Transparency-Chef erklärt hohe Korruptionszahlen «Heute werden keine Koffer mit Banknoten herumgeschoben»

Von Sven Ziegler

29.2.2024

Bargeld bei Bestechungszahlungen gibt's heute kaum mehr: Die Firmen haben findige Methoden entwickelt, um die Kontrollen zu umgehen. (Symbolbild)
Bargeld bei Bestechungszahlungen gibt's heute kaum mehr: Die Firmen haben findige Methoden entwickelt, um die Kontrollen zu umgehen. (Symbolbild)
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Zahlreiche Schweizer Firmen setzen im Ausland auf Bestechung, wie eine neue Studie zeigt. Der Chef von Transparency Schweiz erklärt, wie es dazu kommt. 

Von Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Schmiergeldzahlungen von Schweizer Firmen im Ausland sind häufig. 
  • Martin Hilti von Transparency Schweiz erklärt, wie die Zahlungen heute ablaufen.
  • Er fordert neue Massnahmen auf allen Ebenen.

Ein Drittel aller Schweizer Unternehmen, die im Ausland operieren, hat schon Schmiergelder bezahlt. Das stellten die Fachhochschule Graubünden und Transparency International in einer grossen Studie fest. 

Die Zahl der Firmen, die Schmiergelder bezahlen, um sich Aufträge oder sonstige Vorteile zu sichern, sei enorm hoch, sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz, im Gespräch mit blue News. «Jedes dritte auslandaktive Schweizer Unternehmen leistet Bestechungszahlungen im Ausland und damit gleich oft wenn nicht sogar noch öfter wie vor zehn Jahren, wie die Ergebnisse der Studie zeigen. Das ist beunruhigend und die falsche Entwicklung.» Schweizer Firmen leisteten damit einen Beitrag, dass das Korruptionsniveau in gewissen Ländern enorm hoch sei. 

In der modernen Form der Korruption würden aber nicht etwa Bankkoffer mit Geldnoten über den Tisch geschoben, erklärt Hilti. Firmen würden entsprechende Zahlungen kaschieren – «schliesslich wissen alle, dass Korruption strafbar ist».

Ein Beispiel: Eine Firma will einen Auftrag erhalten. Die Gegenseite gibt daraufhin zu verstehen, dass die Konkurrenz entsprechende Zahlungen in Aussicht gestellt hat. Wenn das Unternehmen dieser Korruptionsforderung nachkommen sollte, dürften möglichst ausgeklügelte Wege angewendet werden, um die illegale Zahlung zu vertuschen, etwa über fiktive Verträge oder undurchsichtige Vertragspositionen, sagt Martin Hilti.

Mehrere Stellen in der Pflicht

Die jetzt erfolgten Erhebungen zeigten, dass bei den Firmen während der letzten Jahre zwar grundsätzlich die Massnahmen zur Korruptionsprävention ausgebaut wurden. «Es sind allerdings auch immer noch empfindliche Lücken vorhanden.»

So habe sich etwa gezeigt, dass ein Viertel der Unternehmen über keine Verhaltensrichtlinien verfüge, die Hälfte der Firmen habe keine Meldestelle. «Schwerwiegend ist auch, dass bei einem Drittel der Unternehmen das klare Bekenntnis von der Führungsriege fehlt, dass eine Nulltoleranz bei Korruption herrschen soll.» Bei vielen Firmen dürfte laut Hilti der Appetit aufs Risiko zudem sehr gross sein. «Die Aussicht auf kurzfristigen Profit dürfte dann höher als das Bewusstsein über die negativen Konsequenzen liegen.»

In der Pflicht sieht Hilti mehrere Stellen: zum einen die Unternehmen selbst. Diese müssten ihre Massnahmen zur Prävention der Korruption verbessern, wie etwa ihre Mitarbeiter besser sensibilisieren und sich klar zu einer Nulltoleranz im Bereich der Korruption bekennen.

Besserer Whistleblowing-Schutz abgelehnt

Andererseits brauche es eine konsequentere Strafverfolgung und auf gesetzlicher Ebene Anreize für die Unternehmen, sich selbst zu stellen. «Unter sehr engen Voraussetzungen sollte etwa eine Strafbefreiung möglich sein», sagt Hilti. «Hilfreich dürfte mehr Sicherheit und Berechenbarkeit sein, diese fehlt derzeit im Bereich des Unternehmensstrafrechts.» Unternehmen müssten wissen, was auf sie zukommt, wenn sie sich selbst den Behörden stellen. «Die Staatsanwaltschaften sind hier gefordert, konkrete Richtlinien zu ihrer Anwendungspraxis zu erstellen», erläutert der Experte.

Laut Hilti brauche es auch einen besseren gesetzlichen Schutz von Whistleblowern – «nur dank diesen wird ein Grossteil der Fälle überhaupt aufgedeckt».

Dass es dazu aber bald kommt, ist unwahrscheinlich. Erst am Dienstag versenkte der Nationalrat einen Vorstoss aus dem Ständerat. In diesem forderte der frühere Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser die Schaffung eines Rechtsrahmens, um Whistleblower im privaten Sektor zu schützen.