Die schlingernde Schweizer Grossbank Credit Suisse wird vom grösseren Konkurrenten geschluckt. Durch den Megadeal könnten aber noch grössere Probleme entstehen, meinen Kritiker.
21.03.2023, 00:00
21.03.2023, 06:16
dpa/tpfi
Die Hoffnung war gross: Die Notübernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Grossbank UBS sollte Ruhe in die Finanzmärkte bringen. «Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme die beste Lösung ist, um das Vertrauen wiederherzustellen», sagte der Schweizer Bundespräsident Alain Berset bei der Bekanntgabe der bedeutendsten Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Doch die Sorge vor einer Bankenkrise auch infolge der Turbulenzen in den USA schwelt an den Finanzmärkten weiter.
Kehrt jetzt Ruhe ein?
«Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht», kommentierte die «Neue Zürcher Zeitung» die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Nach der Finanzkrise 2008/2009 sollte eigentlich keine Bank mehr so gross sein, dass der Staat sie nicht pleitegehen lassen kann («too big to fail»). «Mit dieser Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch grösseren Akteur, der erst recht nicht pleitegehen darf», kritisiert Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende.
«Diese Lösung ist nicht nachhaltig und verschärft das Too-Big-To-Fail-Problem nur noch», sagt der frühere Grünen-Politiker. Zudem bleibt die Lage auf dem US-Bankensektor nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank und der Probleme anderer Regionalbanken angespannt. Das sorgt für Unruhe an den Börsen, die sich am Montag zunächst einmal stabilisierten.
Was sind weitere Gründe für die anhaltenden Sorgen der Anleger?
Banken, Versicherer und andere Anleger haben insgesamt 16 Milliarden Franken in nachrangige Anleihen der Credit Suisse (sogenannte AT1-Papiere) gesteckt. Auf Geheiss der Schweizer Finanzaufsicht Finma soll dieses Geld dem Eigenkapital der Credit Suisse zugeschlagen werden, die Inhaber dieser Papiere verlieren ihr eingesetztes Geld. Zunächst war unklar, welchen Grossanlegern dadurch höhere Ausfälle drohen.
Die Deutsche Bank ist nach eigener Auskunft «nahezu null» betroffen, die Commerzbank einem Sprecher zufolge überhaupt nicht. Die Bankenaufseher der Europäischen Union stellten klar, dass für den Fall einer Schieflage einer Bank in der EU eine feste Regel gelte, in welcher Reihenfolge Aktionäre und andere Gläubiger herangezogen würden. Verluste einer Bank gingen zuerst zulasten des Aktienkapitals. Erst wenn dieses nicht ausreiche, würden AT1-Anleihen herangezogen.
Wurden die richtige Lehren aus der Lehman-Pleite gezogen?
Allein die EU-Staaten mussten in der Finanzkrise nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers rund 1,6 Billionen Euro in marode Banken stecken. Seitdem müssen Banken deutlich mehr Eigenkapital vorweisen. Zudem werden seit 2016 in Europa im Fall der Schieflage eines Instituts zunächst Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten. Erst als letztes Mittel geht es an Einlagen von Sparern sowie Gelder aus einem von den Banken finanzierten Krisenfonds (Single Resolution Fund). Ökonom Jens Südekum erwartet keine Ansteckungseffekte innerhalb der Branche wie 2008. «Die Eigenkapital-Quoten sind besser und es gibt kaum faule Kredite mehr», sagte das Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium der «Bild»-Zeitung (Montag).
Kritiker halten die aktuellen Bestimmungen nicht für ausreichend. «Das Scheitern der Credit Suisse ist ein Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen», fordert der deutsche Finanzexperte Gerhard Schick. Notwendig seien unter anderem grössere Kapitalpuffer bei Banken und eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit mehr Befugnissen.
Wie reagieren die Notenbanken?
Die Notenbanken versuchen zu beruhigen – verbal und mit einer konzertierten Aktion. «Aufgrund seiner starken Eigenkapital- und Liquiditätspositionen ist der Bankensektor im Euroraum widerstandsfähig», bekräftigte beispielsweise EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Wochenende. Zudem erhöhten die sechs grosse Notenbanken die Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit Dollar-Liquidität. Die Dollar-Geschäfte sollen sicherstellen, dass den Banken für wichtige, meist internationale Geschäfte nicht die Weltreservewährung Dollar ausgeht. Neben der EZB beteiligten die Notenbanken der USA, Kanadas, Grossbritanniens, Japans und der Schweiz.
Wie sind in der Schweiz die Reaktionen auf den Deal?
Die Sorge gilt vor allem dem Ruf des Finanzplatzes Schweiz. Die Regierung hat sich bei der Übernahme auf Notrecht berufen. Der auf Bankenrecht spezialisierte Rechtsprofessor Peter Kunz hält das für eine unzureichende Rechtsgrundlage und rechnet mit Klagen gegen die Eidgenossenschaft. «Dass die CS-Aktionäre zum Deal gar nicht mehr gefragt werden, ist eine völlig aussergesetzliche Regelung», sagte er in Zeitungs-Interviews.
Was sind die Folgen für die CS-Kunden und Belegschaft?
Die Credit Suisse kann laut Finanzmarktaufsicht alle Geschäfte ohne Einschränkungen weiterführen. Damit sei der Schutz der Kunden gewährleistet. Konten, Depots und andere Dienstleistungen blieben wie gewohnt zugänglich. Das Geld der Kunden sei durch die Liquidität der Bank sowie durch die Einlagensicherung, die für Beträge bis zu 100’000 Franken gilt, geschützt. Auf die 50’000 Angestellten der CS kommen ungewisse Zeiten zu. Rund 10’000 Stellen könnten bedroht sein.
Wann ist der Deal auch rechtlich abgeschlossen?
Die Fusionstransaktion unterliegt den üblichen Abschlussbedingungen. Beide Parteien sind zuversichtlich, dass alle Bedingungen erfüllt werden können, heisst es. Die Fusion soll nach Möglichkeit bis Ende 2023 vollzogen werden. Möglicherweise wird der Name Credit Suisse auch in Zukunft beibehalten.