Experte über kranke Banken «Nun kommt es darauf an, wie viele Einleger panisch reagieren»

Von Jan-Niklas Jäger

17.3.2023

Strassen-Umfrage zur Credit Suisse: «Ich habe investiert und noch mehr Aktien gekauft»

Strassen-Umfrage zur Credit Suisse: «Ich habe investiert und noch mehr Aktien gekauft»

Der tiefe Fall der Credit Suisse hat viele geschockt, doch so mancher Passant in Zürich hat es auch kommen sehen: Das denken Herr und Frau Schweizer über das Schwächeln der Grossbank.

16.03.2023

Die Credit Suisse in Nöten, der Franken stark, dazu steigende Leitzinsen: Ökonom Dirk Niepelt über die Nervosität an den Finanzmärkten – und wie sie sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken könnte.

Von Jan-Niklas Jäger

Die Turbulenzen im Finanzsektor um die angeschlagene Grossbank Credit Suisse sorgen zusammen mit Problemen mehrerer Regionalbanken in den USA für Unruhe an den Finanzmärkten. Trotz einer 50-Milliarden-Franken-Hilfe von der Schweizerischen Nationalbank bleiben nicht nur die Nerven der Investoren angespannt. Auch die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind noch nicht absehbar.

Volkswirtschaftsexperte Dirk Niepelt von der Uni Bern sieht im Interview mit blue News die Krise der Credit Suisse zwar nicht als Vorboten einer neuen weltweiten Wirtschaftskrise. Problematische Entwicklungen am Geld- und Finanzmarkt will der Ökonom aber nicht von der Hand weisen.

Zur Person
zVg

Dirk Niepelt ist Professor für Makroökonomie an der Universität Bern und steht als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik vor.

Wie gross schätzen Sie das Risiko ein, dass aus der Banken- eine Weltwirtschaftskrise erwächst?

Die Risiken auf der Aktivseite der Bankbilanzen scheinen überschaubarer und kleiner als bei der letzten Finanzkrise zu sein, die Verluste leichter zu verstehen. Sie resultieren unter anderem aus Bewertungsveränderungen im Zuge der steigenden Zinsen. Auf der Passivseite spielen sich dagegen ähnliche Prozesse ab wie vor 15 Jahren: Einleger wollen ihre Einlagen abziehen, und das schwächt Banken aufgrund der Natur ihres Geschäftsmodells.

Es ist also keine Zeit für Panik?

Das kommt darauf an, wie viele Einleger panisch reagieren. Ich vermute, fundamental ist die Lage weniger dramatisch als vor 15 Jahren. Das sagen ja auch Aufseher und Regulatoren. Offenbar hatten die allerdings auch nicht alle die Konsequenzen der Zinsanhebungen auf dem Radar.

Neben der Krise der Credit Suisse gibt auch der Franken Anlass zur Sorge: Er notiert deutlich stärker im Vergleich zu Dollar und Euro. Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft?

Kurzfristig hat das keine gravierenden Konsequenzen. Was zählt, ist die mittel- und langfristige Entwicklung des realen Wechselkurses.

Dennoch: Der Euro gibt im Vergleich zum Franken und Dollar deutlich nach. Droht eine neue Eurokrise?

Die alte Euro-Krise war keine eigentliche Euro-Krise. Sie war eine Krise einzelner europäischer Staatsschuldner und in der Konsequenz eine Krise der Banken, die Schulden dieser Staaten hielten. Politisch wurden diese Krisen als Euro-Krisen gedeutet und dies verstärkte den Eindruck der Alternativlosigkeit von Stützungsmassnahmen.

Die Stabilität des Euro hängt vor allem vom Vertrauen der Bevölkerung, den Inflationserwartungen und somit der Qualität der Geldpolitik ab. Diese wird natürlich indirekt durch die Auswirkungen von Schulden- und Bankenkrisen beeinflusst, aber wesentlicher ist das Verhalten der Entscheidungsträger. Selbst ein europäischer Staatskonkurs oder eine Bankenpleite müssen den Euro-Kurs nicht belasten, wenn die Inflationserwartungen stabil bleiben.

Ignorieren lassen sich die Probleme auf dem Finanzmarkt aber auch nicht.

