Drohender Handelskrieg EU plant Vergeltungsmassnahmen gegen Trumps Strafzölle

von Michael Donhauser, dpa

3.3.2018

US-Präsident Donald Trump stösst die Welt erneut vor den Kopf. Mit einem Pauschal-Zoll für Stahl- und Aluminiumimporte schlittert er in Richtung eines Handelskonfliktes mit Freund und Feind.

Donald Trumps Ankündigung von Strafzöllen auf Stahlimporte aus dem Ausland haben zu einer heftigen Diskussion über den wirtschaftlichen Sinn der Massnahme geführt. Aus Furcht vor schweren, weltweiten Handelsauseinandersetzungen setzten die Börsen am Freitag ihre Talfahrt fort. Nach einem Verlust von rund 500 Punkten am Vortag verlor der Dow Jones am Freitag weitere 70 Punkte. Lediglich die Papiere der Stahl- und Aluminiumhersteller bremsten den Niedergang mit weiteren Aufschlägen. Handelsminister Wilbur Ross, einer der geistigen Väter der Zollentscheidung, bezeichnete die Marktbewegung als «Überreaktion».

Zahlreiche Volkswirte und Wirtschaftsführer meldeten sich in den USA zu Wort und erklärten, die Zölle könnten zum Bumerang für die «America-First»-Agenda von US-Präsident Trump werden. International hagelte es ohnehin schwere Kritik. Die EU und zahlreiche grosse Wirtschaftsnationen wie Brasilien und Kanada kündigten Vergeltungsmassnahmen an.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, er könne sich im Gegenzug Einfuhrzölle auf Whisky, Jeans und Motorräder aus den USA vorstellen - damit würde er Symbole der der US-Wirtschaft treffen, ohne jedoch allzu grossen volks- und weltwirtschaftlichen Schaden anzurichten. FDP-Chef Christian Lindner forderte in der «Passauer Neuen Presse» (Samstag), die EU müsse die grossen Daten-Unternehmen wie Facebook und Google treffen - deren Marktverhalten sei in Europa sehr viel entscheidender als das von Motorrad- oder Whiskyherstellern.

Der Internationale Währungsfonds warnte vor Schäden durch die Stahl-Zölle in den USA selbst. «Die vom US-Präsidenten angekündigten Importerschwernisse werden wahrscheinlich Schaden nicht nur ausserhalb der USA anrichten, sondern auch in den Vereinigten Staaten selbst», sagte IWF-Sprecher Gerry Rice in Washington. Betroffen könnten auch die verarbeitende Industrie und der Bausektor sein. Ferner gebe es grosse Bedenken, die Zölle mit der Nationalen Sicherheit zu begründen - dies könne zu Nachahmereffekten führen.

In den USA begrüssten dagegen die Vertreter der Stahl- und Aluminiumbranche sowie die entsprechenden Arbeitnehmervertretungen den Schritt Trumps. Vertreter der Autobranche, Getränkehersteller und Baufirmen fürchten jedoch eine Verteuerung ihrer Produkte, weil die Einkaufspreise für das Rohmaterial wie etwa Getränkedosen nach oben gehen könnten.

«Die Preise werden steigen», sagte der Präsident des Institutes der Dosenhersteller, Robert Budway. «Dies würde am Ende die Verbraucher in den USA schädigen, die mehr für Dosengetränke und in Dosen verpacktes Essen zahlen müssten.» In den USA sind 6,5 Millionen Menschen direkt und indirekt mit der Verarbeitung von Stahl- und Aluminium beschäftigt - aber nur wenige Hunderttausend mit der Erzeugung.

Trump setzte unbeeindruckt von der Kritik im In- und Ausland jedoch noch einen drauf. Wenn ein Land viele Milliarden Dollar im Handel mit praktisch jedem Land verliere, mit dem es Geschäfte mache, «dann sind Handelskriege gut - und einfach zu gewinnen», schrieb Trump im Nachrichtendienst Twitter: «Beispiel: Wenn wir ein 100-Milliarden-Dollar-Defizit mit einem Land haben und sie das ausnutzen, handeln wir nicht mehr - und machen einen Riesengewinn. Es ist so einfach!»

Er wolle künftig auch auf andere Produkte Einfuhrzölle oder Grenzsteuern erheben, wenn dies andere Länder auch für US-Produkte tun. «800 Milliarden Handelsdefizit lassen uns keine andere Wahl», schrieb Trump auf Twitter: «Wir werden bald mit wechselseitigen Steuern beginnen.»

Mit der Ankündigung von Strafzöllen auf alle Stahlimporte in Höhe von 25 Prozent will Trump die heimische Industrie abschirmen. Auf Aluminium-Einfuhren sollen zehn Prozent erhoben werden. Damit werden Importe in die USA teurer. Der Stahlmarkt weltweit leidet unter Überkapazitäten und Preisverfall. Hauptverursacher ist China.

Weltweit hagelte es Kritik: «Die Bundesregierung lehnt solche Zölle ab», liess Kanzlerin Angela Merkel über Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten. Ein «Handelskrieg» könne «in überhaupt niemandes Interesse sein», auch nicht in dem der US-Wirtschaft. BDI-Präsident Dieter Kempf warnte, Trump riskiere «weltweite Handelskonflikte und eine Spirale des Protektionismus, die am Ende auch amerikanische Jobs kosten werden».

Der weltgrösste Stahlproduzent China forderte die USA zur Zurückhaltung auf und mahnte Washington, sich an Handelsregeln zu halten. «
Würden alle Länder dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen, hätte dies zweifellos schwerwiegende Auswirkungen auf den internationalen Handel», sagte eine Sprecherin des Aussenministeriums.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte: «Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Massnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden.» Aus Sicht der deutschen Wirtschaftsvereinigung Stahl verstösst der Schritt Trumps gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Der US-Nachbar Kanada kündigte ebenfalls mögliche Gegenmassnahmen an. Aussenministerin Chrystia Freeland bezeichnete die Ankündigung Trumps als «absolut inakzeptabel». Auch Brasilien, einer der wichtigsten Stahllieferanten der USA, schloss «Massnahmen auf multilateraler oder bilateraler Ebene» nicht aus. Ähnlich äusserte sich Mexiko.

Die USA importieren derzeit Stahl im Wert von 30 Milliarden Dollar. 4,4 Prozent der Einfuhren kommen nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums aus Deutschland. Den Löwenanteil bestreiten Länder wie Südkorea, Mexiko und Brasilien. Deshalb sehen sich deutsche Hersteller nur wenig betroffen. Die WTO zeigte sich dagegen besorgt. «Ein Handelskrieg ist im Interesse von Niemandem» sagte Generaldirektor Roberto Azevêdo in Genf.

Mit seinen Massnahmen will Trump die schwächelnde heimische Industrie wieder aufpäppeln. Die Stahl-Politik ist elementarer Teil seiner «America First»-Politik. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Stahlarbeiter-Gewerkschaft USW 9000 Jobs in der Branche gestrichen. Seit 2000 sank die Beschäftigung um 35 Prozent.

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