Jahrelange Kindesmisshandlung Zürcher Obergericht verurteilt Quäl-Eltern zu langen Haftstrafen

olgr, sda

11.1.2023 - 10:20

Das Zürcher Obergericht hat am Mittwochvormittag ein Elternpaar unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt: Vater und Mutter hatten ihre Kinder gequält.
Das Zürcher Obergericht hat am Mittwochvormittag ein Elternpaar unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt: Vater und Mutter hatten ihre Kinder gequält.
Symbolbild: Keystone

Die Kinder wurden jahrelang unter menschenunwürdigen Verhältnissen eingesperrt – die Staatsanwaltschaft spricht von psychischer und physischer Folter. Ein Zürcher Gericht hat ein Elternpaar nun zu langen Haftstrafen verurteilt.  

11.1.2023 - 10:20

Das Zürcher Obergericht hat am Mittwoch ein Zürcher Elternpaar, das seine Kinder gequält hatte, zu langen Haftstrafen verurteilt. Unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung muss der Vater 16,5 Jahre ins Gefängnis, die Mutter 10,5 Jahre.

Die beiden Beschuldigten hatten Freisprüche verlangt. Sie wiesen jede Schuld von sich - sie schoben diese vielmehr dem jeweils anderen zu.

Für die Unterernährung ihrer Kinder – ein Neunjähriger wog nur gerade 18,5 Kilogramm – sei ihr damaliger Ehemann verantwortlich, hielt etwa die Mutter fest. Dieser habe ihr verboten, Essen zu kaufen. Der Vater gab hingegen an, die Kinder nie angerührt zu haben.

Widersprüche – aber viele Beweise

Das Obergericht sah es jedoch als erwiesen an, dass Vater und Mutter ihre Kinder misshandelt hatten.

In den Aussagen der Kinder seien zwar fraglos Widersprüche vorhanden, räumte der vorsitzende Oberrichter in seiner detaillierten Urteilsbegründung am Mittwochvormittag ein. Doch liessen sich diese Ungereimtheiten mit den Familienverhältnissen, den Abhängigkeiten und der Angst vor dem Vater plausibel erklären.

Trotz Widersprüchen hätten die Kinder die Kernvorwürfe in ihren Aussagen wiederholt vorgebracht. Zudem – und dies sei entscheidend – würden diese auch von vielen Sachbeweisen und den Angaben unabhängiger Zeugen untermauert und bestätigt, sagte der Richter.

Strafe der Mutter leicht reduziert

Mit seinem Strafmass von 16,5 und 10,5 Jahren blieb das Obergericht unter den Anträgen der Staatsanwältin, die im Rahmen der zweitägigen Verhandlung im vergangenen November Freiheitsstrafen von 19,5 und 15 Jahren gefordert hatte.

Das Bezirksgericht hatte als erste Instanz vor etwas mehr als zwei Jahren den Vater ebenfalls zu 16,5 Jahren verurteilt. Für die Mutter hatte es 12 Jahre verhängt. Das Obergericht setzte ihre Strafe nun unter anderem deshalb tiefer an, weil es ihr den von ihrem damaligen Ehemann ausgeübten Zwang leicht verschuldensmindernd zugute hielt.

Die Tatbeiträge der Mutter gingen aber weit über Gehilfenschaft hinaus, hielt der Richter weiter fest. Sie gelte als Mittäterin.

Jahrelanges Folterregime

Von ihren sieben Kindern hatten eine Tochter und ein Sohn am meisten zu leiden, wie die Staatsanwältin im November ausgeführt hatte. Sie sprach damals von «psychischer und physischer Folter» und von einem «jahrelangen Folterregime».

Tochter und Sohn wurden demnach von ihren Eltern während Jahren eingesperrt, zunächst im Kinderzimmer, später in einem ungeheizten Keller. Laut Anklage duften sie dabei nur selten auf die Toilette und mussten sich auf den Boden erleichtern. Nur für die Schule durften sie nach draussen.

Die Eltern zwangen das Mädchen auch einmal, ihr Erbrochenes aus einem Teller zu essen, den Knaben seinen Kot. Als zusätzliche Strafe mussten sich die Kinder mit Urin vollgesogene Windeln auf den Kopf setzen und stundenlang stillstehen. Darin erkannte das Obergericht «sadistische Züge im Tatvorgehen».

Ihr Martyrium fand erst ein Ende, als die Tochter selber darum bettelte, in ein Heim gehen zu dürfen. Erst dann wandte sich die Mutter ans Sozialamt. Die Kinder, heute junge Erwachsene, mussten zeitweise IV beziehen und sind dauerhaft psychisch und körperlich geschädigt.

Das Urteil des Obergerichts ist noch nicht rechtskräftig. Es kann dagegen Beschwerde am Bundesgericht erhoben werden.

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