketenzentrum der US-Raumfahrtbehörde Nasa übergeben. Ihr Vater wurde Leiter des neuen Marshall Space Flight Center.

Als der lange Wettlauf zum Mond begann

Dennoch veränderte sich ihr Leben dadurch kaum, erzählt sie. «Ich hatte eine ganz normale Kindheit, als ich aufwuchs.» Die Familie lebte in einem vorwiegend von gebürtigen Deutschen bewohnten Viertel von Huntsville. Zuhause sei sowohl Deutsch als auch Englisch gesprochen worden, sagt Margrit von Braun. Dennoch habe sie sich nie als «Deutsch-Amerikanerin» bezeichnet. «Ich habe mich immer zuerst als Amerikanerin verstanden.»

Für das Studium verliess sie Huntsville. Die vergangenen 42 Jahre lebte sie in Idaho, wo sie Professorin für Umweltwissenschaften wurde. Zuletzt kehrte sie aber häufiger für Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestags der ersten Mondlandung zurück.

«Mein eigener Lebenslauf war geerdeter, während mein Vater klar über die Erde hinaus ging und sich dafür interessierte, andere Planeten zu erreichen.» Deshalb wäre er auch sehr enttäuscht, wenn er wüsste, dass immer noch kein Mensch den Mars betreten hat. Davon habe er nämlich schon am Tag nach dem Start von Apollo 11 gesprochen.

Die dunkle Seite des Forschers

Daneben gibt es die dunkle Seite des berühmten Forschers, der 1937 in die NSDAP eintrat. Wernher von Braun leitete das V2-Programm in Peenemünde an der Ostsee. Tausende Zivilisten und Soldaten wurden getötet, als die Deutschen mit den Langstreckenraketen London und Antwerpen beschossen. Noch mehr Zwangsarbeiter des NS-Regimes starben bei der Herstellung der Waffen.

Die Akteure damals hätten letztlich keine Wahl gehabt, sich den Anforderungen der NS-Regierung zu entziehen, sagt von Brauns Tochter. Das sei in Demokratien wie den USA anders und den dort Lebenden schwer zu vermitteln.

Deshalb halte sie die Rede vom «Nazi Wernher von Braun» für unangemessen. «Die Amerikaner rekrutierten Raketenforscher, und die Raketenforscher halfen den Amerikanern, auf den Mond zu kommen. Ich würde denken, dass diese Charakterisierung zutreffender ist.»

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