«Meine Mama ist tot»Das waren die ersten Worte der geretteten Amazonas-Kinder
dpa, euc
13.6.2023 - 09:53
Amazonas: Mutter geretteter Kinder soll nach Absturz noch gelebt haben
Bogotá, 12.06.23: Eine Mutter ist mit ihren Kindern auf dem Weg zu ihrem Mann, als das Kleinflugzeug über dem dichten Dschungel im Süden von Kolumbien abstürzt. Sie wollte ihre Familie in Sicherheit bringen – und soll erst einige Tage nach dem Flugzeugabsturz gestorben sein.
«Meine älteste Tochter hat mir gesagt, dass ihre Mutter noch vier Tage gelebt hat», sagte der Vater der Kinder am Sonntag in der Hauptstadt Bogotá. «Bevor sie starb, hat sie vielleicht gesagt: Geht.»
Viel mehr hätten ihm seine Kinder über die Zeit im Dschungel noch nicht erzählt. «Es ist nicht leicht, sie zu fragen. Sie haben 40 Tage nicht richtig gegessen, nicht gut geschlafen. Ich hoffe, dass die Kinder sich gut erholen, dann können sie selbst erzählen, was passiert ist.»
Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag nach 40 Tagen im Regenwald im Süden des Landes gefunden.
13.06.2023
Nach und nach wird deutlich, wie die vier Kinder 40 Tage im Regenwald überleben konnten. Dabei waren offenbar zwei Faktoren entscheidend.
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40 Tage lang schlugen sich nach einem Flugzeugabsturz vier Kinder allein im tiefen Regenwald durch – jetzt sind sie gerettet worden.
Die Geschwister waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá im Süden Kolumbien abgestürzt.
Die Mutter der Geschwister im Alter von 13, 9 und 4 Jahren sowie einem Jahr erlitt beim Absturz tödliche Verletzungen.
Die ersten Worte der Kinder: «Meine Mama ist tot.»
«Ich habe Hunger» und «Meine Mama ist tot»: Dies waren die ersten Worte der vier vermissten Kinder, die nach einem Flugzeugabsturz 40 Tage allein im kolumbianischen Dschungel überlebten und am Freitag gerettet werden konnten. Ein kolumbianischer TV-Sender hat nun Bilder der Rettung veröffentlicht.
Und anschliessend überstehen sie 40 Tage im dichten kolumbianischen Regenwald. Nach Ansicht einer Ärztin waren zwei Faktoren entscheidend für das Überleben: Dass die Kinder ausreichend Wasser hatten und dass sie den Dschungel kannten.
Wie haben sich die Kinder ernährt?
Am wichtigsten sei ausreichend Flüssigkeit, sagte die Kinderärztin Clemencia Mayorga der Zeitung «El Tiempo». «Wassermangel bringt Kinder sehr schnell in eine gefährliche Situation, in nur wenigen Stunden», betont die ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft für Pädiatrie in Bogotá.
«Wir können also davon ausgehen, dass sie 40 Tage lang immer Wasser zur Verfügung hatten.» Dabei half wohl, dass es während der Zeit ausgiebig regnete.
An Essen verbrauchten die Kinder einem Bericht zufolge zunächst einen Vorrat von drei Kilogramm Maniokmehl aus dem Flugzeug. «In den Tagen nach dem Absturz assen sie das Mehl, das sie mitgenommen hatten», zitiert der Sender CNN den Militärsprecher Pedro Arnulfo Sánchez Suárez. Irgendwann seien ihnen dann die Vorräte ausgegangen.
Danach hätten die Kinder Samen gegessen, zitiert die Nachrichtenagentur AP den Angehörigen Fidencio Valencia. Astrid Cáceres, Leiterin der Kolumbianischen Instituts für das Wohl von Familien (ICBF), sagte, die Kinder hätten auch Früchte aus dem Dschungel gegessen. Dazu könnten wilde Maracujas oder Mangos zählen.
Welche Bedeutung kommt den älteren Kindern zu?
Eine Schlüsselrolle spielten wohl die beiden älteren Schwestern: Die 13-jährige Lesly und die 9 Jahre alte Soleiny nahmen sich der beiden Jüngeren an: Tien war beim Absturz vier Jahre alt, Cristin gerade elf Monate – beide hatten während der Zeit im Regenwald Geburtstag. Dabei galt es vor allem zu beachten, dass die Kinder in der dichten Vegetation stets beieinander blieben.
«Ich denke, es ist sehr wichtig, die Fähigkeiten der beiden älteren Kinder hervorzuheben, sich um die jüngeren zu kümmern», betont die Kinderärztin Mayorga. «Für mich ist es ganz klar, dass es die älteren Kinder waren, die das Leben der jüngeren gerettet haben, insbesondere das des 11 Monate alten Kindes.»
Die Geschwister kannten den Regenwald von klein auf
Entscheidend war zudem, dass die Kinder, die der indigenen Ethnie der Witoto (Uitoto) angehören, von klein auf mit dem Regenwald vertraut waren. «Das Überleben der Kinder ist ein Beweis für das Wissen und die Verbindung zur natürlichen Lebensumwelt, die schon im Mutterleib gelehrt und gelernt und von früh an praktiziert wird», schrieb die Indigenen-Organisation OPIAC auf Twitter.
Das glaubt auch der mit dem Amazonasgebiet vertraute Ökologe Carlos Peres von der englischen University of East Anglia. «Vier westliche Kinder dieses Alters wären umgekommen», sagte er der «Washington Post». Indigene Kinder lernten früh, wie man Nahrung finde und gefährliche Tiere, etwa Schlangen oder Raubkatzen, meide. In manchen Gemeinschaften der Region lernten Kinder schon im Alter von einem Jahr, auf Bäume zu klettern, so Peres.
Der Forscher ergänzt: «Was ich mehr als alles andere beklage, ist, dass jenes Wissen, das diese Kinder in diesem besonderen Fall gerettet hat, im Amazonasgebiet rapide schwindet.»