Tiefe Leerstandsquote Schweizer Grossfirmen gehen gegen «Geisterbüros» vor

mmi

10.9.2023

Zum Arbeiten ins Büro oder doch lieber Homeoffice? Spätestens seit der Pandemie haben die Schweizer Grossfirmen ihre Büroflächen-Konzepte überdacht.
Zum Arbeiten ins Büro oder doch lieber Homeoffice? Spätestens seit der Pandemie haben die Schweizer Grossfirmen ihre Büroflächen-Konzepte überdacht.
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/dpa-tmn

Spätestens seit der Pandemie hat sich das Homeoffice im Schweizer Büroalltag etabliert. Grossfirmen verkaufen oder legen Büroflächen zusammen. Trotzdem sind die Leerstände tiefer als vor Corona. Warum?

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  • Seit der coronabedingten Homeoffice-Pflicht anfangs 2021 ist diese Form des Arbeitens aus dem hiesigen Büroalltag nicht mehr wegzudenken.
  • Grosse Firmen reagieren auf verwaiste Büros, verkaufen oder legen Büroflächen zusammen. 
  • Doch entgegen aller Erwartungen nimmt der Leerbestand an Büros in der Schweiz ab anstatt zu.
  • Mögliche Gründe sind die steigende Beschäftigung oder die Digitalisierung, beispielsweise des Gesundheits- oder Industriesektors, die mehr Büroflächen beanspruchen dürften.

Angestellte in der Schweiz wollen weniger aufs Homeoffice verzichten. Demnach nehme der Bedarf bei zahlreichen Grossunternehmen an Büroflächen ab, schreibt der «Blick» und stützt sich dabei auf eine eigene Umfrage bei Firmen. 

Das sieht auch Donato Scognamiglio, abtretender Chef der Immobilienberatungsfirma Iazi so: «Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben», sagt der 53-Jährige zu «Blick». Mitarbeiter*innen würden vielerorts auch nach der Pandemie nicht ins Büro zurückkehren wollen. Aufgrund des Fachkräftemangels seien die Arbeitnehmenden mit der Forderung nach Homeoffice am längeren Hebel, führt Scognamiglio aus.

Zwar ist der grosse Nachfrageeinbruch am Büromarkt in der Schweiz ausgeblieben. Gemäss Scognamiglio sollten sich die hiesigen Anbieter von Büroflächen trotzdem wappnen, denn die Stunde der Wahrheit werde erst noch kommen. 

Axa, Helsana oder Postfinace verkleinern Büroflächen 

Eine entsprechende Entwicklung zeigt sich gemäss «Blick» bereits in der Versicherungsbranche. Gemäss einer internen Umfrage bei der Axa-Versicherung wollten die Mitarbeitenden nur noch an zwei Tagen pro Woche ins Büro kommen. Das sei gemäss der Versicherung bereits heute der Fall. Dementsprechend würden Gebäude an wenig frequentierten Wochentagen weitgehend leer stehen.

Weil die Leerstände weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll seien, wird der Konzern per 2024 in Zürich und Winterthur einzelne Bürogebäude aufgeben. An anderen Standorten sollen die Flächen auf den Geschossen reduziert werden. Insgesamt sollen die Büroflächen um 20 Prozent reduziert werden, schreibt die Axa. 

Ähnlich tönt es bei der Konkurrenz: Die Allianz plant in den nächsten ein bis zwei Jahren am Hauptsitz Wallisellen einen Flächenrückbau von bis zu 20 Prozent. Die Helsana hat bereits vor einigen Jahren begonnen, die Büroflächen zu reduzieren. Bis Ende 2024 sollen weitere 15 Prozent schwinden. 

Auch die Postfinance will gemäss «Blick»-Umfrage nach den 15 Prozent der letzten Jahre bis 2024 weitere fünf Prozent weggeben. Dafür hat der Finanzdienstleister in Bern und Oerlikon zwei zentral gelegene Co-Working-Hubs eröffnet. Damit kommt sie ihrem Mutterkonzern, der Post, nach, die ihre Büroflächen um einen Fünftel verringert und die Mitarbeitenden in regionalen Hubs zusammenziehen will.

Leerstände tiefer als vor der Corona-Pandemie

Doch entgegen allen Erwartungen sind die Leerstände auf dem Büromarkt tiefer als vor der Corona-Pandemie. Gemäss dem KMU-Portal des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco beträgt die Leerstandsquote 2022 von Büros landesweit 5,4 Prozent – zum Vergleich: bei Wohnungen liegt die Quote lediglich bei 1,6 Prozent. 

In den städtischen Zentren, in denen die Mehrheit der Büroräume angesiedelt ist, liegt die Angebotsquote meist über dem Durchschnitt: 12,3 % in Genf, 10,1 % in Baden (AG), 8,8 % in Basel, 8,7 % in Zug und 8,2 % in Lausanne. Andere Städte verzeichnen hingegen einen deutlich geringeren Leerstand, zum Beispiel Biel (4,3 %), Thun (3,1 %), Sitten (1,6 %) und Freiburg (1,3 %).

Prognose: Bedarf an Büroflächen nehmen bis 2060 zu

Als einen der Gründe für diese Entwicklung nennt der Immobilienmarkt-Analyst von Raiffeisen, Michel Fleury, unter anderem die starke Nachfrage aufgrund der weiter steigenden Beschäftigung. 

Das Seco schreibt, dass bis 2060 der Bedarf an Büroflächen noch zunehmen werde und bezieht sich dabei auf Prognosen der Credit Suisse und des Schweizerischen Baumeisterverbands. 

Durch die Digitalisierung bestimmter Tätigkeiten, die dann nicht mehr in Industriehallen, Showrooms oder Krankenhäusern stattfinden werden, könnte der Anteil der Berufe mit einem Büroarbeitsplatz steigen. Während die Zunahme des Homeoffice-Anteils die Nachfrage nach Büroräumen in weniger als 40 Jahren um 15 % reduzieren dürfte, könnte die Digitalisierung dieser Sektoren die Büroquote um 32 % ansteigen lassen.