WM als Kündigungsgrund Hast du die Chefin gefragt, ob du im Büro Fussball schauen darfst?

Von Monique Misteli

21.11.2022

Darfst du die WM-Spiele während der Arbeitszeit schauen? 
Darfst du die WM-Spiele während der Arbeitszeit schauen? 
Bild: Keystone

Die Fussball-WM per Web-Stream oder am Handy verfolgen, obwohl du am Arbeiten bist: Geht das? blue News zeigt verschiedene Szenarien und deren rechtliche Konsequenzen. 

Von Monique Misteli

21.11.2022

Selten ist eine Fussball-WM so kontrovers diskutiert worden wie die 22. Turnierausgabe vom 20. November bis 18. Dezember im Wüstenstaat Katar.

Unter anderem Korruption, Menschenrechtsverletzungen und die homophobe Einstellung der WM-Verantwortlichen führten zu Protesten und Boykottaufrufen rund um die Welt. Auch in der Schweiz verzichten viele Veranstalter auf grössere Public Viewings, im Freundeskreis wird diskutiert, ob man die Spiele überhaupt schauen soll.

Wer sich dennoch entscheidet, die Spiele zu schauen, hat festgestellt, dass diese zumindest während der Gruppenspiele ziemlich früh beginnen.

Zwar beträgt die Zeitverschiebung zu Katar lediglich +2 Stunden. Weil die WM 2022 mit 28 Tagen die kürzeste Endrunde seit dem Turnier im Jahre 1978 ist, werden die Gruppenspiele in nur 12 anstelle 15 Tagen durchgeführt. Daher werden pro Tag vier statt drei Partien angepfiffen. Und zwar um 11:00 Uhr, 14:00 Uhr, 17:00 Uhr und 20:00 Uhr Schweizer Zeit. Also genau dann, wenn der Grossteil der Berufstätigen am Arbeiten ist.

Das Arbeitsgesetz schiebt einen Riegel

Da stellt sich die Frage, ob man ein wichtiges Sportereignis oder auch der Politik (zum Beispiel die Bundesratswahlen) während der Arbeit am PC, Handy, TV oder Radio mitverfolgen darf.

Das Schweizer Arbeitsgesetz gibt eine klare Antwort: Nein. Fussball während der Arbeitszeit schauen ist ein Verstoss gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und somit nicht erlaubt.

Gemäss Arbeitsvertrag schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber  während der Arbeitszeit seine Arbeitsleistung. Wer während dieser Zeit ein Fussballspiel anschaut, ist dadurch zu sehr abgelenkt, was ein vernünftiges Arbeiten verunmöglicht. 

Nachfolgend mögliche Szenarien, die demnach arbeitsrechtlich nicht erlaubt sind:

TV am Arbeitsplatz aufstellen: Eine verlockende Alternative wäre, einen Fernseher im eigenen Büro oder der Werkhalle aufzustellen. Doch wer während seiner Arbeitszeit fernsieht, kann meistens nicht vernünftig nebenher arbeiten. Das kommt klassischerweise einer Arbeitsverweigerung gleich. Es droht eine Abmahnung oder im äussersten Fall gar eine Kündigung.

Streaming im Internet: Hier gilt generell dasselbe wie beim TV am Arbeitsplatz. Hinzu kommt, dass das Arbeitsgerät des Betriebs blockiert wird. Und wenn der Stream das vorhandene Datenvolumen aufbraucht, behindert dies auch den Arbeitsablauf der Kolleg*innen. Nebst einer Abmahnung oder einer Kündigung könnte der Arbeitgeber auch Schadenersatzsprüche geltend machen.

Newsticker auf dem Handy: Vergleichsweise harmlos hingegen ist das Lesen eines Newstickers. Grundsätzlich ist das zwar privat und damit verboten, aber zumindest wird kein Arbeitsgerät blockiert. Trotzdem sollte man um Erlaubnis fragen, denn streng genommen ist eine Abmahnung  auch für die Handynutzung am Arbeitsplatz möglich.

Partie am Radio verfolgen: Eine Alternative ist das Radio. Wer die Spiele während der Arbeitszeit im Radio verfolgen möchte, darf das grundsätzlich, solange er den Betriebsablauf nicht stört und die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. Wenn der Arbeitnehmer trotz der WM während der Arbeit gute Ergebnisse erzielt und keine Kolleg*innen gestört werden, darf man bei der Arbeit Radio hören. Will der Arbeitgeber das unterbinden, muss er einen der oben genannten Punkte nachweisen.

Es kommt auf den Arbeitgeber an

Laut Andy Müller vom Schweizerischen Arbeitgeberverband sei Fussball schauen klar eine Freizeitaktivität, die während der Arbeit streng genommen nicht erlaubt sei. Auch sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dafür freizugeben.

In der Realität kommt es auf die jeweiligen Arbeitgeber an. «Wir appellieren hier an die Kulanz der Arbeitgeber», sagt Müller. Damit meint er, wenn es die Branche und der Arbeitsablauf ermöglicht, dass man den Mitarbeitenden entgegenkommt. Beispielsweise könne man die Pausen auf die Spielzeiten verlegen. Oder in Absprache mit den Vorgesetzen frei nehmen und die Unterzeit später kompensieren. Erfahrungsgemäss werde dies in den Firmen auch so umgesetzt, sagt Müller. Es lohne sich, frühzeitig auf seinen Arbeitgeber zuzugehen und eine Lösung zu suchen, so Müller.

Eine Umfrage bei Coop, Migros, UBS, Credit Suisse, Swisscom, Sunrise, Schweizerischer Post und SBB bestätigt Müllers Erfahrung: Sofern die betrieblichen Strukturen es zulassen, die Arbeit erledigt und niemand dadurch beeinträchtigt wird, stehe dem Matchverfolgen wenig im Weg, schreiben die Unternehmen auf Anfrage von blue News. Immer vorausgesetzt, dass die Mitarbeitenden sich mit ihren Vorgesetzten abgesprochen haben.

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