Probleme dieser Art tauchen mehr oder weniger regelmässig im 15-Jahres-Rhythmus auf. Sie kommen nicht unerwartet. Geldschöpfung durch Banken ist lukrativ aber führt zu Instabilität. Regulatoren versuchen immer wieder, diesen gefährlichen Cocktail zu entschärfen, aber nicht immer mit Erfolg. Die grundsätzliche Frage ist die, ob wir das Geldsystem besser organisieren können.

Das Logo der Bank am Hauptsitz der Credit Suisse: Die Aktien der Schweizer Bank haben am Mittwoch ein Rekordtief erreicht.
Das Logo der Bank am Hauptsitz der Credit Suisse: Die Aktien der Schweizer Bank haben am Mittwoch ein Rekordtief erreicht.
Michael Buholzer/Keystone/dpa

Ein Grund für die Probleme gewisser Banken scheinen die aktuell wieder steigenden Zinsen zu sein. Dennoch halten die Notenbanken an ihrer Zinspolitik fest: Ist das der richtige Weg oder braucht es hier eine Korrektur?

Er ist prinzipiell richtig. In einer idealen Welt verfolgen die Zentralbanken ihre Geldpolitik so, wie sie es angesichts ihres Mandates für richtig halten. Dieses Mandat bezieht sich primär auf die Preisstabilität und sekundär auf die Finanzstabilität. Wir erleben leider immer wieder, dass das Sekundärziel und ganz andere Ziele die Verfolgung des primären Ziels konterkarieren.

Wie geschieht das?

Zum einen durch fiskalische Dominanz: Zentralbanken sehen sich gezwungen, geldpolitisch zur Stabilisierung von Staatsschulden beizutragen. Zum anderen durch Dominanz des Finanzsektors: Der Eindruck, den Bankensektor stabilisieren zu müssen, erzwingt geldpolitische Entscheide, die die Zentralbank sonst nicht so getroffen hätte. Schliesslich erschweren sich manche Zentralbanken auch ohne starke äussere Einflüsse das Leben, indem sie aus eigenem Antrieb ihr Mandat erweitern oder sich verzetteln.

Zuletzt blieb die Inflation in vielen Ländern trotz höherer Zinsen hoch: Können die Akteure die Inflation überhaupt noch wirksam bekämpfen?

Wenn es nur um die Inflation geht und man zu drastischen Massnahmen bereit ist, dann gibt es immer Möglichkeiten, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Die Herausforderung besteht darin, die Inflation zu bremsen ohne dabei die Konjunktur übermässig zu belasten.

Welche Massnahmen wären denn eine Alternative zu Zinserhöhungen?

Zentralbanken könnten zum Beispiel die Mindestreserve-Sätze um ein Vielfaches heraufsetzen. Das würde Banken und die Konjunktur schwer belasten. So etwas will eine Zentralbank natürlich nicht.

Also müssen wir einfach mit der Inflation leben?

Es gibt Mittel im Kampf gegen die Inflation und die werden jetzt ja auch eingesetzt. Aber Inflation kann man nicht über Nacht abstellen. Manche Zentralbanken sind im Vorfeld des letztjährigen Inflationsschubs konsequenter als andere gewesen. Zentralbanken, die so taten, als könnten sie viele Ziele ausserhalb ihres eigentlichen Mandats verfolgen, werden jetzt mehr Probleme haben, Inflationserwartungen unter Kontrolle zu bringen und die Inflation ohne hohe volkswirtschaftliche Kosten auf den Zielpfad zurückzuführen.

Die Finanzkrise 2008 ging auch von einem überhitzten Hypothekarmarkt aus. Auch jetzt können manche ihre Hypotheken wegen hoher Zinsen nicht mehr bedienen: Sehen Sie diese Parallelen zu 2008 auch?

Um dies zu beantworten, fehlen mir detaillierte Kenntnisse zur Vergabepraxis der Banken und der Solvenz der Schuldner. Wenn ich den Regulatoren glaube, dann bin ich optimistisch.

Demnach können wir zuversichtlich sein?

Wenn wir darauf vertrauen, dass die Regulierung in den Jahren nach der Finanzkrise die Banken robuster gemacht hat, dann ja. Im konkreten Einzelfall bin ich optimistisch, mittelfristig aber nicht.

Mitarbeit: Andreas Fischer.